schaften sind dem Bedürfnisse, die Künste der Erholung dienstbar worden; aber sieht auch der Bau, an dem mein Geist schon drey Jahrhunderte gebaut, in der Anlage einem Wirthschaftsgebäude gleich, und hat der Satan manchen Stein dazu herbeygeschleppt, er wird doch zuletzt ein Gotteshaus.
Jung ist freylich noch die Freyheit, und weiß sich nicht zu lassen, die Willkuhr aber grau und alters¬ schwach weiß zwischen Seyn und Nichtseyn nicht die schwere Wahl zu treffen. Vergangen ist noch nicht das Alte, und das Neue noch nicht jung geworden; ungar ist die Masse und schwer fließend kann sie nir¬ gend zum reinen Gusse sich gestalten. Darum ist alles nur ein Zischen und ein Streiten, ein Gestalten und Zerfließen, ein Bilden und Zerstören, und ich muß immer wachen, daß das Feuer nicht erkalte, und das Sieden rasch von Statten gehe.
Darum ist mein ganzes Seyn nur ein einziger Wi¬ derspruch; da Zug und Trieb der innern Kräfte nach¬ gelassen, ist das alte Chaos in der Gesellschaft zu¬ rückgekehrt, und dem alten Schöpfer bin ich ein furchtbarer Zerstörer nachgefolgt. Aber aus dem Tode allein kann das Leben keimen; hat doch auch die bildende Weltkraft, als sie im Hermesbecher die Elemente zuerst gemischt, und nun brausend, gäh¬ rend, zischend, donnernd die Kräfte durcheinander¬ fuhren, erst in viel mißlungenen Schöpfungen, die die Berge jetzt beschließen, sich versucht, ehe sie das rechte Maaß in ihrem Gebild getroffen. Darum fordre nicht von mir, daß ich gleich im ersten Wurf ein Bleibendes gestalte, die Zukunft magst du nur nach meinem Werke fragen."
ſchaften ſind dem Bedürfniſſe, die Künſte der Erholung dienſtbar worden; aber ſieht auch der Bau, an dem mein Geiſt ſchon drey Jahrhunderte gebaut, in der Anlage einem Wirthſchaftsgebäude gleich, und hat der Satan manchen Stein dazu herbeygeſchleppt, er wird doch zuletzt ein Gotteshaus.
Jung iſt freylich noch die Freyheit, und weiß ſich nicht zu laſſen, die Willkuhr aber grau und alters¬ ſchwach weiß zwiſchen Seyn und Nichtſeyn nicht die ſchwere Wahl zu treffen. Vergangen iſt noch nicht das Alte, und das Neue noch nicht jung geworden; ungar iſt die Maſſe und ſchwer fließend kann ſie nir¬ gend zum reinen Guſſe ſich geſtalten. Darum iſt alles nur ein Ziſchen und ein Streiten, ein Geſtalten und Zerfließen, ein Bilden und Zerſtören, und ich muß immer wachen, daß das Feuer nicht erkalte, und das Sieden raſch von Statten gehe.
Darum iſt mein ganzes Seyn nur ein einziger Wi¬ derſpruch; da Zug und Trieb der innern Kräfte nach¬ gelaſſen, iſt das alte Chaos in der Geſellſchaft zu¬ rückgekehrt, und dem alten Schöpfer bin ich ein furchtbarer Zerſtörer nachgefolgt. Aber aus dem Tode allein kann das Leben keimen; hat doch auch die bildende Weltkraft, als ſie im Hermesbecher die Elemente zuerſt gemiſcht, und nun brauſend, gäh¬ rend, ziſchend, donnernd die Kräfte durcheinander¬ fuhren, erſt in viel mißlungenen Schöpfungen, die die Berge jetzt beſchließen, ſich verſucht, ehe ſie das rechte Maaß in ihrem Gebild getroffen. Darum fordre nicht von mir, daß ich gleich im erſten Wurf ein Bleibendes geſtalte, die Zukunft magſt du nur nach meinem Werke fragen.„
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0151"n="143"/>ſchaften ſind dem Bedürfniſſe, die Künſte der Erholung<lb/>
dienſtbar worden; aber ſieht auch der Bau, an dem<lb/>
mein Geiſt ſchon drey Jahrhunderte gebaut, in der<lb/>
Anlage einem Wirthſchaftsgebäude gleich, und hat der<lb/>
Satan manchen Stein dazu herbeygeſchleppt, er wird<lb/>
doch zuletzt ein Gotteshaus.</p><lb/><p>Jung iſt freylich noch die Freyheit, und weiß ſich<lb/>
nicht zu laſſen, die Willkuhr aber grau und alters¬<lb/>ſchwach weiß zwiſchen Seyn und Nichtſeyn nicht die<lb/>ſchwere Wahl zu treffen. Vergangen iſt noch nicht<lb/>
das Alte, und das Neue noch nicht jung geworden;<lb/>
ungar iſt die Maſſe und ſchwer fließend kann ſie nir¬<lb/>
gend zum reinen Guſſe ſich geſtalten. Darum iſt alles<lb/>
nur ein Ziſchen und ein Streiten, ein Geſtalten und<lb/>
Zerfließen, ein Bilden und Zerſtören, und ich muß<lb/>
immer wachen, daß das Feuer nicht erkalte, und das<lb/>
Sieden raſch von Statten gehe.</p><lb/><p>Darum iſt mein ganzes Seyn nur ein einziger Wi¬<lb/>
derſpruch; da Zug und Trieb der innern Kräfte nach¬<lb/>
gelaſſen, iſt das alte Chaos in der Geſellſchaft zu¬<lb/>
rückgekehrt, und dem alten Schöpfer bin ich ein<lb/>
furchtbarer Zerſtörer nachgefolgt. Aber aus dem Tode<lb/>
allein kann das Leben keimen; hat doch auch die<lb/>
bildende Weltkraft, als ſie im Hermesbecher die<lb/>
Elemente zuerſt gemiſcht, und nun brauſend, gäh¬<lb/>
rend, ziſchend, donnernd die Kräfte durcheinander¬<lb/>
fuhren, erſt in viel mißlungenen Schöpfungen, die<lb/>
die Berge jetzt beſchließen, ſich verſucht, ehe ſie das<lb/>
rechte Maaß in ihrem Gebild getroffen. Darum fordre<lb/>
nicht von mir, daß ich gleich im erſten Wurf ein<lb/>
Bleibendes geſtalte, die Zukunft magſt du nur nach<lb/>
meinem Werke fragen.„<lb/></p></body></text></TEI>
[143/0151]
ſchaften ſind dem Bedürfniſſe, die Künſte der Erholung
dienſtbar worden; aber ſieht auch der Bau, an dem
mein Geiſt ſchon drey Jahrhunderte gebaut, in der
Anlage einem Wirthſchaftsgebäude gleich, und hat der
Satan manchen Stein dazu herbeygeſchleppt, er wird
doch zuletzt ein Gotteshaus.
Jung iſt freylich noch die Freyheit, und weiß ſich
nicht zu laſſen, die Willkuhr aber grau und alters¬
ſchwach weiß zwiſchen Seyn und Nichtſeyn nicht die
ſchwere Wahl zu treffen. Vergangen iſt noch nicht
das Alte, und das Neue noch nicht jung geworden;
ungar iſt die Maſſe und ſchwer fließend kann ſie nir¬
gend zum reinen Guſſe ſich geſtalten. Darum iſt alles
nur ein Ziſchen und ein Streiten, ein Geſtalten und
Zerfließen, ein Bilden und Zerſtören, und ich muß
immer wachen, daß das Feuer nicht erkalte, und das
Sieden raſch von Statten gehe.
Darum iſt mein ganzes Seyn nur ein einziger Wi¬
derſpruch; da Zug und Trieb der innern Kräfte nach¬
gelaſſen, iſt das alte Chaos in der Geſellſchaft zu¬
rückgekehrt, und dem alten Schöpfer bin ich ein
furchtbarer Zerſtörer nachgefolgt. Aber aus dem Tode
allein kann das Leben keimen; hat doch auch die
bildende Weltkraft, als ſie im Hermesbecher die
Elemente zuerſt gemiſcht, und nun brauſend, gäh¬
rend, ziſchend, donnernd die Kräfte durcheinander¬
fuhren, erſt in viel mißlungenen Schöpfungen, die
die Berge jetzt beſchließen, ſich verſucht, ehe ſie das
rechte Maaß in ihrem Gebild getroffen. Darum fordre
nicht von mir, daß ich gleich im erſten Wurf ein
Bleibendes geſtalte, die Zukunft magſt du nur nach
meinem Werke fragen.„
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/151>, abgerufen am 21.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.