Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.Quelle, sich sammelnd aus allen ihren Verbreitungen, Es brauchte aber in alten Zeiten die Vorsehung, Quelle, ſich ſammelnd aus allen ihren Verbreitungen, Es brauchte aber in alten Zeiten die Vorſehung, <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0133" n="125"/> Quelle, ſich ſammelnd aus allen ihren Verbreitungen,<lb/> umgekehrt, um von da aus verjüngt und erfriſcht,<lb/> wie jene warmen Springbrunnen der Nordlandsin¬<lb/> ſel, einen neuen Strahl himmelan zu treiben. Darum<lb/> iſt die ganze teutſche Geſchichte ſeit mehr als drey<lb/> Jahrhunderten <hi rendition="#g">ein</hi> Welken und <hi rendition="#g">ein</hi> Dürren; darum<lb/> ſtrecken alle unſere Inſtitutionen nur nackte, erdorrte<lb/> Aeſte in die Geſellſchaft; darum iſt alles Formale<lb/> morſch, faul, verwittert und aufgelöst; darum geht<lb/> ein Geiſt der Verweſung in unſerm Staatsgebäude<lb/> um; wie in alten Ruinen hört man an Wänden und<lb/> Grundfeſten jenes leiſe Kniſtern, als nage vernehm¬<lb/> lich der Zahn der Zeit an ihrem Bau, Tragpfeiler<lb/> berſten, Steine ſchürren herab, Mauern rücken und<lb/> nur der grüne Epheu, der ſie umrankt hält ſie noth¬<lb/> dürftig noch zuſammen. Nur die Maſſe, mit dem<lb/> Urfels aus dem ſie gehauen, immer noch in geheimem<lb/> Zuſammenhang, und mit ihm im gemeinſamen Natur¬<lb/> leben unverwüſtlich lebend, darum ſelbſt im Ablauf<lb/> von Jahrtauſenden noch nicht ergraut, iſt noch geſund,<lb/> und einer neuen Geſtaltung wohl empfänglich.</p><lb/> <p>Es brauchte aber in alten Zeiten die Vorſehung,<lb/> wenn es mit den Staaten auf dieſen Punkt gekom¬<lb/> men, das Mittel der Völkerwandrung, indem ſie die<lb/> Brunnen der Tiefe eröffnete, und durch Fluten von<lb/> Barbaren, die ſich über die Hinwelkenden ergoſſen,<lb/> von unten herauf durch neues Blut das ſtockende Le¬<lb/> ben erfriſchte, und das Erdorrte neu begrünte. Aber<lb/> dieſe Brunnen fließen nicht mehr ſo reichlich, ſeit die<lb/> Cultur die alten Wälder ausgerottet, und die Pflug¬<lb/> ſchaar die wilde Erde dem Menſchen gezähmt. Da¬<lb/></p> </body> </text> </TEI> [125/0133]
Quelle, ſich ſammelnd aus allen ihren Verbreitungen,
umgekehrt, um von da aus verjüngt und erfriſcht,
wie jene warmen Springbrunnen der Nordlandsin¬
ſel, einen neuen Strahl himmelan zu treiben. Darum
iſt die ganze teutſche Geſchichte ſeit mehr als drey
Jahrhunderten ein Welken und ein Dürren; darum
ſtrecken alle unſere Inſtitutionen nur nackte, erdorrte
Aeſte in die Geſellſchaft; darum iſt alles Formale
morſch, faul, verwittert und aufgelöst; darum geht
ein Geiſt der Verweſung in unſerm Staatsgebäude
um; wie in alten Ruinen hört man an Wänden und
Grundfeſten jenes leiſe Kniſtern, als nage vernehm¬
lich der Zahn der Zeit an ihrem Bau, Tragpfeiler
berſten, Steine ſchürren herab, Mauern rücken und
nur der grüne Epheu, der ſie umrankt hält ſie noth¬
dürftig noch zuſammen. Nur die Maſſe, mit dem
Urfels aus dem ſie gehauen, immer noch in geheimem
Zuſammenhang, und mit ihm im gemeinſamen Natur¬
leben unverwüſtlich lebend, darum ſelbſt im Ablauf
von Jahrtauſenden noch nicht ergraut, iſt noch geſund,
und einer neuen Geſtaltung wohl empfänglich.
Es brauchte aber in alten Zeiten die Vorſehung,
wenn es mit den Staaten auf dieſen Punkt gekom¬
men, das Mittel der Völkerwandrung, indem ſie die
Brunnen der Tiefe eröffnete, und durch Fluten von
Barbaren, die ſich über die Hinwelkenden ergoſſen,
von unten herauf durch neues Blut das ſtockende Le¬
ben erfriſchte, und das Erdorrte neu begrünte. Aber
dieſe Brunnen fließen nicht mehr ſo reichlich, ſeit die
Cultur die alten Wälder ausgerottet, und die Pflug¬
ſchaar die wilde Erde dem Menſchen gezähmt. Da¬
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