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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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Landsmannschaften überall hinversprengt, -- und daß also
auch das Universitätswesen zum Bilde unserer öffent¬
lichen Verwirrung wurde, wo die Einheit, die sich
vertragen sollte mit der Vielheit, im Kampfe mit ihr
streiten muß. Die Jünglinge, die Jene vertheidig¬
ten, erbittert über den Widerstand, den sie erfuhren;
entrüstet über die allgemeine Anfeindung, die sie ver¬
folgte, und den lauernden Argwohn, der alle ihre
Schritte bewachte, und dem sogar der Knaben Trei¬
ben auf den Turnplätzen ein Gegenstand des Schre¬
ckens war, zogen nun zum Theil in's Geheimniß sich
zurück. Indem sie hier den Zustand des Vaterlandes
überlegten, und sich berufen glaubten, nach der Weise
wie man sie genommen, bald möglichst einen Bessern
herbeyzuführen, mußte sich in der Stille bey ihnen
jener Geist ausbilden, der, als er in einigen Erschei¬
nungen an den Tag getreten, die Regierungen gänz¬
lich außer Fassung gebracht zu haben scheint.

Der Streit der Partheyen, der die Zeit, entzweyt,
war bald auch bis zu ihnen hingedrungen, und sie
mußten die ihrige sich wählen. Für die Jugend ist
die Geschichte wenig nur vorhanden, und ihr Leben
selbst hat die eigene Geschichte eben erst begonnen;
jener innere Sinn, der die Zukunft in der Vergan¬
genheit erblickt, ist ihr nur erst wenig aufgegangen,
und ihr ganzes Wesen ist nur eine frische, volle, sich
selbst kaum fassende, überschäumende Gegenwart, die
alles, was werden soll, in sich zu beschließen glaubt.
Im Bewußtseyn so viel freyer, strebender Kräfte ist
sie nicht geneigt, nach dem, was einst gewesen, sich
umzusehen, und sie hält sich daher, ihrem Naturtrieb

Landsmannſchaften überall hinverſprengt, — und daß alſo
auch das Univerſitätsweſen zum Bilde unſerer öffent¬
lichen Verwirrung wurde, wo die Einheit, die ſich
vertragen ſollte mit der Vielheit, im Kampfe mit ihr
ſtreiten muß. Die Jünglinge, die Jene vertheidig¬
ten, erbittert über den Widerſtand, den ſie erfuhren;
entrüſtet über die allgemeine Anfeindung, die ſie ver¬
folgte, und den lauernden Argwohn, der alle ihre
Schritte bewachte, und dem ſogar der Knaben Trei¬
ben auf den Turnplätzen ein Gegenſtand des Schre¬
ckens war, zogen nun zum Theil in's Geheimniß ſich
zurück. Indem ſie hier den Zuſtand des Vaterlandes
überlegten, und ſich berufen glaubten, nach der Weiſe
wie man ſie genommen, bald möglichſt einen Beſſern
herbeyzuführen, mußte ſich in der Stille bey ihnen
jener Geiſt ausbilden, der, als er in einigen Erſchei¬
nungen an den Tag getreten, die Regierungen gänz¬
lich außer Faſſung gebracht zu haben ſcheint.

Der Streit der Partheyen, der die Zeit, entzweyt,
war bald auch bis zu ihnen hingedrungen, und ſie
mußten die ihrige ſich wählen. Für die Jugend iſt
die Geſchichte wenig nur vorhanden, und ihr Leben
ſelbſt hat die eigene Geſchichte eben erſt begonnen;
jener innere Sinn, der die Zukunft in der Vergan¬
genheit erblickt, iſt ihr nur erſt wenig aufgegangen,
und ihr ganzes Weſen iſt nur eine friſche, volle, ſich
ſelbſt kaum faſſende, überſchäumende Gegenwart, die
alles, was werden ſoll, in ſich zu beſchließen glaubt.
Im Bewußtſeyn ſo viel freyer, ſtrebender Kräfte iſt
ſie nicht geneigt, nach dem, was einſt geweſen, ſich
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[105/0113] Landsmannſchaften überall hinverſprengt, — und daß alſo auch das Univerſitätsweſen zum Bilde unſerer öffent¬ lichen Verwirrung wurde, wo die Einheit, die ſich vertragen ſollte mit der Vielheit, im Kampfe mit ihr ſtreiten muß. Die Jünglinge, die Jene vertheidig¬ ten, erbittert über den Widerſtand, den ſie erfuhren; entrüſtet über die allgemeine Anfeindung, die ſie ver¬ folgte, und den lauernden Argwohn, der alle ihre Schritte bewachte, und dem ſogar der Knaben Trei¬ ben auf den Turnplätzen ein Gegenſtand des Schre¬ ckens war, zogen nun zum Theil in's Geheimniß ſich zurück. Indem ſie hier den Zuſtand des Vaterlandes überlegten, und ſich berufen glaubten, nach der Weiſe wie man ſie genommen, bald möglichſt einen Beſſern herbeyzuführen, mußte ſich in der Stille bey ihnen jener Geiſt ausbilden, der, als er in einigen Erſchei¬ nungen an den Tag getreten, die Regierungen gänz¬ lich außer Faſſung gebracht zu haben ſcheint. Der Streit der Partheyen, der die Zeit, entzweyt, war bald auch bis zu ihnen hingedrungen, und ſie mußten die ihrige ſich wählen. Für die Jugend iſt die Geſchichte wenig nur vorhanden, und ihr Leben ſelbſt hat die eigene Geſchichte eben erſt begonnen; jener innere Sinn, der die Zukunft in der Vergan¬ genheit erblickt, iſt ihr nur erſt wenig aufgegangen, und ihr ganzes Weſen iſt nur eine friſche, volle, ſich ſelbſt kaum faſſende, überſchäumende Gegenwart, die alles, was werden ſoll, in ſich zu beſchließen glaubt. Im Bewußtſeyn ſo viel freyer, ſtrebender Kräfte iſt ſie nicht geneigt, nach dem, was einſt geweſen, ſich umzuſehen, und ſie hält ſich daher, ihrem Naturtrieb

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/113>, abgerufen am 22.11.2024.