durch den ersten Eindruck und das Geschrey der ver¬ letzten Eitelkeit beherrschen, füllte die Welt mit An¬ klagen des unerhörten Frevels, stellte Untersuchungen an und Ambassaden, die wieder keine Folgen hatten, und weckte so zuerst die Idee großer Wichtigkeit in den jungen Leuten, und zugleich war das ganze Ge¬ heimniß der Schwäche mit einemmal verrathen.
Als die Studenten beym Anblicke des heillosen Zu¬ standes, in den die Theilung das Vaterland gesetzt, wenigstens im Universitätsleben diese Theilung zu ver¬ bannen, und die Landsmannschaften in eine Burschen¬ schaft zu vereinigen sich bemühten: da war es wohl gerathen, wenn die Regierungen ja davon Notiz neh¬ men wollten, durch angemessene Einwirkung Solcher, die das Vertrauen der Jünglinge besaßen, die Sache allmählig dahin zu lenken, daß die Landsmannschaf¬ ten an sich gleichfalls auf sehr naturgemäßen Bezie¬ hungen beruhend, und darum nicht auszurotten, in die Einheit aufgenommen wurden, also daß das Viele die Vereinigung spanne, und dafür wieder die Be¬ ruhigung von ihr erhalte. Aber es schien, als ob das Bild der verhaßten Einheit schon verletze; gerade die schöne, sittliche Würde und Ruhe, die sich in der Burschenschaft entwickelte, schien mehr zu ängstigen, als das Gegentheil, das bisher an den Landsmann¬ schaften bestanden hatte; darum wurden diese wohl eher begünstigt: und so geschah es, daß, indem eine unheilbare Trennung zwischen sie und die Unitarier kam, zu den vier Secten nur eine Fünfte sich gesellte, die sich nun befehden, -- besonders seit die plumpe Behandlung der Göttinger Universität die dortigen
durch den erſten Eindruck und das Geſchrey der ver¬ letzten Eitelkeit beherrſchen, füllte die Welt mit An¬ klagen des unerhörten Frevels, ſtellte Unterſuchungen an und Ambaſſaden, die wieder keine Folgen hatten, und weckte ſo zuerſt die Idee großer Wichtigkeit in den jungen Leuten, und zugleich war das ganze Ge¬ heimniß der Schwäche mit einemmal verrathen.
Als die Studenten beym Anblicke des heilloſen Zu¬ ſtandes, in den die Theilung das Vaterland geſetzt, wenigſtens im Univerſitätsleben dieſe Theilung zu ver¬ bannen, und die Landsmannſchaften in eine Burſchen¬ ſchaft zu vereinigen ſich bemühten: da war es wohl gerathen, wenn die Regierungen ja davon Notiz neh¬ men wollten, durch angemeſſene Einwirkung Solcher, die das Vertrauen der Jünglinge beſaßen, die Sache allmählig dahin zu lenken, daß die Landsmannſchaf¬ ten an ſich gleichfalls auf ſehr naturgemäßen Bezie¬ hungen beruhend, und darum nicht auszurotten, in die Einheit aufgenommen wurden, alſo daß das Viele die Vereinigung ſpanne, und dafür wieder die Be¬ ruhigung von ihr erhalte. Aber es ſchien, als ob das Bild der verhaßten Einheit ſchon verletze; gerade die ſchöne, ſittliche Würde und Ruhe, die ſich in der Burſchenſchaft entwickelte, ſchien mehr zu ängſtigen, als das Gegentheil, das bisher an den Landsmann¬ ſchaften beſtanden hatte; darum wurden dieſe wohl eher begünſtigt: und ſo geſchah es, daß, indem eine unheilbare Trennung zwiſchen ſie und die Unitarier kam, zu den vier Secten nur eine Fünfte ſich geſellte, die ſich nun befehden, — beſonders ſeit die plumpe Behandlung der Göttinger Univerſität die dortigen
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0112"n="104"/>
durch den erſten Eindruck und das Geſchrey der ver¬<lb/>
letzten Eitelkeit beherrſchen, füllte die Welt mit An¬<lb/>
klagen des unerhörten Frevels, ſtellte Unterſuchungen<lb/>
an und Ambaſſaden, die wieder keine Folgen hatten,<lb/>
und weckte ſo zuerſt die Idee großer Wichtigkeit in<lb/>
den jungen Leuten, und zugleich war das ganze Ge¬<lb/>
heimniß der Schwäche mit einemmal verrathen.</p><lb/><p>Als die Studenten beym Anblicke des heilloſen Zu¬<lb/>ſtandes, in den die Theilung das Vaterland geſetzt,<lb/>
wenigſtens im Univerſitätsleben dieſe Theilung zu ver¬<lb/>
bannen, und die Landsmannſchaften in eine Burſchen¬<lb/>ſchaft zu vereinigen ſich bemühten: da war es wohl<lb/>
gerathen, wenn die Regierungen ja davon Notiz neh¬<lb/>
men wollten, durch angemeſſene Einwirkung Solcher,<lb/>
die das Vertrauen der Jünglinge beſaßen, die Sache<lb/>
allmählig dahin zu lenken, daß die Landsmannſchaf¬<lb/>
ten an ſich gleichfalls auf ſehr naturgemäßen Bezie¬<lb/>
hungen beruhend, und darum nicht auszurotten, in<lb/>
die Einheit aufgenommen wurden, alſo daß das Viele<lb/>
die Vereinigung ſpanne, und dafür wieder die Be¬<lb/>
ruhigung von ihr erhalte. Aber es ſchien, als ob das<lb/>
Bild der verhaßten Einheit ſchon verletze; gerade<lb/>
die ſchöne, ſittliche Würde und Ruhe, die ſich in der<lb/>
Burſchenſchaft entwickelte, ſchien mehr zu ängſtigen,<lb/>
als das Gegentheil, das bisher an den Landsmann¬<lb/>ſchaften beſtanden hatte; darum wurden dieſe wohl<lb/>
eher begünſtigt: und ſo geſchah es, daß, indem eine<lb/>
unheilbare Trennung zwiſchen ſie und die Unitarier<lb/>
kam, zu den vier Secten nur eine Fünfte ſich geſellte,<lb/>
die ſich nun befehden, — beſonders ſeit die plumpe<lb/>
Behandlung der Göttinger Univerſität die dortigen<lb/></p></body></text></TEI>
[104/0112]
durch den erſten Eindruck und das Geſchrey der ver¬
letzten Eitelkeit beherrſchen, füllte die Welt mit An¬
klagen des unerhörten Frevels, ſtellte Unterſuchungen
an und Ambaſſaden, die wieder keine Folgen hatten,
und weckte ſo zuerſt die Idee großer Wichtigkeit in
den jungen Leuten, und zugleich war das ganze Ge¬
heimniß der Schwäche mit einemmal verrathen.
Als die Studenten beym Anblicke des heilloſen Zu¬
ſtandes, in den die Theilung das Vaterland geſetzt,
wenigſtens im Univerſitätsleben dieſe Theilung zu ver¬
bannen, und die Landsmannſchaften in eine Burſchen¬
ſchaft zu vereinigen ſich bemühten: da war es wohl
gerathen, wenn die Regierungen ja davon Notiz neh¬
men wollten, durch angemeſſene Einwirkung Solcher,
die das Vertrauen der Jünglinge beſaßen, die Sache
allmählig dahin zu lenken, daß die Landsmannſchaf¬
ten an ſich gleichfalls auf ſehr naturgemäßen Bezie¬
hungen beruhend, und darum nicht auszurotten, in
die Einheit aufgenommen wurden, alſo daß das Viele
die Vereinigung ſpanne, und dafür wieder die Be¬
ruhigung von ihr erhalte. Aber es ſchien, als ob das
Bild der verhaßten Einheit ſchon verletze; gerade
die ſchöne, ſittliche Würde und Ruhe, die ſich in der
Burſchenſchaft entwickelte, ſchien mehr zu ängſtigen,
als das Gegentheil, das bisher an den Landsmann¬
ſchaften beſtanden hatte; darum wurden dieſe wohl
eher begünſtigt: und ſo geſchah es, daß, indem eine
unheilbare Trennung zwiſchen ſie und die Unitarier
kam, zu den vier Secten nur eine Fünfte ſich geſellte,
die ſich nun befehden, — beſonders ſeit die plumpe
Behandlung der Göttinger Univerſität die dortigen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/112>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.