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Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819.

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stärkerverletzende Interessen. Unter den Institutionen,
die als noch wirklich bestehend aus der früheren Ver¬
gangenheit zu uns gelangt, war die des Adels die¬
jenige, die noch die meiste unmittelbar ins öffentliche
Leben eingreiffende Wichtigkeit besaß. Die Standes¬
herren hatten beym Congresse in der Bundesakte einen
eignen Artikel für sich ausgewirkt, der sie als die
am meisten privilegirte Classe im Staat erklärte. Da
die Territorialfürsten, die einst ihnen ebenbürtig, sie
nun überwachsen hatten, für das Allgemeine auf dem
Congresse und fortdauernd auf dem Bundestage nichts
gethan, zu keinem Opfer sich verstanden, und jeder
nur seinem Gewinne nachgegangen; so fanden auch
sie keinen Beruf, für sich großmüthiger zu seyn,
als ihre Gewaltiger; sie bestanden also auf dem, was
sie gleichfalls ihr altes Recht nannten, und deuteten
den Artikel in der ihrem Vortheil günstigsten Weise.

Als es aber nun zur Ausführung kam, und ihre
Befriedigung im Ganzen größtentheils nur auf Ko¬
sten der Gemeinen geschehen konnte, erhoben diese
heftigen Widerspruch, und die alte Zeit, worauf
jene ihre Ansprüche begründeten, wurde diesen darum
zuerst verdächtig. Als bald die lange Reihe der übri¬
gen Privilegien und Forderungen auf den tiefern und
höheren Stufen sich diesen angeschlossen, und so viele
Fürsten zögerten mit der Erfüllung ihrer Gelöbnisse:
da schrieb man dem Adel, der ihr Ohr besitzt, die
Ursache dieses Zauderns zu, mit Unrecht zum Theil,
da, wenn in dieser Hinsicht eine Klage statt fand,
eigentlich nur die Höflinge angeklagt werden konnten.
Bey stets steigender Erbitterung mußte daher das Ver¬

ſtärkerverletzende Intereſſen. Unter den Inſtitutionen,
die als noch wirklich beſtehend aus der früheren Ver¬
gangenheit zu uns gelangt, war die des Adels die¬
jenige, die noch die meiſte unmittelbar ins öffentliche
Leben eingreiffende Wichtigkeit beſaß. Die Standes¬
herren hatten beym Congreſſe in der Bundesakte einen
eignen Artikel für ſich ausgewirkt, der ſie als die
am meiſten privilegirte Claſſe im Staat erklärte. Da
die Territorialfürſten, die einſt ihnen ebenbürtig, ſie
nun überwachſen hatten, für das Allgemeine auf dem
Congreſſe und fortdauernd auf dem Bundestage nichts
gethan, zu keinem Opfer ſich verſtanden, und jeder
nur ſeinem Gewinne nachgegangen; ſo fanden auch
ſie keinen Beruf, für ſich großmüthiger zu ſeyn,
als ihre Gewaltiger; ſie beſtanden alſo auf dem, was
ſie gleichfalls ihr altes Recht nannten, und deuteten
den Artikel in der ihrem Vortheil günſtigſten Weiſe.

Als es aber nun zur Ausführung kam, und ihre
Befriedigung im Ganzen größtentheils nur auf Ko¬
ſten der Gemeinen geſchehen konnte, erhoben dieſe
heftigen Widerſpruch, und die alte Zeit, worauf
jene ihre Anſprüche begründeten, wurde dieſen darum
zuerſt verdächtig. Als bald die lange Reihe der übri¬
gen Privilegien und Forderungen auf den tiefern und
höheren Stufen ſich dieſen angeſchloſſen, und ſo viele
Fürſten zögerten mit der Erfüllung ihrer Gelöbniſſe:
da ſchrieb man dem Adel, der ihr Ohr beſitzt, die
Urſache dieſes Zauderns zu, mit Unrecht zum Theil,
da, wenn in dieſer Hinſicht eine Klage ſtatt fand,
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[92/0100] ſtärkerverletzende Intereſſen. Unter den Inſtitutionen, die als noch wirklich beſtehend aus der früheren Ver¬ gangenheit zu uns gelangt, war die des Adels die¬ jenige, die noch die meiſte unmittelbar ins öffentliche Leben eingreiffende Wichtigkeit beſaß. Die Standes¬ herren hatten beym Congreſſe in der Bundesakte einen eignen Artikel für ſich ausgewirkt, der ſie als die am meiſten privilegirte Claſſe im Staat erklärte. Da die Territorialfürſten, die einſt ihnen ebenbürtig, ſie nun überwachſen hatten, für das Allgemeine auf dem Congreſſe und fortdauernd auf dem Bundestage nichts gethan, zu keinem Opfer ſich verſtanden, und jeder nur ſeinem Gewinne nachgegangen; ſo fanden auch ſie keinen Beruf, für ſich großmüthiger zu ſeyn, als ihre Gewaltiger; ſie beſtanden alſo auf dem, was ſie gleichfalls ihr altes Recht nannten, und deuteten den Artikel in der ihrem Vortheil günſtigſten Weiſe. Als es aber nun zur Ausführung kam, und ihre Befriedigung im Ganzen größtentheils nur auf Ko¬ ſten der Gemeinen geſchehen konnte, erhoben dieſe heftigen Widerſpruch, und die alte Zeit, worauf jene ihre Anſprüche begründeten, wurde dieſen darum zuerſt verdächtig. Als bald die lange Reihe der übri¬ gen Privilegien und Forderungen auf den tiefern und höheren Stufen ſich dieſen angeſchloſſen, und ſo viele Fürſten zögerten mit der Erfüllung ihrer Gelöbniſſe: da ſchrieb man dem Adel, der ihr Ohr beſitzt, die Urſache dieſes Zauderns zu, mit Unrecht zum Theil, da, wenn in dieſer Hinſicht eine Klage ſtatt fand, eigentlich nur die Höflinge angeklagt werden konnten. Bey ſtets ſteigender Erbitterung mußte daher das Ver¬

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Zitationshilfe: Görres, Joseph von: Teutschland und die Revolution. Koblenz, 1819, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/goerres_revolution_1819/100>, abgerufen am 22.11.2024.