Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.meint, die Müllerin hätte Recht gehabt, als sie behauptete, meine arme Schwester wäre durch ihr vieles Unglück etwas verwirrt geworden. Ihr habt es gemeint? fragte Claudine mit gepreßter Stimme, als Cadet Caduchon nach diesen Worten schwieg. Glaubt Ihr es jetzt nicht mehr? Der Alte schüttelte den Kopf. Nein, sagte er; unglücklich und thöricht war sie, und großes Unrecht hatte sie gethan; aber verrückt, wie es die Müllerin glauben machen wollte und die Menschen auch wirklich geglaubt haben, ist sie nicht gewesen. Claudine war noch bleicher geworden, und ihre Lippen bebten. Ihr meint also, ich . . . ich wäre nicht das Kind der Müllerin Vidal? stieß sie hervor. Caduchon, bedenkt, was Ihr sagt! rief Francois. Warum wollt Ihr die Claudine in Verwirrung und Unruhe bringen? Mein lieber Junge, antwortete der alte Mann, jede Wahrheit muß irgend einmal ans Licht, und warum sollte ich nicht das Meinige dazu thun? . . . Höre mich zu Ende, Claudine, fuhr er zu dem Mädchen gewendet fort. Eigentliche Beweise für meine Ansicht habe ich nicht . . . nichts, als was mir später die Mariannette anvertraut hat. Das will ich dir jetzt wiedersagen . . . aber wie viel du davon für wahr halten willst, steht ja bei dir. meint, die Müllerin hätte Recht gehabt, als sie behauptete, meine arme Schwester wäre durch ihr vieles Unglück etwas verwirrt geworden. Ihr habt es gemeint? fragte Claudine mit gepreßter Stimme, als Cadet Caduchon nach diesen Worten schwieg. Glaubt Ihr es jetzt nicht mehr? Der Alte schüttelte den Kopf. Nein, sagte er; unglücklich und thöricht war sie, und großes Unrecht hatte sie gethan; aber verrückt, wie es die Müllerin glauben machen wollte und die Menschen auch wirklich geglaubt haben, ist sie nicht gewesen. Claudine war noch bleicher geworden, und ihre Lippen bebten. Ihr meint also, ich . . . ich wäre nicht das Kind der Müllerin Vidal? stieß sie hervor. Caduchon, bedenkt, was Ihr sagt! rief François. Warum wollt Ihr die Claudine in Verwirrung und Unruhe bringen? Mein lieber Junge, antwortete der alte Mann, jede Wahrheit muß irgend einmal ans Licht, und warum sollte ich nicht das Meinige dazu thun? . . . Höre mich zu Ende, Claudine, fuhr er zu dem Mädchen gewendet fort. Eigentliche Beweise für meine Ansicht habe ich nicht . . . nichts, als was mir später die Mariannette anvertraut hat. Das will ich dir jetzt wiedersagen . . . aber wie viel du davon für wahr halten willst, steht ja bei dir. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0064"/> meint, die Müllerin hätte Recht gehabt, als sie behauptete, meine arme Schwester wäre durch ihr vieles Unglück etwas verwirrt geworden.</p><lb/> <p>Ihr <hi rendition="#g">habt</hi> es gemeint? fragte Claudine mit gepreßter Stimme, als Cadet Caduchon nach diesen Worten schwieg. Glaubt Ihr es jetzt nicht mehr?</p><lb/> <p>Der Alte schüttelte den Kopf.</p><lb/> <p>Nein, sagte er; unglücklich und thöricht war sie, und großes Unrecht hatte sie gethan; aber verrückt, wie es die Müllerin glauben machen wollte und die Menschen auch wirklich geglaubt haben, ist sie nicht gewesen.</p><lb/> <p>Claudine war noch bleicher geworden, und ihre Lippen bebten.</p><lb/> <p>Ihr meint also, ich . . . ich wäre nicht das Kind der Müllerin Vidal? stieß sie hervor.</p><lb/> <p>Caduchon, bedenkt, was Ihr sagt! rief François. Warum wollt Ihr die Claudine in Verwirrung und Unruhe bringen?</p><lb/> <p>Mein lieber Junge, antwortete der alte Mann, jede Wahrheit muß irgend einmal ans Licht, und warum sollte ich nicht das Meinige dazu thun? . . . Höre mich zu Ende, Claudine, fuhr er zu dem Mädchen gewendet fort. Eigentliche Beweise für meine Ansicht habe ich nicht . . . nichts, als was mir später die Mariannette anvertraut hat. Das will ich dir jetzt wiedersagen . . . aber wie viel du davon für wahr halten willst, steht ja bei dir.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0064]
meint, die Müllerin hätte Recht gehabt, als sie behauptete, meine arme Schwester wäre durch ihr vieles Unglück etwas verwirrt geworden.
Ihr habt es gemeint? fragte Claudine mit gepreßter Stimme, als Cadet Caduchon nach diesen Worten schwieg. Glaubt Ihr es jetzt nicht mehr?
Der Alte schüttelte den Kopf.
Nein, sagte er; unglücklich und thöricht war sie, und großes Unrecht hatte sie gethan; aber verrückt, wie es die Müllerin glauben machen wollte und die Menschen auch wirklich geglaubt haben, ist sie nicht gewesen.
Claudine war noch bleicher geworden, und ihre Lippen bebten.
Ihr meint also, ich . . . ich wäre nicht das Kind der Müllerin Vidal? stieß sie hervor.
Caduchon, bedenkt, was Ihr sagt! rief François. Warum wollt Ihr die Claudine in Verwirrung und Unruhe bringen?
Mein lieber Junge, antwortete der alte Mann, jede Wahrheit muß irgend einmal ans Licht, und warum sollte ich nicht das Meinige dazu thun? . . . Höre mich zu Ende, Claudine, fuhr er zu dem Mädchen gewendet fort. Eigentliche Beweise für meine Ansicht habe ich nicht . . . nichts, als was mir später die Mariannette anvertraut hat. Das will ich dir jetzt wiedersagen . . . aber wie viel du davon für wahr halten willst, steht ja bei dir.
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/64>, abgerufen am 16.02.2025. |