Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.für eine deutsche Zeitung in Frankfurt beim Parlament aus. Dorthin rief er seine Tochter zu seiner Unterstützung, so daß unsere Dichterin vom 5. Oct. 1848 bis 29. März 1849 Parlamentsberichte schrieb, mit lebhaftestem Antheil an den Kämpfen und Stürmen der Zeit, die ihre zarte Natur freilich durch schwere Krankheit zu büßen hatte. Wieder wurde ihr Wolfenbüttel ein Asyl, aus welchem sie die Sorge um ihren Bruder aufschreckte. Derselbe war bei dem Maiaufstande in Dresden mit den Waffen in der Hand gefangen, zum Tode verurtheilt, dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Das heroische vierundzwanzigjährrge Mädchen setzte zweimal allen Muth und alle Kraft ihrer Seele an das schwierige Unternehmen, dem Bruder zur Flucht zu verhelfen, beide Versuche mißlangen, der zweite zog der Schwester selbst eine langwierige Untersuchung zu, die mit einer Verurtheilung zu dreimonatlicher Haft endete. Nach deren Verbüßung im J. 1852 aus Sachsen verwiesen, erhielt sie erst 1859, nachdem auch der Bruder begnadigt worden war, die Erlaubniß zur Rückkehr und lebt seitdem in Dresden, mit literarischen Arbeiten beschäftigt, die schon in der Zeit ihrer schwersten Leiden und Kümmernisse ihr bester Trost gewesen waren. Uebersetzungen, Reise-Skizzen, Sagen, Novellen kamen in den verschiedensten Zeitschriften zum Abdruck. Selbständig erschienen: "fata morgana" (1850), "Aus den Pyrenäen" 2 Bde (1854), "Mythologie der Deutschen" (1856, erster Band einer bei O. Wigand erschienenen Frauenbibliothek), "Berühmte Frauen" (6 ter Band ders. Bibliothek), "Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient" 1862. Dann ein Bändchen Novellen "aus der Bretagne" (Wien, Hilberg), drei Bändchen "Novellen" (Berlin, R. Keffer), eine Reihe Erzählungen aus dem Bearn (im Salon) "Frau Domina" (Stuttgart, C. Simon) und eine stattliche Reihe von Uebersetzungen aus dem Französischen, Englischen, Russischen, die sämmtlich durch Gewandtheit und Feinheit des Stils aufs Erfreulichste aus der Masse der landüblichen Uebersetzungsliteratur hervorragen. Zu diesen formellen Vorzügen gesellt sich in den eigenen Arbeiten Cl. v. Glümer's eine große Anmuth und Klarheit der Zeichnung, die, obwohl sie im besten Sinne weiblich zu für eine deutsche Zeitung in Frankfurt beim Parlament aus. Dorthin rief er seine Tochter zu seiner Unterstützung, so daß unsere Dichterin vom 5. Oct. 1848 bis 29. März 1849 Parlamentsberichte schrieb, mit lebhaftestem Antheil an den Kämpfen und Stürmen der Zeit, die ihre zarte Natur freilich durch schwere Krankheit zu büßen hatte. Wieder wurde ihr Wolfenbüttel ein Asyl, aus welchem sie die Sorge um ihren Bruder aufschreckte. Derselbe war bei dem Maiaufstande in Dresden mit den Waffen in der Hand gefangen, zum Tode verurtheilt, dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Das heroische vierundzwanzigjährrge Mädchen setzte zweimal allen Muth und alle Kraft ihrer Seele an das schwierige Unternehmen, dem Bruder zur Flucht zu verhelfen, beide Versuche mißlangen, der zweite zog der Schwester selbst eine langwierige Untersuchung zu, die mit einer Verurtheilung zu dreimonatlicher Haft endete. Nach deren Verbüßung im J. 1852 aus Sachsen verwiesen, erhielt sie erst 1859, nachdem auch der Bruder begnadigt worden war, die Erlaubniß zur Rückkehr und lebt seitdem in Dresden, mit literarischen Arbeiten beschäftigt, die schon in der Zeit ihrer schwersten Leiden und Kümmernisse ihr bester Trost gewesen waren. Uebersetzungen, Reise-Skizzen, Sagen, Novellen kamen in den verschiedensten Zeitschriften zum Abdruck. Selbständig erschienen: „fata morgana“ (1850), „Aus den Pyrenäen“ 2 Bde (1854), „Mythologie der Deutschen“ (1856, erster Band einer bei O. Wigand erschienenen Frauenbibliothek), „Berühmte Frauen“ (6 ter Band ders. Bibliothek), „Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient“ 1862. Dann ein Bändchen Novellen „aus der Bretagne“ (Wien, Hilberg), drei Bändchen „Novellen“ (Berlin, R. Keffer), eine Reihe Erzählungen aus dem Béarn (im Salon) „Frau Domina“ (Stuttgart, C. Simon) und eine stattliche Reihe von Uebersetzungen aus dem Französischen, Englischen, Russischen, die sämmtlich durch Gewandtheit und Feinheit des Stils aufs Erfreulichste aus der Masse der landüblichen Uebersetzungsliteratur hervorragen. Zu diesen formellen Vorzügen gesellt sich in den eigenen Arbeiten Cl. v. Glümer's eine große Anmuth und Klarheit der Zeichnung, die, obwohl sie im besten Sinne weiblich zu <TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0006"/> für eine deutsche Zeitung in Frankfurt beim Parlament aus. Dorthin rief er seine Tochter zu seiner Unterstützung, so daß unsere Dichterin vom 5. Oct. 1848 bis 29. März 1849 Parlamentsberichte schrieb, mit lebhaftestem Antheil an den Kämpfen und Stürmen der Zeit, die ihre zarte Natur freilich durch schwere Krankheit zu büßen hatte. Wieder wurde ihr Wolfenbüttel ein Asyl, aus welchem sie die Sorge um ihren Bruder aufschreckte. Derselbe war bei dem Maiaufstande in Dresden mit den Waffen in der Hand gefangen, zum Tode verurtheilt, dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Das heroische vierundzwanzigjährrge Mädchen setzte zweimal allen Muth und alle Kraft ihrer Seele an das schwierige Unternehmen, dem Bruder zur Flucht zu verhelfen, beide Versuche mißlangen, der zweite zog der Schwester selbst eine langwierige Untersuchung zu, die mit einer Verurtheilung zu dreimonatlicher Haft endete. Nach deren Verbüßung im J. 1852 aus Sachsen verwiesen, erhielt sie erst 1859, nachdem auch der Bruder begnadigt worden war, die Erlaubniß zur Rückkehr und lebt seitdem in Dresden, mit literarischen Arbeiten beschäftigt, die schon in der Zeit ihrer schwersten Leiden und Kümmernisse ihr bester Trost gewesen waren. Uebersetzungen, Reise-Skizzen, Sagen, Novellen kamen in den verschiedensten Zeitschriften zum Abdruck. Selbständig erschienen: <hi rendition="#aq">„fata morgana“</hi> (1850), „Aus den Pyrenäen“ 2 Bde (1854), „Mythologie der Deutschen“ (1856, erster Band einer bei O. Wigand erschienenen Frauenbibliothek), „Berühmte Frauen“ (6 ter Band ders. 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für eine deutsche Zeitung in Frankfurt beim Parlament aus. Dorthin rief er seine Tochter zu seiner Unterstützung, so daß unsere Dichterin vom 5. Oct. 1848 bis 29. März 1849 Parlamentsberichte schrieb, mit lebhaftestem Antheil an den Kämpfen und Stürmen der Zeit, die ihre zarte Natur freilich durch schwere Krankheit zu büßen hatte. Wieder wurde ihr Wolfenbüttel ein Asyl, aus welchem sie die Sorge um ihren Bruder aufschreckte. Derselbe war bei dem Maiaufstande in Dresden mit den Waffen in der Hand gefangen, zum Tode verurtheilt, dann zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt worden. Das heroische vierundzwanzigjährrge Mädchen setzte zweimal allen Muth und alle Kraft ihrer Seele an das schwierige Unternehmen, dem Bruder zur Flucht zu verhelfen, beide Versuche mißlangen, der zweite zog der Schwester selbst eine langwierige Untersuchung zu, die mit einer Verurtheilung zu dreimonatlicher Haft endete. Nach deren Verbüßung im J. 1852 aus Sachsen verwiesen, erhielt sie erst 1859, nachdem auch der Bruder begnadigt worden war, die Erlaubniß zur Rückkehr und lebt seitdem in Dresden, mit literarischen Arbeiten beschäftigt, die schon in der Zeit ihrer schwersten Leiden und Kümmernisse ihr bester Trost gewesen waren. Uebersetzungen, Reise-Skizzen, Sagen, Novellen kamen in den verschiedensten Zeitschriften zum Abdruck. Selbständig erschienen: „fata morgana“ (1850), „Aus den Pyrenäen“ 2 Bde (1854), „Mythologie der Deutschen“ (1856, erster Band einer bei O. Wigand erschienenen Frauenbibliothek), „Berühmte Frauen“ (6 ter Band ders. Bibliothek), „Erinnerungen an Wilhelmine Schröder-Devrient“ 1862. Dann ein Bändchen Novellen „aus der Bretagne“ (Wien, Hilberg), drei Bändchen „Novellen“ (Berlin, R. Keffer), eine Reihe Erzählungen aus dem Béarn (im Salon) „Frau Domina“ (Stuttgart, C. Simon) und eine stattliche Reihe von Uebersetzungen aus dem Französischen, Englischen, Russischen, die sämmtlich durch Gewandtheit und Feinheit des Stils aufs Erfreulichste aus der Masse der landüblichen Uebersetzungsliteratur hervorragen.
Zu diesen formellen Vorzügen gesellt sich in den eigenen Arbeiten Cl. v. Glümer's eine große Anmuth und Klarheit der Zeichnung, die, obwohl sie im besten Sinne weiblich zu
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/6>, abgerufen am 16.02.2025. |