Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.nen Händen meinen ganzen Kram durcheinander geworfen. Ja, das weiß ich auch noch! sagte Claudine, indem sie sich auf den Schemel setzte, den ihr der Caduchon ans Feuer schob. Ich weiß auch, wie ich weinte, als die Mutter kam, mich von der Amme wegzuholen, und wie oft ich in der ersten Zeit gestraft wurde, weil ich behauptete, ich hätte die Amme lieber, als die Mutter, und den lustigen Cadet Caduchon lieber, als den Vater, der mit abgezehrtem Gesicht im Bett lag und kein lautes Wort ertragen konnte. Der Caduchon seufzte. Ja, ja, es war für uns Alle ein schlimmer Tag, als du abgeholt wurdest, sagte er; wie schlimm, kannst du gar nicht wissen und wirst uns bald genug vergessen haben. Nein, Cadet Caduchon, das habe ich nicht! rief Claudine. Die Mutter hat freilich nie erlauben wollen, daß ich die Amme besuchte, aber vergessen habe ich sie nicht und Euch nicht . . . die alten Erinnerungen sind's auch, die mich jetzt herbringen, denn was ich Euch sagen will, kann man nur einem wirklichen Freund anvertrauen. Claudine hatte eifriger gesprochen, als sonst ihre Art war. Vielleicht wollte sie sich Muth einreden, oder scheute sich, ihr eigentliches Thema zu beginnen -- der Caduchon aber schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken; er rührte seinen Brei, wobei er die seltsamsten nen Händen meinen ganzen Kram durcheinander geworfen. Ja, das weiß ich auch noch! sagte Claudine, indem sie sich auf den Schemel setzte, den ihr der Caduchon ans Feuer schob. Ich weiß auch, wie ich weinte, als die Mutter kam, mich von der Amme wegzuholen, und wie oft ich in der ersten Zeit gestraft wurde, weil ich behauptete, ich hätte die Amme lieber, als die Mutter, und den lustigen Cadet Caduchon lieber, als den Vater, der mit abgezehrtem Gesicht im Bett lag und kein lautes Wort ertragen konnte. Der Caduchon seufzte. Ja, ja, es war für uns Alle ein schlimmer Tag, als du abgeholt wurdest, sagte er; wie schlimm, kannst du gar nicht wissen und wirst uns bald genug vergessen haben. Nein, Cadet Caduchon, das habe ich nicht! rief Claudine. Die Mutter hat freilich nie erlauben wollen, daß ich die Amme besuchte, aber vergessen habe ich sie nicht und Euch nicht . . . die alten Erinnerungen sind's auch, die mich jetzt herbringen, denn was ich Euch sagen will, kann man nur einem wirklichen Freund anvertrauen. Claudine hatte eifriger gesprochen, als sonst ihre Art war. Vielleicht wollte sie sich Muth einreden, oder scheute sich, ihr eigentliches Thema zu beginnen — der Caduchon aber schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken; er rührte seinen Brei, wobei er die seltsamsten <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="5"> <p><pb facs="#f0051"/> nen Händen meinen ganzen Kram durcheinander geworfen.</p><lb/> <p>Ja, das weiß ich auch noch! sagte Claudine, indem sie sich auf den Schemel setzte, den ihr der Caduchon ans Feuer schob. Ich weiß auch, wie ich weinte, als die Mutter kam, mich von der Amme wegzuholen, und wie oft ich in der ersten Zeit gestraft wurde, weil ich behauptete, ich hätte die Amme lieber, als die Mutter, und den lustigen Cadet Caduchon lieber, als den Vater, der mit abgezehrtem Gesicht im Bett lag und kein lautes Wort ertragen konnte.</p><lb/> <p>Der Caduchon seufzte.</p><lb/> <p>Ja, ja, es war für uns Alle ein schlimmer Tag, als du abgeholt wurdest, sagte er; wie schlimm, kannst du gar nicht wissen und wirst uns bald genug vergessen haben.</p><lb/> <p>Nein, Cadet Caduchon, das habe ich nicht! rief Claudine. Die Mutter hat freilich nie erlauben wollen, daß ich die Amme besuchte, aber vergessen habe ich sie nicht und Euch nicht . . . die alten Erinnerungen sind's auch, die mich jetzt herbringen, denn was ich Euch sagen will, kann man nur einem wirklichen Freund anvertrauen.</p><lb/> <p>Claudine hatte eifriger gesprochen, als sonst ihre Art war. Vielleicht wollte sie sich Muth einreden, oder scheute sich, ihr eigentliches Thema zu beginnen — der Caduchon aber schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken; er rührte seinen Brei, wobei er die seltsamsten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0051]
nen Händen meinen ganzen Kram durcheinander geworfen.
Ja, das weiß ich auch noch! sagte Claudine, indem sie sich auf den Schemel setzte, den ihr der Caduchon ans Feuer schob. Ich weiß auch, wie ich weinte, als die Mutter kam, mich von der Amme wegzuholen, und wie oft ich in der ersten Zeit gestraft wurde, weil ich behauptete, ich hätte die Amme lieber, als die Mutter, und den lustigen Cadet Caduchon lieber, als den Vater, der mit abgezehrtem Gesicht im Bett lag und kein lautes Wort ertragen konnte.
Der Caduchon seufzte.
Ja, ja, es war für uns Alle ein schlimmer Tag, als du abgeholt wurdest, sagte er; wie schlimm, kannst du gar nicht wissen und wirst uns bald genug vergessen haben.
Nein, Cadet Caduchon, das habe ich nicht! rief Claudine. Die Mutter hat freilich nie erlauben wollen, daß ich die Amme besuchte, aber vergessen habe ich sie nicht und Euch nicht . . . die alten Erinnerungen sind's auch, die mich jetzt herbringen, denn was ich Euch sagen will, kann man nur einem wirklichen Freund anvertrauen.
Claudine hatte eifriger gesprochen, als sonst ihre Art war. Vielleicht wollte sie sich Muth einreden, oder scheute sich, ihr eigentliches Thema zu beginnen — der Caduchon aber schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken; er rührte seinen Brei, wobei er die seltsamsten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-14T15:29:37Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-14T15:29:37Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |