Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mete Erfrischung; die Lavendeleinfassung der Beete mischte ihren Duft mit dem der Rosen und Nelken, die blauen Glocken des Convolvulus wiegten sich im Windeshauche; über dem Felde, jenseit der Buchsbaumhecken sang eine Lerche, weiterhin rauschte der Gave und am Bergabhange des jenseitigen Ufers schimmerten die weißen Häuser von Pau im Morgenlicht, das aus dem Purpur des Frühroths in goldige Tinten überging. Es war ein Glanz, der Claudinens müden Augen weh that. Unwillkürlich lenkte sie die Schritte nach der Kirschlorbeerlaube am Ende des Gartens, aber am Eingang der Laube blieb sie mit einem leisen Aufschrei stehen, denn aus dem dämmerigen Hintergrunde trat ihr Francois entgegen. Warum erschrickst du? Fürchtest du dich vor mir? fragte er bitter. Fürchten, nein! antwortete sie und ihr Ton war fast noch bitterer, als der seinige. Aber du wolltest allein sein . . . ich werde dich nicht stören, fuhr er fort, indem er sich anschickte, an ihr vorüberzugehen. Das sieht ja beinahe aus, als ob du dich fürchtetest! sagte sie, indem sie sich auf der Ecke der Steinbank niederließ. Er zuckte die Achseln. Ich gehe, weil ich glaube, daß das Zusammenbleiben für uns Beide nicht angenehm ist, sagte er. mete Erfrischung; die Lavendeleinfassung der Beete mischte ihren Duft mit dem der Rosen und Nelken, die blauen Glocken des Convolvulus wiegten sich im Windeshauche; über dem Felde, jenseit der Buchsbaumhecken sang eine Lerche, weiterhin rauschte der Gave und am Bergabhange des jenseitigen Ufers schimmerten die weißen Häuser von Pau im Morgenlicht, das aus dem Purpur des Frühroths in goldige Tinten überging. Es war ein Glanz, der Claudinens müden Augen weh that. Unwillkürlich lenkte sie die Schritte nach der Kirschlorbeerlaube am Ende des Gartens, aber am Eingang der Laube blieb sie mit einem leisen Aufschrei stehen, denn aus dem dämmerigen Hintergrunde trat ihr François entgegen. Warum erschrickst du? Fürchtest du dich vor mir? fragte er bitter. Fürchten, nein! antwortete sie und ihr Ton war fast noch bitterer, als der seinige. Aber du wolltest allein sein . . . ich werde dich nicht stören, fuhr er fort, indem er sich anschickte, an ihr vorüberzugehen. Das sieht ja beinahe aus, als ob du dich fürchtetest! sagte sie, indem sie sich auf der Ecke der Steinbank niederließ. Er zuckte die Achseln. Ich gehe, weil ich glaube, daß das Zusammenbleiben für uns Beide nicht angenehm ist, sagte er. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <p><pb facs="#f0020"/> mete Erfrischung; die Lavendeleinfassung der Beete mischte ihren Duft mit dem der Rosen und Nelken, die blauen Glocken des Convolvulus wiegten sich im Windeshauche; über dem Felde, jenseit der Buchsbaumhecken sang eine Lerche, weiterhin rauschte der Gave und am Bergabhange des jenseitigen Ufers schimmerten die weißen Häuser von Pau im Morgenlicht, das aus dem Purpur des Frühroths in goldige Tinten überging. Es war ein Glanz, der Claudinens müden Augen weh that. Unwillkürlich lenkte sie die Schritte nach der Kirschlorbeerlaube am Ende des Gartens, aber am Eingang der Laube blieb sie mit einem leisen Aufschrei stehen, denn aus dem dämmerigen Hintergrunde trat ihr François entgegen.</p><lb/> <p>Warum erschrickst du? Fürchtest du dich vor mir? fragte er bitter.</p><lb/> <p>Fürchten, nein! antwortete sie und ihr Ton war fast noch bitterer, als der seinige.</p><lb/> <p>Aber du wolltest allein sein . . . ich werde dich nicht stören, fuhr er fort, indem er sich anschickte, an ihr vorüberzugehen.</p><lb/> <p>Das sieht ja beinahe aus, als ob du dich fürchtetest! sagte sie, indem sie sich auf der Ecke der Steinbank niederließ.</p><lb/> <p>Er zuckte die Achseln. Ich gehe, weil ich glaube, daß das Zusammenbleiben für uns Beide nicht angenehm ist, sagte er.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0020]
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Warum erschrickst du? Fürchtest du dich vor mir? fragte er bitter.
Fürchten, nein! antwortete sie und ihr Ton war fast noch bitterer, als der seinige.
Aber du wolltest allein sein . . . ich werde dich nicht stören, fuhr er fort, indem er sich anschickte, an ihr vorüberzugehen.
Das sieht ja beinahe aus, als ob du dich fürchtetest! sagte sie, indem sie sich auf der Ecke der Steinbank niederließ.
Er zuckte die Achseln. Ich gehe, weil ich glaube, daß das Zusammenbleiben für uns Beide nicht angenehm ist, sagte er.
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/20>, abgerufen am 23.07.2024. |