Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.mal zu vergessen weiß, und der es mehr am Herzen liegt, zu helfen, wo es noth thut, als Staat zu machen. Wenn mich der Henriot nicht will, weil ich mehr daran gedacht, wie ungeduldig der Vater wartet, als wie mein Kopftuch sitzt, so ist er freilich nicht der Mann, den ich heirathen kann, und ihr Alle mögt den Heiligen danken, daß sie mich vor solcher Ehe beschützt haben . . . Jetzt aber will ich mich zurecht machen, damit ich ordentlich bin, wenn er wiederkommt. Mit diesen Worten ging sie in die Nebenkammer; die Base sah ihr kopfschüttelnd nach. Die soll klug sein! sagte sie zu sich selbst . . . Nichts als verdrehte Gedanken hat sie im Kopfe! Ein Glück für sie, daß der Henriot so einfältig ist, da wird er's nicht merken. II. Der Vorabend des Dorffestes, der zu einer Art Vorfeier der Verlobung ausersehen gewesen war, ging im Bardet'schen Hause voll Unruhe und Unbehagen zu Ende. Während der Müller Vidal, dessen Fuß zwar nur verstaucht war, aber große Schmerzen verursachte, ingrimmig in der Nebenkammer lag und sich nasse Tücher auflegen ließ, wußten die übrigen Gäste, die sich nach und nach eingestellt hatten, nichts zu finden, was sie für die getäuschte Erwartung entschädigt hätte. Pierre mal zu vergessen weiß, und der es mehr am Herzen liegt, zu helfen, wo es noth thut, als Staat zu machen. Wenn mich der Henriot nicht will, weil ich mehr daran gedacht, wie ungeduldig der Vater wartet, als wie mein Kopftuch sitzt, so ist er freilich nicht der Mann, den ich heirathen kann, und ihr Alle mögt den Heiligen danken, daß sie mich vor solcher Ehe beschützt haben . . . Jetzt aber will ich mich zurecht machen, damit ich ordentlich bin, wenn er wiederkommt. Mit diesen Worten ging sie in die Nebenkammer; die Base sah ihr kopfschüttelnd nach. Die soll klug sein! sagte sie zu sich selbst . . . Nichts als verdrehte Gedanken hat sie im Kopfe! Ein Glück für sie, daß der Henriot so einfältig ist, da wird er's nicht merken. II. Der Vorabend des Dorffestes, der zu einer Art Vorfeier der Verlobung ausersehen gewesen war, ging im Bardet'schen Hause voll Unruhe und Unbehagen zu Ende. Während der Müller Vidal, dessen Fuß zwar nur verstaucht war, aber große Schmerzen verursachte, ingrimmig in der Nebenkammer lag und sich nasse Tücher auflegen ließ, wußten die übrigen Gäste, die sich nach und nach eingestellt hatten, nichts zu finden, was sie für die getäuschte Erwartung entschädigt hätte. Pierre <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0018"/> mal zu vergessen weiß, und der es mehr am Herzen liegt, zu helfen, wo es noth thut, als Staat zu machen. Wenn mich der Henriot nicht will, weil ich mehr daran gedacht, wie ungeduldig der Vater wartet, als wie mein Kopftuch sitzt, so ist er freilich nicht der Mann, den ich heirathen kann, und ihr Alle mögt den Heiligen danken, daß sie mich vor solcher Ehe beschützt haben . . . Jetzt aber will ich mich zurecht machen, damit ich ordentlich bin, wenn er wiederkommt.</p><lb/> <p>Mit diesen Worten ging sie in die Nebenkammer; die Base sah ihr kopfschüttelnd nach.</p><lb/> <p>Die soll klug sein! sagte sie zu sich selbst . . . Nichts als verdrehte Gedanken hat sie im Kopfe! Ein Glück für sie, daß der Henriot so einfältig ist, da wird er's nicht merken.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="2"> <head>II.</head><lb/> <p>Der Vorabend des Dorffestes, der zu einer Art Vorfeier der Verlobung ausersehen gewesen war, ging im Bardet'schen Hause voll Unruhe und Unbehagen zu Ende.</p><lb/> <p>Während der Müller Vidal, dessen Fuß zwar nur verstaucht war, aber große Schmerzen verursachte, ingrimmig in der Nebenkammer lag und sich nasse Tücher auflegen ließ, wußten die übrigen Gäste, die sich nach und nach eingestellt hatten, nichts zu finden, was sie für die getäuschte Erwartung entschädigt hätte. Pierre<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0018]
mal zu vergessen weiß, und der es mehr am Herzen liegt, zu helfen, wo es noth thut, als Staat zu machen. Wenn mich der Henriot nicht will, weil ich mehr daran gedacht, wie ungeduldig der Vater wartet, als wie mein Kopftuch sitzt, so ist er freilich nicht der Mann, den ich heirathen kann, und ihr Alle mögt den Heiligen danken, daß sie mich vor solcher Ehe beschützt haben . . . Jetzt aber will ich mich zurecht machen, damit ich ordentlich bin, wenn er wiederkommt.
Mit diesen Worten ging sie in die Nebenkammer; die Base sah ihr kopfschüttelnd nach.
Die soll klug sein! sagte sie zu sich selbst . . . Nichts als verdrehte Gedanken hat sie im Kopfe! Ein Glück für sie, daß der Henriot so einfältig ist, da wird er's nicht merken.
II.
Der Vorabend des Dorffestes, der zu einer Art Vorfeier der Verlobung ausersehen gewesen war, ging im Bardet'schen Hause voll Unruhe und Unbehagen zu Ende.
Während der Müller Vidal, dessen Fuß zwar nur verstaucht war, aber große Schmerzen verursachte, ingrimmig in der Nebenkammer lag und sich nasse Tücher auflegen ließ, wußten die übrigen Gäste, die sich nach und nach eingestellt hatten, nichts zu finden, was sie für die getäuschte Erwartung entschädigt hätte. Pierre
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/18>, abgerufen am 23.07.2024. |