Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.hülflich war, so viel von Ehre, Vergnügen und Vorliebnehmen, daß sich der Henriot noch mehr eingeschüchtert fühlte, als gewöhnlich. Am Liebsten wäre er gleich wieder umgekehrt! Wenn ihm nur der Francois beigestanden hätte -- er war sonst immer so aufmerksam --; aber heute kümmerte er sich nur um seine Pferde und ließ es geschehen, daß der Henriot ins Haus geschoben wurde, wo ihn Madame Bardet empfing, die noch dicker, noch selbstgefälliger, noch wortreicher war, als ihr Eheherr. Sie hatte schon viel vom Henriot gehört, und seinen Vater, Gott habe ihn selig! hatte sie in Pau bei der Frohnleichnamsprozession gesehen, als sie selbst noch ein Kind war, und die Leute hatten sich zugeflüstert: Da geht der reiche Henriot von Uresst. Wer ihr damals gesagt hätte, daß sie den Sohn dieses Mannes nicht nur in ihrem Hause bewillkommnen würde, sondern . . . Ein vielsagendes Lächeln vervollständigte die Andeutung, und dann wurde Monsieur Henriot aufgefordert Platz zu nehmen. Da saß er denn, drückte das neue rothe Barett zwischen den Knien zusammen, hielt sich mit beiden Händen am Sitze des Schemels fest, sah ängstlich in allen Winkeln umher, ließ die Fragen seiner Gastfreunde über sich hinrauschen, antwortete ohne zu wissen, was er sagte, und besann sich vergebens, wie er auf den unglücklichen Einfall gekommen, diese Brautfahrt anzutreten. Dabei wurden seine hellen, gläsernen Augen noch starrer als gewöhnlich, sein Lächeln sah noch ein- hülflich war, so viel von Ehre, Vergnügen und Vorliebnehmen, daß sich der Henriot noch mehr eingeschüchtert fühlte, als gewöhnlich. Am Liebsten wäre er gleich wieder umgekehrt! Wenn ihm nur der François beigestanden hätte — er war sonst immer so aufmerksam —; aber heute kümmerte er sich nur um seine Pferde und ließ es geschehen, daß der Henriot ins Haus geschoben wurde, wo ihn Madame Bardet empfing, die noch dicker, noch selbstgefälliger, noch wortreicher war, als ihr Eheherr. Sie hatte schon viel vom Henriot gehört, und seinen Vater, Gott habe ihn selig! hatte sie in Pau bei der Frohnleichnamsprozession gesehen, als sie selbst noch ein Kind war, und die Leute hatten sich zugeflüstert: Da geht der reiche Henriot von Uresst. Wer ihr damals gesagt hätte, daß sie den Sohn dieses Mannes nicht nur in ihrem Hause bewillkommnen würde, sondern . . . Ein vielsagendes Lächeln vervollständigte die Andeutung, und dann wurde Monsieur Henriot aufgefordert Platz zu nehmen. Da saß er denn, drückte das neue rothe Barett zwischen den Knien zusammen, hielt sich mit beiden Händen am Sitze des Schemels fest, sah ängstlich in allen Winkeln umher, ließ die Fragen seiner Gastfreunde über sich hinrauschen, antwortete ohne zu wissen, was er sagte, und besann sich vergebens, wie er auf den unglücklichen Einfall gekommen, diese Brautfahrt anzutreten. Dabei wurden seine hellen, gläsernen Augen noch starrer als gewöhnlich, sein Lächeln sah noch ein- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0013"/> hülflich war, so viel von Ehre, Vergnügen und Vorliebnehmen, daß sich der Henriot noch mehr eingeschüchtert fühlte, als gewöhnlich. Am Liebsten wäre er gleich wieder umgekehrt! Wenn ihm nur der François beigestanden hätte — er war sonst immer so aufmerksam —; aber heute kümmerte er sich nur um seine Pferde und ließ es geschehen, daß der Henriot ins Haus geschoben wurde, wo ihn Madame Bardet empfing, die noch dicker, noch selbstgefälliger, noch wortreicher war, als ihr Eheherr. Sie hatte schon viel vom Henriot gehört, und seinen Vater, Gott habe ihn selig! hatte sie in Pau bei der Frohnleichnamsprozession gesehen, als sie selbst noch ein Kind war, und die Leute hatten sich zugeflüstert: Da geht der reiche Henriot von Uresst. Wer ihr damals gesagt hätte, daß sie den Sohn dieses Mannes nicht nur in ihrem Hause bewillkommnen würde, sondern . . . Ein vielsagendes Lächeln vervollständigte die Andeutung, und dann wurde Monsieur Henriot aufgefordert Platz zu nehmen.</p><lb/> <p>Da saß er denn, drückte das neue rothe Barett zwischen den Knien zusammen, hielt sich mit beiden Händen am Sitze des Schemels fest, sah ängstlich in allen Winkeln umher, ließ die Fragen seiner Gastfreunde über sich hinrauschen, antwortete ohne zu wissen, was er sagte, und besann sich vergebens, wie er auf den unglücklichen Einfall gekommen, diese Brautfahrt anzutreten. Dabei wurden seine hellen, gläsernen Augen noch starrer als gewöhnlich, sein Lächeln sah noch ein-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0013]
hülflich war, so viel von Ehre, Vergnügen und Vorliebnehmen, daß sich der Henriot noch mehr eingeschüchtert fühlte, als gewöhnlich. Am Liebsten wäre er gleich wieder umgekehrt! Wenn ihm nur der François beigestanden hätte — er war sonst immer so aufmerksam —; aber heute kümmerte er sich nur um seine Pferde und ließ es geschehen, daß der Henriot ins Haus geschoben wurde, wo ihn Madame Bardet empfing, die noch dicker, noch selbstgefälliger, noch wortreicher war, als ihr Eheherr. Sie hatte schon viel vom Henriot gehört, und seinen Vater, Gott habe ihn selig! hatte sie in Pau bei der Frohnleichnamsprozession gesehen, als sie selbst noch ein Kind war, und die Leute hatten sich zugeflüstert: Da geht der reiche Henriot von Uresst. Wer ihr damals gesagt hätte, daß sie den Sohn dieses Mannes nicht nur in ihrem Hause bewillkommnen würde, sondern . . . Ein vielsagendes Lächeln vervollständigte die Andeutung, und dann wurde Monsieur Henriot aufgefordert Platz zu nehmen.
Da saß er denn, drückte das neue rothe Barett zwischen den Knien zusammen, hielt sich mit beiden Händen am Sitze des Schemels fest, sah ängstlich in allen Winkeln umher, ließ die Fragen seiner Gastfreunde über sich hinrauschen, antwortete ohne zu wissen, was er sagte, und besann sich vergebens, wie er auf den unglücklichen Einfall gekommen, diese Brautfahrt anzutreten. Dabei wurden seine hellen, gläsernen Augen noch starrer als gewöhnlich, sein Lächeln sah noch ein-
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Zitationshilfe: | Glümer, Claire von: Reich zu reich und arm zu arm. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 255–326. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gluemer_arm_1910/13>, abgerufen am 02.03.2025. |