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Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

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der väterlichen Gewalt unterworfen waren, oder solche, die un-
ter der herrschaftlichen Gewalt des patrisfam. standen. Jene
sind die Kinder vom Hause (filii filiaevefamilias,) diese hin-
gegen Sklaven und Sklavinnen. Unter beyden war ein
merklicher Unterschied.

1) In Absicht auf den Staat. Denn Sklaven wur-
den für keine Personen angesehen, und hatten überall keine bür-
gerlichen Rechte im Staate 99). Sie konnten daher keine Eh-
renstellen bekleiden, noch munera publica verwalten. Ja sie konn-
ten nicht einmahl civiliter aus ihren Geschäften und Contracten
obligirt werden. (S. 141. folg.) Allein filii familias waren in
Rücksicht auf den Staat freye Menschen und Bürger. Sie hat-
ten alle Rechte und Pflichten römischer Bürger. Sie konnten
daher öffentliche Aemter im Staate bekleiden; Vormundschaften
verwalten 100), und in solchen Sachen, die ihr Amt betrafen,
wurden sie als patresfamilias betrachtet, und waren der väter-
lichen Gewalt nicht unterworfen. Daher sagt Pomponius 1):
Filiusfamilias in publicis causis loco patrisfamilias habetur, veluti
si magistratum gerat, vel tutor detur.
In öffentlichen Amts-
sachen konnte vielmehr der Sohn selbst dem Vater befehlen, und
ihn zu seiner Schuldigkeit anhalten, wie Ulpian sagt 2): Si quis
filiusfamilias sit, et magistratum gerat: patrem suum, in cuius est
potestate, cogere poterit, suspectam dicentem hereditatem adire,
et restituere;
und Hermogenian 3) setzt den Grund hinzu: Nam

quod
99) L. 20. §. 7. D. Qui testam. fac. poss. Conf. Ios. finestres
Hermogenian. T. I. pag.
253.
100) L. 9. D. h. t. Princ. Inst. qui. testam. tutores dari poss.
L. 6. in fin. D. quod cuiusq. univ. L. 2. D. de munerib.
1) L. 9. D. h. t.
2) L. 13. §. ult. D. ad SCtum Trebellian. Westphal von Ver-
mächtnissen und Fideicommissen. 2. Th. §. 1787.
3) L. 14. D. eodem. Was hier ius publicum heißt, ist an einem
andern Orte dieses Commentars 1. Th. §. 13. S. 91. f.
erklärt worden.

der vaͤterlichen Gewalt unterworfen waren, oder ſolche, die un-
ter der herrſchaftlichen Gewalt des patrisfam. ſtanden. Jene
ſind die Kinder vom Hauſe (filii filiaevefamilias,) dieſe hin-
gegen Sklaven und Sklavinnen. Unter beyden war ein
merklicher Unterſchied.

1) In Abſicht auf den Staat. Denn Sklaven wur-
den fuͤr keine Perſonen angeſehen, und hatten uͤberall keine buͤr-
gerlichen Rechte im Staate 99). Sie konnten daher keine Eh-
renſtellen bekleiden, noch munera publica verwalten. Ja ſie konn-
ten nicht einmahl civiliter aus ihren Geſchaͤften und Contracten
obligirt werden. (S. 141. folg.) Allein filii familias waren in
Ruͤckſicht auf den Staat freye Menſchen und Buͤrger. Sie hat-
ten alle Rechte und Pflichten roͤmiſcher Buͤrger. Sie konnten
daher oͤffentliche Aemter im Staate bekleiden; Vormundſchaften
verwalten 100), und in ſolchen Sachen, die ihr Amt betrafen,
wurden ſie als patresfamilias betrachtet, und waren der vaͤter-
lichen Gewalt nicht unterworfen. Daher ſagt Pomponius 1):
Filiusfamilias in publicis cauſis loco patrisfamilias habetur, veluti
ſi magiſtratum gerat, vel tutor detur.
In oͤffentlichen Amts-
ſachen konnte vielmehr der Sohn ſelbſt dem Vater befehlen, und
ihn zu ſeiner Schuldigkeit anhalten, wie Ulpian ſagt 2): Si quis
filiusfamilias ſit, et magiſtratum gerat: patrem ſuum, in cuius eſt
poteſtate, cogere poterit, ſuſpectam dicentem hereditatem adire,
et reſtituere;
und Hermogenian 3) ſetzt den Grund hinzu: Nam

quod
99) L. 20. §. 7. D. Qui teſtam. fac. poſſ. Conf. Ioſ. finestres
Hermogenian. T. I. pag.
253.
100) L. 9. D. h. t. Princ. Inſt. qui. teſtam. tutores dari poſſ.
L. 6. in fin. D. quod cuiusq. univ. L. 2. D. de munerib.
1) L. 9. D. h. t.
2) L. 13. §. ult. D. ad SCtum Trebellian. Weſtphal von Ver-
maͤchtniſſen und Fideicommiſſen. 2. Th. §. 1787.
3) L. 14. D. eodem. Was hier ius publicum heißt, iſt an einem
andern Orte dieſes Commentars 1. Th. §. 13. S. 91. f.
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[80/0086] der vaͤterlichen Gewalt unterworfen waren, oder ſolche, die un- ter der herrſchaftlichen Gewalt des patrisfam. ſtanden. Jene ſind die Kinder vom Hauſe (filii filiaevefamilias,) dieſe hin- gegen Sklaven und Sklavinnen. Unter beyden war ein merklicher Unterſchied. 1) In Abſicht auf den Staat. Denn Sklaven wur- den fuͤr keine Perſonen angeſehen, und hatten uͤberall keine buͤr- gerlichen Rechte im Staate 99). Sie konnten daher keine Eh- renſtellen bekleiden, noch munera publica verwalten. Ja ſie konn- ten nicht einmahl civiliter aus ihren Geſchaͤften und Contracten obligirt werden. (S. 141. folg.) Allein filii familias waren in Ruͤckſicht auf den Staat freye Menſchen und Buͤrger. Sie hat- ten alle Rechte und Pflichten roͤmiſcher Buͤrger. Sie konnten daher oͤffentliche Aemter im Staate bekleiden; Vormundſchaften verwalten 100), und in ſolchen Sachen, die ihr Amt betrafen, wurden ſie als patresfamilias betrachtet, und waren der vaͤter- lichen Gewalt nicht unterworfen. Daher ſagt Pomponius 1): Filiusfamilias in publicis cauſis loco patrisfamilias habetur, veluti ſi magiſtratum gerat, vel tutor detur. In oͤffentlichen Amts- ſachen konnte vielmehr der Sohn ſelbſt dem Vater befehlen, und ihn zu ſeiner Schuldigkeit anhalten, wie Ulpian ſagt 2): Si quis filiusfamilias ſit, et magiſtratum gerat: patrem ſuum, in cuius eſt poteſtate, cogere poterit, ſuſpectam dicentem hereditatem adire, et reſtituere; und Hermogenian 3) ſetzt den Grund hinzu: Nam quod 99) L. 20. §. 7. D. Qui teſtam. fac. poſſ. Conf. Ioſ. finestres Hermogenian. T. I. pag. 253. 100) L. 9. D. h. t. Princ. Inſt. qui. teſtam. tutores dari poſſ. L. 6. in fin. D. quod cuiusq. univ. L. 2. D. de munerib. 1) L. 9. D. h. t. 2) L. 13. §. ult. D. ad SCtum Trebellian. Weſtphal von Ver- maͤchtniſſen und Fideicommiſſen. 2. Th. §. 1787. 3) L. 14. D. eodem. Was hier ius publicum heißt, iſt an einem andern Orte dieſes Commentars 1. Th. §. 13. S. 91. f. erklaͤrt worden.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/86>, abgerufen am 24.11.2024.