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Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

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hat 99). Bey einer solchen Quasi-Possession werden da-
her immer gewisse Ausübungs- oder Gebrauchs-Handlungen
in Beziehung auf ein Recht vorausgesetzt, welche ein anderer,
der dabey interessirt ist, ruhig hat geschehen lassen; z. B. daß
ich auf des Andern Grundstücke mit dessen Wissen und ohne Wi-
derspruch die Durchfarth exercirt; oder in der Meinung, daß
mir das Zehendrecht zustehe, ohne Widerspruch wirklich die Ze-
henden erhoben habe. Daher können nur eigentlich solche Ar-
ten von Rechten Gegenstände der Quasi-Possession seyn,
welche zu einer fortwirkenden Ausübung durch öftere Gebrauchs.
handlungen geeigenschaftet sind, und zwar nicht nur dingliche
Sachenrechte
, vorzüglich Servituten, sondern auch Be-
fugnisse aus dem Personenrechte
, z. E. man kann in
der Quasi-Possession der väterlichen Gewalt, der Filiation, des Bür-
gerstandes, oder des ehelichen Zustandes seyn 100). Dahingegen
läßt sich an persönlichen Sachenrechten, welche sich ledig-
lich auf Erfüllung individueller Verbindlichkeiten gewisser Personen
beziehen, der Natur der Sache nach keine eigentliche Quasi-Pos-
session
denken 1). Endlich ist noch zu bemerken, daß bey der
Ausübung dinglicher Rechte, und zwar vermöge eines und des
nämlichen Rechtsgrundes in verschiedener Rücksicht Possession
und Quasi-Possession, zugleich Statt haben, und erstere
ein natürlicher, letztere ein Civilbesitz seyn könne. So
z. B. übt der Usufructuar durch körperliche Detention der
Sache selbst, an welcher ihm das Nutznießungsrecht zusteht, ei-
nen wahren eigentlichen Besitz aus. Allein dieser ist
nur ein natürlicher Besitz, weil er die Sache auf eines
Andern Namen besitzt 2). Durch Ausübung seines Nutznießungs-

rechts
99) Höpfners Commentar über die Institutionen. §. 282.
S. 269. ff.
100) Spangenbergs Versuch 1. Th. §. 101. ff. S. 153. ff.
1) Spangenberg a. a. O. §. 104.
2) L. 12. pr. L. 49. pr. D. de acquir. vel amitt. possess. L. 6.
§. 2. D. de precar. L. 5. §. 1. D. ad exhib. L. 10. §. ult. D.
de acquir. rer. dom.

hat 99). Bey einer ſolchen Quaſi-Poſſeſſion werden da-
her immer gewiſſe Ausuͤbungs- oder Gebrauchs-Handlungen
in Beziehung auf ein Recht vorausgeſetzt, welche ein anderer,
der dabey intereſſirt iſt, ruhig hat geſchehen laſſen; z. B. daß
ich auf des Andern Grundſtuͤcke mit deſſen Wiſſen und ohne Wi-
derſpruch die Durchfarth exercirt; oder in der Meinung, daß
mir das Zehendrecht zuſtehe, ohne Widerſpruch wirklich die Ze-
henden erhoben habe. Daher koͤnnen nur eigentlich ſolche Ar-
ten von Rechten Gegenſtaͤnde der Quaſi-Poſſeſſion ſeyn,
welche zu einer fortwirkenden Ausuͤbung durch oͤftere Gebrauchs.
handlungen geeigenſchaftet ſind, und zwar nicht nur dingliche
Sachenrechte
, vorzuͤglich Servituten, ſondern auch Be-
fugniſſe aus dem Perſonenrechte
, z. E. man kann in
der Quaſi-Poſſeſſion der vaͤterlichen Gewalt, der Filiation, des Buͤr-
gerſtandes, oder des ehelichen Zuſtandes ſeyn 100). Dahingegen
laͤßt ſich an perſoͤnlichen Sachenrechten, welche ſich ledig-
lich auf Erfuͤllung individueller Verbindlichkeiten gewiſſer Perſonen
beziehen, der Natur der Sache nach keine eigentliche Quaſi-Poſ-
ſeſſion
denken 1). Endlich iſt noch zu bemerken, daß bey der
Ausuͤbung dinglicher Rechte, und zwar vermoͤge eines und des
naͤmlichen Rechtsgrundes in verſchiedener Ruͤckſicht Poſſeſſion
und Quaſi-Poſſeſſion, zugleich Statt haben, und erſtere
ein natuͤrlicher, letztere ein Civilbeſitz ſeyn koͤnne. So
z. B. uͤbt der Uſufructuar durch koͤrperliche Detention der
Sache ſelbſt, an welcher ihm das Nutznießungsrecht zuſteht, ei-
nen wahren eigentlichen Beſitz aus. Allein dieſer iſt
nur ein natuͤrlicher Beſitz, weil er die Sache auf eines
Andern Namen beſitzt 2). Durch Ausuͤbung ſeines Nutznießungs-

rechts
99) Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen. §. 282.
S. 269. ff.
100) Spangenbergs Verſuch 1. Th. §. 101. ff. S. 153. ff.
1) Spangenberg a. a. O. §. 104.
2) L. 12. pr. L. 49. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 6.
§. 2. D. de precar. L. 5. §. 1. D. ad exhib. L. 10. §. ult. D.
de acquir. rer. dom.
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[158/0164] hat 99). Bey einer ſolchen Quaſi-Poſſeſſion werden da- her immer gewiſſe Ausuͤbungs- oder Gebrauchs-Handlungen in Beziehung auf ein Recht vorausgeſetzt, welche ein anderer, der dabey intereſſirt iſt, ruhig hat geſchehen laſſen; z. B. daß ich auf des Andern Grundſtuͤcke mit deſſen Wiſſen und ohne Wi- derſpruch die Durchfarth exercirt; oder in der Meinung, daß mir das Zehendrecht zuſtehe, ohne Widerſpruch wirklich die Ze- henden erhoben habe. Daher koͤnnen nur eigentlich ſolche Ar- ten von Rechten Gegenſtaͤnde der Quaſi-Poſſeſſion ſeyn, welche zu einer fortwirkenden Ausuͤbung durch oͤftere Gebrauchs. handlungen geeigenſchaftet ſind, und zwar nicht nur dingliche Sachenrechte, vorzuͤglich Servituten, ſondern auch Be- fugniſſe aus dem Perſonenrechte, z. E. man kann in der Quaſi-Poſſeſſion der vaͤterlichen Gewalt, der Filiation, des Buͤr- gerſtandes, oder des ehelichen Zuſtandes ſeyn 100). Dahingegen laͤßt ſich an perſoͤnlichen Sachenrechten, welche ſich ledig- lich auf Erfuͤllung individueller Verbindlichkeiten gewiſſer Perſonen beziehen, der Natur der Sache nach keine eigentliche Quaſi-Poſ- ſeſſion denken 1). Endlich iſt noch zu bemerken, daß bey der Ausuͤbung dinglicher Rechte, und zwar vermoͤge eines und des naͤmlichen Rechtsgrundes in verſchiedener Ruͤckſicht Poſſeſſion und Quaſi-Poſſeſſion, zugleich Statt haben, und erſtere ein natuͤrlicher, letztere ein Civilbeſitz ſeyn koͤnne. So z. B. uͤbt der Uſufructuar durch koͤrperliche Detention der Sache ſelbſt, an welcher ihm das Nutznießungsrecht zuſteht, ei- nen wahren eigentlichen Beſitz aus. Allein dieſer iſt nur ein natuͤrlicher Beſitz, weil er die Sache auf eines Andern Namen beſitzt 2). Durch Ausuͤbung ſeines Nutznießungs- rechts 99) Hoͤpfners Commentar uͤber die Inſtitutionen. §. 282. S. 269. ff. 100) Spangenbergs Verſuch 1. Th. §. 101. ff. S. 153. ff. 1) Spangenberg a. a. O. §. 104. 2) L. 12. pr. L. 49. pr. D. de acquir. vel amitt. poſſeſſ. L. 6. §. 2. D. de precar. L. 5. §. 1. D. ad exhib. L. 10. §. ult. D. de acquir. rer. dom.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/164>, abgerufen am 24.11.2024.