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Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

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bey 61). Allein im juristischen Verstande oder im Sin-
ne des Röm. Civilrechts
macht die körperliche Detention
einer Sache nur einen Theil und gleichsam nur die Grundlage
eines im juristischen Verstande genommenen Besitzes aus. Denn
hierzu wird noch insonderheit auf Seiten des Besitzers die Ab-
sicht erfordert, die Sache für sich zu haben, und zu behalten,
(animus rem sibi habendi). Besitz im eigentlichen juri-
stischen Sinne
genommen (possessio iuris civilis), heißt also
die Detention einer körperlichen Sache, welche mit der Absicht
verbunden ist, dieselbe für sich zu haben und zu behalten. Nach
diesem Begriff wird also zur Possession im Sinne des
Civilrechts
zweyerley erfordert:

1) Das physische Vermögen über eine Sache
zu disponiren
. Ob ich zu dieser Verfügung berechtiget bin,
oder nicht, ist gleichviel, genug, wenn die Sache in meiner Ge-
walt ist, daß ich darüber nach meiner Intention ungehindert
disponiren kann. Denn Besitz und Rechtsbefugniß sind
ganz verschiedene Dinge. Jener ist ein physisches, diese ein
moralisches Vermögen zu handeln. Daher ist auch der Dieb
und Räuber im Besitz der gestohlnen und geraubten Sache, wenn
ihm gleich kein Recht an dieser Sache zusteht.

2) Der Wille und die Absicht, die Sache, die
man detinirt, für sich zu haben und zu behalten
-
Diese Absicht, welche in den Gesetzen animus rem sibi habendi,
affectus possidendi,
auch affectio tenendi genennt wird 63), er-
gänzt gleichsam, wie Paulus 64) sagt, dasjenige, was dem
natürlichen Besitz, bey welchem nur die körperliche Gewalt vor-
handen ist, noch fehlt (quod deest naturali possessioni, id animus
implet),
und bestimmt also den wesentlichen Character der Pos-

session
61) §. 4. I. de Interdict. L. 2. D. Uti possid. Spangenberg
1. Th. §. 9.
63) Ist die Note 41. der ersten Ausgabe.
64) L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poss.
K

bey 61). Allein im juriſtiſchen Verſtande oder im Sin-
ne des Roͤm. Civilrechts
macht die koͤrperliche Detention
einer Sache nur einen Theil und gleichſam nur die Grundlage
eines im juriſtiſchen Verſtande genommenen Beſitzes aus. Denn
hierzu wird noch inſonderheit auf Seiten des Beſitzers die Ab-
ſicht erfordert, die Sache fuͤr ſich zu haben, und zu behalten,
(animus rem ſibi habendi). Beſitz im eigentlichen juri-
ſtiſchen Sinne
genommen (poſſeſſio iuris civilis), heißt alſo
die Detention einer koͤrperlichen Sache, welche mit der Abſicht
verbunden iſt, dieſelbe fuͤr ſich zu haben und zu behalten. Nach
dieſem Begriff wird alſo zur Poſſeſſion im Sinne des
Civilrechts
zweyerley erfordert:

1) Das phyſiſche Vermoͤgen uͤber eine Sache
zu diſponiren
. Ob ich zu dieſer Verfuͤgung berechtiget bin,
oder nicht, iſt gleichviel, genug, wenn die Sache in meiner Ge-
walt iſt, daß ich daruͤber nach meiner Intention ungehindert
diſponiren kann. Denn Beſitz und Rechtsbefugniß ſind
ganz verſchiedene Dinge. Jener iſt ein phyſiſches, dieſe ein
moraliſches Vermoͤgen zu handeln. Daher iſt auch der Dieb
und Raͤuber im Beſitz der geſtohlnen und geraubten Sache, wenn
ihm gleich kein Recht an dieſer Sache zuſteht.

2) Der Wille und die Abſicht, die Sache, die
man detinirt, fuͤr ſich zu haben und zu behalten
-
Dieſe Abſicht, welche in den Geſetzen animus rem ſibi habendi,
affectus poſſidendi,
auch affectio tenendi genennt wird 63), er-
gaͤnzt gleichſam, wie Paulus 64) ſagt, dasjenige, was dem
natuͤrlichen Beſitz, bey welchem nur die koͤrperliche Gewalt vor-
handen iſt, noch fehlt (quod deeſt naturali poſſeſſioni, id animus
implet),
und beſtimmt alſo den weſentlichen Character der Poſ-

ſeſſion
61) §. 4. I. de Interdict. L. 2. D. Uti poſſid. Spangenberg
1. Th. §. 9.
63) Iſt die Note 41. der erſten Ausgabe.
64) L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſ.
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[145/0151] bey 61). Allein im juriſtiſchen Verſtande oder im Sin- ne des Roͤm. Civilrechts macht die koͤrperliche Detention einer Sache nur einen Theil und gleichſam nur die Grundlage eines im juriſtiſchen Verſtande genommenen Beſitzes aus. Denn hierzu wird noch inſonderheit auf Seiten des Beſitzers die Ab- ſicht erfordert, die Sache fuͤr ſich zu haben, und zu behalten, (animus rem ſibi habendi). Beſitz im eigentlichen juri- ſtiſchen Sinne genommen (poſſeſſio iuris civilis), heißt alſo die Detention einer koͤrperlichen Sache, welche mit der Abſicht verbunden iſt, dieſelbe fuͤr ſich zu haben und zu behalten. Nach dieſem Begriff wird alſo zur Poſſeſſion im Sinne des Civilrechts zweyerley erfordert: 1) Das phyſiſche Vermoͤgen uͤber eine Sache zu diſponiren. Ob ich zu dieſer Verfuͤgung berechtiget bin, oder nicht, iſt gleichviel, genug, wenn die Sache in meiner Ge- walt iſt, daß ich daruͤber nach meiner Intention ungehindert diſponiren kann. Denn Beſitz und Rechtsbefugniß ſind ganz verſchiedene Dinge. Jener iſt ein phyſiſches, dieſe ein moraliſches Vermoͤgen zu handeln. Daher iſt auch der Dieb und Raͤuber im Beſitz der geſtohlnen und geraubten Sache, wenn ihm gleich kein Recht an dieſer Sache zuſteht. 2) Der Wille und die Abſicht, die Sache, die man detinirt, fuͤr ſich zu haben und zu behalten- Dieſe Abſicht, welche in den Geſetzen animus rem ſibi habendi, affectus poſſidendi, auch affectio tenendi genennt wird 63), er- gaͤnzt gleichſam, wie Paulus 64) ſagt, dasjenige, was dem natuͤrlichen Beſitz, bey welchem nur die koͤrperliche Gewalt vor- handen iſt, noch fehlt (quod deeſt naturali poſſeſſioni, id animus implet), und beſtimmt alſo den weſentlichen Character der Poſ- ſeſſion 61) §. 4. I. de Interdict. L. 2. D. Uti poſſid. Spangenberg 1. Th. §. 9. 63) Iſt die Note 41. der erſten Ausgabe. 64) L. 3. §. 3. D. de acquir. vel amitt. poſſ. K

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/151>, abgerufen am 23.11.2024.