Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

sich die Macht des Landesherrn in Ansehung der
Legitimation durch Rescript erstrecke
?

1) Kann er, nach seinem Gefallen, eine vollkommene
oder unvollkommene Legitimation ertheilen? Es kommt
darauf an, ob sie vom Vater selbst, oder, ohne dessen Ein-
willigung, bloß vom Kinde, oder dessen Mutter gesucht
wird. In dem letztern Falle kann dem Kinde zum Nachtheil des
Vaters und seiner rechtmäßigen Erben keine vollkommene Legi-
timation ertheilt werden, sondern hier giebt die Legitimation nur
die bürgerlichen Rechte im Staate, weil die Gesetze nicht wol-
len, daß Jemandem wider seinen Willen ein Erbe aufgedrungen
werde 44). In dem ersten Fall hingegen, da der Vater selbst
um die vollkommene Legitimation des unehelichen Kindes anhält,
hängt es von dem Willen des Landesherrn ab, ob er dem Ge-
suche des Vaters willfahren, und eine vollkommene oder nur
eine unvollkommene Legitimation ertheilen will.

2) Kann der Landesherr auch solche uneheliche Kinder, die
aus einem Ehebruche oder aus einem Incest erzeugt wor-
den sind, auf Verlangen des Vaters plene, d. i. auf eine solche
Art legitimiren, daß sie auch in Ansehung des Vaters ein Erb-
recht erhalten? Nach dem heutigen Rechte zweifelt man wenig-
stens nicht daran, daß auch solchen Kindern auf Verlangen des
Vaters eine vollkommene Legitimation ertheilt werden könne 45).
Einige Rechtsgelehrten 46) widersprechen zwar, allein man hat
nicht bedacht, daß sich die Gewalt unserer heutigen Regenten

im
44) §. 7. I. de adopt. L. 7. C. de precib. imp. offer. L. 4. C. de
emancipat.
Schmidts hinterlassene Abhandlungen verschie-
dener pract. Rechtsmaterien. 2. B. Nr. LXVII. §. 3. kind
Quaest for. Tom III. cap 3 p. 39. sq.
45) Io. Balth. L. B. a wernher select. Observat. for. Tom. I.
P. V. Obs.
15.
46) God. Lud. madihn Princip. iur. Rom. P V. § 5. in fin.
und H. von Trütschler in der Anweisung zur vorsichtigen
und förml. Abfassung rechtlicher Aufsätze. 1. Th. 2. Hauptabth.
3. Hauptst. §. 55. not. a. S. 302.

ſich die Macht des Landesherrn in Anſehung der
Legitimation durch Reſcript erſtrecke
?

1) Kann er, nach ſeinem Gefallen, eine vollkommene
oder unvollkommene Legitimation ertheilen? Es kommt
darauf an, ob ſie vom Vater ſelbſt, oder, ohne deſſen Ein-
willigung, bloß vom Kinde, oder deſſen Mutter geſucht
wird. In dem letztern Falle kann dem Kinde zum Nachtheil des
Vaters und ſeiner rechtmaͤßigen Erben keine vollkommene Legi-
timation ertheilt werden, ſondern hier giebt die Legitimation nur
die buͤrgerlichen Rechte im Staate, weil die Geſetze nicht wol-
len, daß Jemandem wider ſeinen Willen ein Erbe aufgedrungen
werde 44). In dem erſten Fall hingegen, da der Vater ſelbſt
um die vollkommene Legitimation des unehelichen Kindes anhaͤlt,
haͤngt es von dem Willen des Landesherrn ab, ob er dem Ge-
ſuche des Vaters willfahren, und eine vollkommene oder nur
eine unvollkommene Legitimation ertheilen will.

2) Kann der Landesherr auch ſolche uneheliche Kinder, die
aus einem Ehebruche oder aus einem Inceſt erzeugt wor-
den ſind, auf Verlangen des Vaters plene, d. i. auf eine ſolche
Art legitimiren, daß ſie auch in Anſehung des Vaters ein Erb-
recht erhalten? Nach dem heutigen Rechte zweifelt man wenig-
ſtens nicht daran, daß auch ſolchen Kindern auf Verlangen des
Vaters eine vollkommene Legitimation ertheilt werden koͤnne 45).
Einige Rechtsgelehrten 46) widerſprechen zwar, allein man hat
nicht bedacht, daß ſich die Gewalt unſerer heutigen Regenten

im
44) §. 7. I. de adopt. L. 7. C. de precib. imp. offer. L. 4. C. de
emancipat.
Schmidts hinterlaſſene Abhandlungen verſchie-
dener pract. Rechtsmaterien. 2. B. Nr. LXVII. §. 3. kind
Quaeſt for. Tom III. cap 3 p. 39. ſq.
45) Io. Balth. L. B. a wernher ſelect. Obſervat. for. Tom. I.
P. V. Obſ.
15.
46) God. Lud. madihn Princip. iur. Rom. P V. § 5. in fin.
und H. von Trütſchler in der Anweiſung zur vorſichtigen
und foͤrml. Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze. 1. Th. 2. Hauptabth.
3. Hauptſt. §. 55. not. a. S. 302.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0115" n="109"/><hi rendition="#g">&#x017F;ich die Macht des Landesherrn in An&#x017F;ehung der<lb/>
Legitimation durch Re&#x017F;cript er&#x017F;trecke</hi>?</p><lb/>
          <p>1) Kann er, nach &#x017F;einem Gefallen, eine <hi rendition="#g">vollkommene</hi><lb/>
oder <hi rendition="#g">unvollkommene</hi> Legitimation ertheilen? Es kommt<lb/>
darauf an, ob &#x017F;ie vom <hi rendition="#g">Vater</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, oder, ohne de&#x017F;&#x017F;en Ein-<lb/>
willigung, bloß vom <hi rendition="#g">Kinde</hi>, oder de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Mutter</hi> ge&#x017F;ucht<lb/>
wird. In dem letztern Falle kann dem Kinde zum Nachtheil des<lb/>
Vaters und &#x017F;einer rechtma&#x0364;ßigen Erben keine vollkommene Legi-<lb/>
timation ertheilt werden, &#x017F;ondern hier giebt die Legitimation nur<lb/>
die bu&#x0364;rgerlichen Rechte im Staate, weil die Ge&#x017F;etze nicht wol-<lb/>
len, daß Jemandem wider &#x017F;einen Willen ein Erbe aufgedrungen<lb/>
werde <note place="foot" n="44)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">§. 7. I. de adopt. L. 7. C. de precib. imp. offer. L. 4. C. de<lb/>
emancipat.</hi></hi><hi rendition="#g">Schmidts</hi> hinterla&#x017F;&#x017F;ene Abhandlungen ver&#x017F;chie-<lb/>
dener pract. Rechtsmaterien. 2. B. <hi rendition="#aq">Nr. LXVII. §. 3. <hi rendition="#k">kind</hi><lb/>
Quae&#x017F;t for. Tom III. cap 3 p. 39. &#x017F;q.</hi></note>. In dem er&#x017F;ten Fall hingegen, da der Vater &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
um die vollkommene Legitimation des unehelichen Kindes anha&#x0364;lt,<lb/>
ha&#x0364;ngt es von dem Willen des Landesherrn ab, ob er dem Ge-<lb/>
&#x017F;uche des Vaters willfahren, und eine vollkommene oder nur<lb/>
eine unvollkommene Legitimation ertheilen will.</p><lb/>
          <p>2) Kann der Landesherr auch &#x017F;olche uneheliche Kinder, die<lb/>
aus einem <hi rendition="#g">Ehebruche</hi> oder aus einem <hi rendition="#g">Ince&#x017F;t</hi> erzeugt wor-<lb/>
den &#x017F;ind, auf Verlangen des Vaters <hi rendition="#aq">plene,</hi> d. i. auf eine &#x017F;olche<lb/>
Art legitimiren, daß &#x017F;ie auch in An&#x017F;ehung des Vaters ein Erb-<lb/>
recht erhalten? Nach dem heutigen Rechte zweifelt man wenig-<lb/>
&#x017F;tens nicht daran, daß auch &#x017F;olchen Kindern auf Verlangen des<lb/>
Vaters eine vollkommene Legitimation ertheilt werden ko&#x0364;nne <note place="foot" n="45)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Io. Balth. L. B. a</hi><hi rendition="#k">wernher</hi> &#x017F;elect. Ob&#x017F;ervat. for. Tom. I.<lb/>
P. V. Ob&#x017F;.</hi> 15.</note>.<lb/>
Einige Rechtsgelehrten <note place="foot" n="46)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">God. Lud.</hi><hi rendition="#k">madihn</hi> Princip. iur. Rom. P V. § 5. in fin.</hi><lb/>
und H. von <hi rendition="#g">Trüt&#x017F;chler</hi> in der Anwei&#x017F;ung zur vor&#x017F;ichtigen<lb/>
und fo&#x0364;rml. Abfa&#x017F;&#x017F;ung rechtlicher Auf&#x017F;a&#x0364;tze. 1. Th. 2. Hauptabth.<lb/>
3. Haupt&#x017F;t. §. 55. <hi rendition="#aq">not. a.</hi> S. 302.</note> wider&#x017F;prechen zwar, allein man hat<lb/>
nicht bedacht, daß &#x017F;ich die Gewalt un&#x017F;erer heutigen Regenten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">im</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0115] ſich die Macht des Landesherrn in Anſehung der Legitimation durch Reſcript erſtrecke? 1) Kann er, nach ſeinem Gefallen, eine vollkommene oder unvollkommene Legitimation ertheilen? Es kommt darauf an, ob ſie vom Vater ſelbſt, oder, ohne deſſen Ein- willigung, bloß vom Kinde, oder deſſen Mutter geſucht wird. In dem letztern Falle kann dem Kinde zum Nachtheil des Vaters und ſeiner rechtmaͤßigen Erben keine vollkommene Legi- timation ertheilt werden, ſondern hier giebt die Legitimation nur die buͤrgerlichen Rechte im Staate, weil die Geſetze nicht wol- len, daß Jemandem wider ſeinen Willen ein Erbe aufgedrungen werde 44). In dem erſten Fall hingegen, da der Vater ſelbſt um die vollkommene Legitimation des unehelichen Kindes anhaͤlt, haͤngt es von dem Willen des Landesherrn ab, ob er dem Ge- ſuche des Vaters willfahren, und eine vollkommene oder nur eine unvollkommene Legitimation ertheilen will. 2) Kann der Landesherr auch ſolche uneheliche Kinder, die aus einem Ehebruche oder aus einem Inceſt erzeugt wor- den ſind, auf Verlangen des Vaters plene, d. i. auf eine ſolche Art legitimiren, daß ſie auch in Anſehung des Vaters ein Erb- recht erhalten? Nach dem heutigen Rechte zweifelt man wenig- ſtens nicht daran, daß auch ſolchen Kindern auf Verlangen des Vaters eine vollkommene Legitimation ertheilt werden koͤnne 45). Einige Rechtsgelehrten 46) widerſprechen zwar, allein man hat nicht bedacht, daß ſich die Gewalt unſerer heutigen Regenten im 44) §. 7. I. de adopt. L. 7. C. de precib. imp. offer. L. 4. C. de emancipat. Schmidts hinterlaſſene Abhandlungen verſchie- dener pract. Rechtsmaterien. 2. B. Nr. LXVII. §. 3. kind Quaeſt for. Tom III. cap 3 p. 39. ſq. 45) Io. Balth. L. B. a wernher ſelect. Obſervat. for. Tom. I. P. V. Obſ. 15. 46) God. Lud. madihn Princip. iur. Rom. P V. § 5. in fin. und H. von Trütſchler in der Anweiſung zur vorſichtigen und foͤrml. Abfaſſung rechtlicher Aufſaͤtze. 1. Th. 2. Hauptabth. 3. Hauptſt. §. 55. not. a. S. 302.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/115
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Berichtigungen und Zusätze zum zweyten Bande des Glückischen Commentars über die Pandecten. Für die Besitzer der ersten Ausgabe. Erlangen, 1800, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02verbesserungen_1800/115>, abgerufen am 23.11.2024.