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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 5. Tit. §. 114.
existeret. Zwar schlägt Teichmeyer 66) vor, man solle
warten, bis etwa mit der Zeit aus weitern Handlungen
einer solchen Geburt gewißer geschlossen werden könne,
ob in ihr eine vernünftige Seele wohne oder nicht?
Allein die Frage muß gemeiniglich bald entschieden wer-
den, da solche Geburten selten lange leben, und wenn sie
sterben, sogleich über die Erbfähigkeit gestritten wird.
Endlich ist die Stelle Ulpians 67) worauf die Gegner
sich beziehen, nichts weniger als ihrer Meinung günstig.
Denn sie beziehet sich, wie derselben Ueberschrift lehrt,
auf das Julische und Papische Gesetz, nach welchem
Belohnungen für fruchtbare, aber auch Strafen für un-
fruchtbare Ehen waren bestimmt worden. Zu den letztern
gehörte z. B. daß Ehegatten, die in einer unfruchtbaren
Ehe gelebt haben, mehr nicht als den zehenden Theil ih-
rer Güter von einander erben 68), und von dem, was
ihnen von Andern in einem letzten Willen war hinter-

las-
66) Institut, medicin. legal. pag. 86.
67) L. 135. D. de Verb. Signif. ulpianus lib. IV. ad Legem.
Iuliam et Papiam
. Quaerat aliquis, si portentosum vel mon-
strosum vel debilem mulier ediderit, vel qualem visu vel vagi-
tu novum, non humanae figurae, sed alterius magis animalis,
quam hominis partum, an quia enixa est, prodesse ei debeat?
Et magis est, ut haec quoque parentibus prosint: nec enim est,
quod eis imputetur, quae qualiter potuerunt, statutis obtempe-
raverunt, neque id, quod fataliter accessit, matri damnum in-
iungere debet.
Ich darf hier die Verbesserung des Nicol. ca-
tharini
lib. III. Observation. et Coniecturar. cap. 15. T. VI.
Thesauri iuris civ. et canon. Meermanniani pag.
787. nicht
unbemerkt lassen, welcher statt der Worte, an quia enixa est,
prodesse ei debeat
, vielmehr folgendermaßen lesen will, an
quae enixa est, prodesse ei debeant
.
68) ulpianus Fragm. Tit. XV.

1. Buch. 5. Tit. §. 114.
exiſteret. Zwar ſchlaͤgt Teichmeyer 66) vor, man ſolle
warten, bis etwa mit der Zeit aus weitern Handlungen
einer ſolchen Geburt gewißer geſchloſſen werden koͤnne,
ob in ihr eine vernuͤnftige Seele wohne oder nicht?
Allein die Frage muß gemeiniglich bald entſchieden wer-
den, da ſolche Geburten ſelten lange leben, und wenn ſie
ſterben, ſogleich uͤber die Erbfaͤhigkeit geſtritten wird.
Endlich iſt die Stelle Ulpians 67) worauf die Gegner
ſich beziehen, nichts weniger als ihrer Meinung guͤnſtig.
Denn ſie beziehet ſich, wie derſelben Ueberſchrift lehrt,
auf das Juliſche und Papiſche Geſetz, nach welchem
Belohnungen fuͤr fruchtbare, aber auch Strafen fuͤr un-
fruchtbare Ehen waren beſtimmt worden. Zu den letztern
gehoͤrte z. B. daß Ehegatten, die in einer unfruchtbaren
Ehe gelebt haben, mehr nicht als den zehenden Theil ih-
rer Guͤter von einander erben 68), und von dem, was
ihnen von Andern in einem letzten Willen war hinter-

laſ-
66) Inſtitut, medicin. legal. pag. 86.
67) L. 135. D. de Verb. Signif. ulpianus lib. IV. ad Legem.
Iuliam et Papiam
. Quaerat aliquis, ſi portentoſum vel mon-
ſtroſum vel debilem mulier ediderit, vel qualem viſu vel vagi-
tu novum, non humanae figurae, ſed alterius magis animalis,
quam hominis partum, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat?
Et magis eſt, ut haec quoque parentibus proſint: nec enim eſt,
quod eis imputetur, quae qualiter potuerunt, ſtatutis obtempe-
raverunt, neque id, quod fataliter acceſſit, matri damnum in-
iungere debet.
Ich darf hier die Verbeſſerung des Nicol. ca-
tharini
lib. III. Obſervation. et Coniecturar. cap. 15. T. VI.
Theſauri iuris civ. et canon. Meermanniani pag.
787. nicht
unbemerkt laſſen, welcher ſtatt der Worte, an quia enixa eſt,
prodeſſe ei debeat
, vielmehr folgendermaßen leſen will, an
quae enixa eſt, prodeſſe ei debeant
.
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[66/0080] 1. Buch. 5. Tit. §. 114. exiſteret. Zwar ſchlaͤgt Teichmeyer 66) vor, man ſolle warten, bis etwa mit der Zeit aus weitern Handlungen einer ſolchen Geburt gewißer geſchloſſen werden koͤnne, ob in ihr eine vernuͤnftige Seele wohne oder nicht? Allein die Frage muß gemeiniglich bald entſchieden wer- den, da ſolche Geburten ſelten lange leben, und wenn ſie ſterben, ſogleich uͤber die Erbfaͤhigkeit geſtritten wird. Endlich iſt die Stelle Ulpians 67) worauf die Gegner ſich beziehen, nichts weniger als ihrer Meinung guͤnſtig. Denn ſie beziehet ſich, wie derſelben Ueberſchrift lehrt, auf das Juliſche und Papiſche Geſetz, nach welchem Belohnungen fuͤr fruchtbare, aber auch Strafen fuͤr un- fruchtbare Ehen waren beſtimmt worden. Zu den letztern gehoͤrte z. B. daß Ehegatten, die in einer unfruchtbaren Ehe gelebt haben, mehr nicht als den zehenden Theil ih- rer Guͤter von einander erben 68), und von dem, was ihnen von Andern in einem letzten Willen war hinter- laſ- 66) Inſtitut, medicin. legal. pag. 86. 67) L. 135. D. de Verb. Signif. ulpianus lib. IV. ad Legem. Iuliam et Papiam. Quaerat aliquis, ſi portentoſum vel mon- ſtroſum vel debilem mulier ediderit, vel qualem viſu vel vagi- tu novum, non humanae figurae, ſed alterius magis animalis, quam hominis partum, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat? Et magis eſt, ut haec quoque parentibus proſint: nec enim eſt, quod eis imputetur, quae qualiter potuerunt, ſtatutis obtempe- raverunt, neque id, quod fataliter acceſſit, matri damnum in- iungere debet. Ich darf hier die Verbeſſerung des Nicol. ca- tharini lib. III. Obſervation. et Coniecturar. cap. 15. T. VI. Theſauri iuris civ. et canon. Meermanniani pag. 787. nicht unbemerkt laſſen, welcher ſtatt der Worte, an quia enixa eſt, prodeſſe ei debeat, vielmehr folgendermaßen leſen will, an quae enixa eſt, prodeſſe ei debeant. 68) ulpianus Fragm. Tit. XV.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/80>, abgerufen am 25.11.2024.