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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De divisione rerum et qualitate.
für sich selbst haben 31). Denn Cajus 32) sagt ganz
allgemein: Ipse, qui in alterius potestate est, nihil suum
habere potest
33). Käme es freylich bey einem Be-
sitze nur allein auf physische Detention und auf die Ab-
sicht [a]n, eine Sache für sich selbst zu haben; wäre der
Besitz, wie Scävola 34) sagt, nur facti et animi, so
müßte man nothwendig auch denen Sclaven und filiisfami-
lias
eine potestatem habendi, possidendi zugestehen. Denn
wer will es läugnen, daß sie eine Neigung, etwas für sich
selbst zu haben, in sich fühlen können? Allein der Besitz
ist nicht blos factisch, (corporis) sondern er ahmt auch
in vielen die Natur des Rechts nach (etiam iuris est).
Nun aber achten die bürgerlichen Gesetze bey solchen Per-
sonen auf ihre eigene Absicht (voluntatem sibi habendi)
nicht, es mag von Erwerbung eines Besitzes, oder ande-
rer Rechte die Rede seyn. Sie nehmen vielmehr an, daß
ihnen die andere Eigenschaft, so ausser der physischen
Detention zu einem bürgerlichen Besitz erfordert wird,
gänzlich mangele.

Aus dem, was wir bisher zur Erläuterung des
Papinians gesagt haben, läßt sich nun leicht durch eine
allgemeine Regel bestimmen, was vom Besitz factisch ge-
blieben, und was demselben aus dem Rechte ist beyge-
mischt worden. Cuper 35) giebt hiervon folgende Re-
gel: Der Besitz besteht in facto, so oft derje-

nige
31) cujacius ad lib. II. Definit. Papiniani et in Commentar.
ad L. 49. §. 1. D. cit. Operum T. IV. et VIII.
32) L. 10. §. 1. D. de acquir. rer. dominio.
33) Nach dem neuern römischen Rechte können wir jedoch die-
sen Satz nur von einem peculio profectitio gelten lassen.
(S. 217.)
34) L. 1. §. 15. D. Si is, qui testam. liber esse iussus erit.
35) in Observat. selectis de natura possessionis. P. I. Cap. V.
pag.
57.

De diviſione rerum et qualitate.
fuͤr ſich ſelbſt haben 31). Denn Cajus 32) ſagt ganz
allgemein: Ipſe, qui in alterius poteſtate eſt, nihil suum
habere potest
33). Kaͤme es freylich bey einem Be-
ſitze nur allein auf phyſiſche Detention und auf die Ab-
ſicht [a]n, eine Sache fuͤr ſich ſelbſt zu haben; waͤre der
Beſitz, wie Scaͤvola 34) ſagt, nur facti et animi, ſo
muͤßte man nothwendig auch denen Sclaven und filiisfami-
lias
eine poteſtatem habendi, poſſidendi zugeſtehen. Denn
wer will es laͤugnen, daß ſie eine Neigung, etwas fuͤr ſich
ſelbſt zu haben, in ſich fuͤhlen koͤnnen? Allein der Beſitz
iſt nicht blos factiſch, (corporis) ſondern er ahmt auch
in vielen die Natur des Rechts nach (etiam iuris eſt).
Nun aber achten die buͤrgerlichen Geſetze bey ſolchen Per-
ſonen auf ihre eigene Abſicht (voluntatem ſibi habendi)
nicht, es mag von Erwerbung eines Beſitzes, oder ande-
rer Rechte die Rede ſeyn. Sie nehmen vielmehr an, daß
ihnen die andere Eigenſchaft, ſo auſſer der phyſiſchen
Detention zu einem buͤrgerlichen Beſitz erfordert wird,
gaͤnzlich mangele.

Aus dem, was wir bisher zur Erlaͤuterung des
Papinians geſagt haben, laͤßt ſich nun leicht durch eine
allgemeine Regel beſtimmen, was vom Beſitz factiſch ge-
blieben, und was demſelben aus dem Rechte iſt beyge-
miſcht worden. Cuper 35) giebt hiervon folgende Re-
gel: Der Beſitz beſteht in facto, ſo oft derje-

nige
31) cujacius ad lib. II. Definit. Papiniani et in Commentar.
ad L. 49. §. 1. D. cit. Operum T. IV. et VIII.
32) L. 10. §. 1. D. de acquir. rer. dominio.
33) Nach dem neuern roͤmiſchen Rechte koͤnnen wir jedoch die-
ſen Satz nur von einem peculio profectitio gelten laſſen.
(S. 217.)
34) L. 1. §. 15. D. Si is, qui teſtam. liber eſſe iuſſus erit.
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pag.
57.
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[533/0547] De diviſione rerum et qualitate. fuͤr ſich ſelbſt haben 31). Denn Cajus 32) ſagt ganz allgemein: Ipſe, qui in alterius poteſtate eſt, nihil suum habere potest 33). Kaͤme es freylich bey einem Be- ſitze nur allein auf phyſiſche Detention und auf die Ab- ſicht an, eine Sache fuͤr ſich ſelbſt zu haben; waͤre der Beſitz, wie Scaͤvola 34) ſagt, nur facti et animi, ſo muͤßte man nothwendig auch denen Sclaven und filiisfami- lias eine poteſtatem habendi, poſſidendi zugeſtehen. Denn wer will es laͤugnen, daß ſie eine Neigung, etwas fuͤr ſich ſelbſt zu haben, in ſich fuͤhlen koͤnnen? Allein der Beſitz iſt nicht blos factiſch, (corporis) ſondern er ahmt auch in vielen die Natur des Rechts nach (etiam iuris eſt). Nun aber achten die buͤrgerlichen Geſetze bey ſolchen Per- ſonen auf ihre eigene Abſicht (voluntatem ſibi habendi) nicht, es mag von Erwerbung eines Beſitzes, oder ande- rer Rechte die Rede ſeyn. Sie nehmen vielmehr an, daß ihnen die andere Eigenſchaft, ſo auſſer der phyſiſchen Detention zu einem buͤrgerlichen Beſitz erfordert wird, gaͤnzlich mangele. Aus dem, was wir bisher zur Erlaͤuterung des Papinians geſagt haben, laͤßt ſich nun leicht durch eine allgemeine Regel beſtimmen, was vom Beſitz factiſch ge- blieben, und was demſelben aus dem Rechte iſt beyge- miſcht worden. Cuper 35) giebt hiervon folgende Re- gel: Der Beſitz beſteht in facto, ſo oft derje- nige 31) cujacius ad lib. II. Definit. Papiniani et in Commentar. ad L. 49. §. 1. D. cit. Operum T. IV. et VIII. 32) L. 10. §. 1. D. de acquir. rer. dominio. 33) Nach dem neuern roͤmiſchen Rechte koͤnnen wir jedoch die- ſen Satz nur von einem peculio profectitio gelten laſſen. (S. 217.) 34) L. 1. §. 15. D. Si is, qui teſtam. liber eſſe iuſſus erit. 35) in Obſervat. ſelectis de natura poſſeſſionis. P. I. Cap. V. pag. 57.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 533. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/547>, abgerufen am 25.07.2024.