Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 8. Tit. §. 181. nur, wie eben dieser römische Jurist 22) sagt, corporis,factisch, sondern auch iuris, rechtlich sey. Es fragt sich nun, wie dieses eigentlich zu verstehen sey? Die Aus- leger des Civilrechts sind darin mit einander einverstan- den, daß sich dieses auf die rechtlichen Wirkungen be- ziehe, welche die bürgerlichen Gesetze dem Posseßions- Factum beylegen 23). Es kann auch dieses im allgemei- nen nicht geläugnet werden. Nur darf man nicht glau- ben, als ob der Besitz darum allein rechtlich sey, weil der Besitzer um des Besitzes willen viele Rechte und Vorthei- le zu genießen hat, sondern weil die bürgerlichen Gesetze in vielen Fällen jemand für den Besitzer halten, und ihm die Rechte und Wirkungen des Besitzes mittheilen, ob er gleich die physische Detention der Sache nicht hat, und im Gegentheil diese rechtliche Wirkungen zuweilen einem Besitzer entziehen, ob er gleich die Sache mit der Absicht, dieselbe als die seinige zu behalten, körperlich inne hat. Daß dies die Meinung des Papinians sey, erhellet aus den angeführten Stellen ganz deutlich. In der erstern sagt nämlich dieser Jurist: Possessio quoque per servum, cuius ususfructus meus est, ex re mea, vel ex operis servi adquiritur mihi: cum et naturaliter a fructuario teneatur, et plurimum ex iure possessio mutuetur. Durch einen Sclaven, von welchem man den Nießbrauch hat, kann man den Besitz erwerben, wenn die Erwerbung aus unsern Vermögen herrührt, oder allein durch die Dienste 22) L. 49. §. 1. D. eodem. 23) Vid. cujacius ad Lib. II. Definit. Papiniani ad L. 49.
princ. et §. 1. D. h. t. ad Lib. III. Quaestion. Papiniani ad L. 19. D. Ex quib. caus. major. Operum Tom. IV. biccius de possessione duorum Quaest. II. pag. 91. sqq. aliique ibi lau- dati; Ios. Fernand. de retes in Praelect. ad Tit. D. de acq. vel amitt. poss. P. I. Cap. V. §. 1. et hofacker Princip. iur. civ. Tom. II. P. I. Lib. III. Sect. II. §. 756. 1. Buch. 8. Tit. §. 181. nur, wie eben dieſer roͤmiſche Juriſt 22) ſagt, corporis,factiſch, ſondern auch iuris, rechtlich ſey. Es fragt ſich nun, wie dieſes eigentlich zu verſtehen ſey? Die Aus- leger des Civilrechts ſind darin mit einander einverſtan- den, daß ſich dieſes auf die rechtlichen Wirkungen be- ziehe, welche die buͤrgerlichen Geſetze dem Poſſeßions- Factum beylegen 23). Es kann auch dieſes im allgemei- nen nicht gelaͤugnet werden. Nur darf man nicht glau- ben, als ob der Beſitz darum allein rechtlich ſey, weil der Beſitzer um des Beſitzes willen viele Rechte und Vorthei- le zu genießen hat, ſondern weil die buͤrgerlichen Geſetze in vielen Faͤllen jemand fuͤr den Beſitzer halten, und ihm die Rechte und Wirkungen des Beſitzes mittheilen, ob er gleich die phyſiſche Detention der Sache nicht hat, und im Gegentheil dieſe rechtliche Wirkungen zuweilen einem Beſitzer entziehen, ob er gleich die Sache mit der Abſicht, dieſelbe als die ſeinige zu behalten, koͤrperlich inne hat. Daß dies die Meinung des Papinians ſey, erhellet aus den angefuͤhrten Stellen ganz deutlich. In der erſtern ſagt naͤmlich dieſer Juriſt: Poſſeſſio quoque per ſervum, cuius uſusfructus meus eſt, ex re mea, vel ex operis ſervi adquiritur mihi: cum et naturaliter a fructuario teneatur, et plurimum ex iure possessio mutuetur. Durch einen Sclaven, von welchem man den Nießbrauch hat, kann man den Beſitz erwerben, wenn die Erwerbung aus unſern Vermoͤgen herruͤhrt, oder allein durch die Dienſte 22) L. 49. §. 1. D. eodem. 23) Vid. cujacius ad Lib. II. Definit. Papiniani ad L. 49.
princ. et §. 1. D. h. t. ad Lib. III. Quaeſtion. Papiniani ad L. 19. D. Ex quib. cauſ. major. Operum Tom. IV. biccius de poſſeſſione duorum Quaeſt. II. pag. 91. ſqq. aliique ibi lau- dati; Ioſ. Fernand. de retes in Praelect. ad Tit. D. de acq. vel amitt. poſſ. P. I. Cap. V. §. 1. et hofacker Princip. iur. civ. Tom. II. P. I. Lib. III. Sect. II. §. 756. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0542" n="528"/><fw place="top" type="header">1. Buch. 8. Tit. §. 181.</fw><lb/> nur, wie eben dieſer roͤmiſche Juriſt <note place="foot" n="22)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 49. §. 1. <hi rendition="#i">D. eodem.</hi></hi></note> ſagt, <hi rendition="#aq">corporis,</hi><lb/> factiſch, ſondern auch <hi rendition="#aq">iuris,</hi> rechtlich ſey. Es fragt ſich<lb/> nun, wie dieſes eigentlich zu verſtehen ſey? Die Aus-<lb/> leger des Civilrechts ſind darin mit einander einverſtan-<lb/> den, daß ſich dieſes auf die rechtlichen Wirkungen be-<lb/> ziehe, welche die buͤrgerlichen Geſetze dem Poſſeßions-<lb/> Factum beylegen <note place="foot" n="23)"><hi rendition="#aq">Vid. <hi rendition="#k">cujacius</hi> ad Lib. II. Definit. <hi rendition="#i">Papiniani</hi> ad L. 49.<lb/> princ. et §. 1. D. h. t. ad Lib. III. Quaeſtion. <hi rendition="#i">Papiniani</hi> ad<lb/> L. 19. D. Ex quib. cauſ. major. <hi rendition="#i">Operum Tom. IV.</hi> <hi rendition="#k">biccius</hi><lb/> de poſſeſſione duorum Quaeſt. II. pag. 91. ſqq. aliique ibi lau-<lb/> dati; <hi rendition="#i">Ioſ. Fernand. de</hi> <hi rendition="#k">retes</hi> in Praelect. ad Tit. D. de acq.<lb/> vel amitt. poſſ. P. I. Cap. V. §. 1. et <hi rendition="#k">hofacker</hi> Princip.<lb/> iur. civ. Tom. II. P. I. Lib. III. Sect. II.</hi> §. 756.</note>. Es kann auch dieſes im allgemei-<lb/> nen nicht gelaͤugnet werden. Nur darf man nicht glau-<lb/> ben, als ob der Beſitz darum allein rechtlich ſey, weil der<lb/> Beſitzer um des Beſitzes willen viele Rechte und Vorthei-<lb/> le zu genießen hat, ſondern weil die buͤrgerlichen Geſetze<lb/> in vielen Faͤllen jemand fuͤr den Beſitzer halten, und ihm<lb/> die Rechte und Wirkungen des Beſitzes mittheilen, ob<lb/> er gleich die phyſiſche Detention der Sache nicht hat, und<lb/> im Gegentheil dieſe rechtliche Wirkungen zuweilen einem<lb/> Beſitzer entziehen, ob er gleich die Sache mit der Abſicht,<lb/> dieſelbe als die ſeinige zu behalten, koͤrperlich inne hat.<lb/> Daß dies die Meinung des <hi rendition="#fr">Papinians</hi> ſey, erhellet aus<lb/> den angefuͤhrten Stellen ganz deutlich. In der erſtern<lb/> ſagt naͤmlich dieſer Juriſt: <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Poſſeſſio quoque per ſervum,<lb/> cuius uſusfructus meus eſt, ex re mea, vel ex operis ſervi<lb/> adquiritur mihi: cum et naturaliter a fructuario teneatur,<lb/> et</hi><hi rendition="#k">plurimum ex iure possessio mutuetur.</hi></hi> Durch<lb/> einen Sclaven, von welchem man den Nießbrauch hat,<lb/> kann man den Beſitz erwerben, wenn die Erwerbung<lb/> aus unſern Vermoͤgen herruͤhrt, oder allein durch die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dienſte</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [528/0542]
1. Buch. 8. Tit. §. 181.
nur, wie eben dieſer roͤmiſche Juriſt 22) ſagt, corporis,
factiſch, ſondern auch iuris, rechtlich ſey. Es fragt ſich
nun, wie dieſes eigentlich zu verſtehen ſey? Die Aus-
leger des Civilrechts ſind darin mit einander einverſtan-
den, daß ſich dieſes auf die rechtlichen Wirkungen be-
ziehe, welche die buͤrgerlichen Geſetze dem Poſſeßions-
Factum beylegen 23). Es kann auch dieſes im allgemei-
nen nicht gelaͤugnet werden. Nur darf man nicht glau-
ben, als ob der Beſitz darum allein rechtlich ſey, weil der
Beſitzer um des Beſitzes willen viele Rechte und Vorthei-
le zu genießen hat, ſondern weil die buͤrgerlichen Geſetze
in vielen Faͤllen jemand fuͤr den Beſitzer halten, und ihm
die Rechte und Wirkungen des Beſitzes mittheilen, ob
er gleich die phyſiſche Detention der Sache nicht hat, und
im Gegentheil dieſe rechtliche Wirkungen zuweilen einem
Beſitzer entziehen, ob er gleich die Sache mit der Abſicht,
dieſelbe als die ſeinige zu behalten, koͤrperlich inne hat.
Daß dies die Meinung des Papinians ſey, erhellet aus
den angefuͤhrten Stellen ganz deutlich. In der erſtern
ſagt naͤmlich dieſer Juriſt: Poſſeſſio quoque per ſervum,
cuius uſusfructus meus eſt, ex re mea, vel ex operis ſervi
adquiritur mihi: cum et naturaliter a fructuario teneatur,
et plurimum ex iure possessio mutuetur. Durch
einen Sclaven, von welchem man den Nießbrauch hat,
kann man den Beſitz erwerben, wenn die Erwerbung
aus unſern Vermoͤgen herruͤhrt, oder allein durch die
Dienſte
22) L. 49. §. 1. D. eodem.
23) Vid. cujacius ad Lib. II. Definit. Papiniani ad L. 49.
princ. et §. 1. D. h. t. ad Lib. III. Quaeſtion. Papiniani ad
L. 19. D. Ex quib. cauſ. major. Operum Tom. IV. biccius
de poſſeſſione duorum Quaeſt. II. pag. 91. ſqq. aliique ibi lau-
dati; Ioſ. Fernand. de retes in Praelect. ad Tit. D. de acq.
vel amitt. poſſ. P. I. Cap. V. §. 1. et hofacker Princip.
iur. civ. Tom. II. P. I. Lib. III. Sect. II. §. 756.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |