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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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De divisione rerum et qualitate.
genommenen Fällen ist von Justinian deren Verkauf
und Verpfändung gestattet worden, nämlich um gefan-
gene Christen aus den Händen der Ungläubigen loßzu-
kaufen 84), bey Hungersnoth die Armen zu unterhal-
ten 85), und die Schulden der Kirche, die nicht wohl an-
ders getilgt werden können, zu bezahlen 86). Allein heu-
tiges Tages denken selbst die Catholiken über das Eigen-
thum der zum Dienst Gottes geweiheten Sachen richti-
ger. Ich will zum Beweiß nur einen der größten Cano-
nisten unsers Zeitalters, den Joseph Valentin Eybel
reden lassen, welcher in seiner vortreflichen Einleitung
in das katholische Kirchenrecht
87) Grundsätze da-
von vorträgt, die mit dem Lehrbegriff des protestantischen
Kirchenrechts auf das genaueste übereinstimmen. Es ist
richtiger, sagt dieser aufgeklärte Catholik, wenn ich das-
jenige, was zum Dienst Gottes bestimmt wird, vielmehr
Gott geweihet, als Gott geschenkt, oder Gott zum Ei-
genthum gegeben, nenne. Denn Eigenthum ist das
Recht, mit der Substanz einer Sache, und mit alle dem,
was aus ihr kömmt, und zu ihr gehöret, frey nach Will-
kühr zu schalten; und dieses Recht braucht Gott ja nicht
erst von uns geschenkt zu erhalten, wenn er es, als Gott,
und als der höchste Herr aller Dinge ausüben will. Er
hat es nämlich als Gott von selbst. Menschlicher
Weise
aber, wie wir sehen, über er es nicht aus, son-
dern es wird denen Menschen nach Art, wie es sich ge-
bühret, auszuüben überlassen. Gott hat alles, was er
in dieser Welt erschaffen hat, der Herrschaft des Men-

schen
84) §. 8. I. h. t. et theophilus in Paraphr. graeca ad eund. §.
85) L. 21. Cod. de SS Eccles.
86) Avthent. Cod. de SS. Eccles. Nov. CXX. c. 10. Westphal
im Syst. des R. R. über die Arten der Sachen etc. S. 23.
87) II. Theil 4. Hauptst. §. 118. not. a. b. c. d. S. 199. folgg.

De diviſione rerum et qualitate.
genommenen Faͤllen iſt von Juſtinian deren Verkauf
und Verpfaͤndung geſtattet worden, naͤmlich um gefan-
gene Chriſten aus den Haͤnden der Unglaͤubigen loßzu-
kaufen 84), bey Hungersnoth die Armen zu unterhal-
ten 85), und die Schulden der Kirche, die nicht wohl an-
ders getilgt werden koͤnnen, zu bezahlen 86). Allein heu-
tiges Tages denken ſelbſt die Catholiken uͤber das Eigen-
thum der zum Dienſt Gottes geweiheten Sachen richti-
ger. Ich will zum Beweiß nur einen der groͤßten Cano-
niſten unſers Zeitalters, den Joſeph Valentin Eybel
reden laſſen, welcher in ſeiner vortreflichen Einleitung
in das katholiſche Kirchenrecht
87) Grundſaͤtze da-
von vortraͤgt, die mit dem Lehrbegriff des proteſtantiſchen
Kirchenrechts auf das genaueſte uͤbereinſtimmen. Es iſt
richtiger, ſagt dieſer aufgeklaͤrte Catholik, wenn ich das-
jenige, was zum Dienſt Gottes beſtimmt wird, vielmehr
Gott geweihet, als Gott geſchenkt, oder Gott zum Ei-
genthum gegeben, nenne. Denn Eigenthum iſt das
Recht, mit der Subſtanz einer Sache, und mit alle dem,
was aus ihr koͤmmt, und zu ihr gehoͤret, frey nach Will-
kuͤhr zu ſchalten; und dieſes Recht braucht Gott ja nicht
erſt von uns geſchenkt zu erhalten, wenn er es, als Gott,
und als der hoͤchſte Herr aller Dinge ausuͤben will. Er
hat es naͤmlich als Gott von ſelbſt. Menſchlicher
Weiſe
aber, wie wir ſehen, uͤber er es nicht aus, ſon-
dern es wird denen Menſchen nach Art, wie es ſich ge-
buͤhret, auszuuͤben uͤberlaſſen. Gott hat alles, was er
in dieſer Welt erſchaffen hat, der Herrſchaft des Men-

ſchen
84) §. 8. I. h. t. et theophilus in Paraphr. graeca ad eund. §.
85) L. 21. Cod. de SS Eccleſ.
86) Avthent. Cod. de SS. Eccleſ. Nov. CXX. c. 10. Weſtphal
im Syſt. des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. S. 23.
87) II. Theil 4. Hauptſt. §. 118. not. a. b. c. d. S. 199. folgg.
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[427/0441] De diviſione rerum et qualitate. genommenen Faͤllen iſt von Juſtinian deren Verkauf und Verpfaͤndung geſtattet worden, naͤmlich um gefan- gene Chriſten aus den Haͤnden der Unglaͤubigen loßzu- kaufen 84), bey Hungersnoth die Armen zu unterhal- ten 85), und die Schulden der Kirche, die nicht wohl an- ders getilgt werden koͤnnen, zu bezahlen 86). Allein heu- tiges Tages denken ſelbſt die Catholiken uͤber das Eigen- thum der zum Dienſt Gottes geweiheten Sachen richti- ger. Ich will zum Beweiß nur einen der groͤßten Cano- niſten unſers Zeitalters, den Joſeph Valentin Eybel reden laſſen, welcher in ſeiner vortreflichen Einleitung in das katholiſche Kirchenrecht 87) Grundſaͤtze da- von vortraͤgt, die mit dem Lehrbegriff des proteſtantiſchen Kirchenrechts auf das genaueſte uͤbereinſtimmen. Es iſt richtiger, ſagt dieſer aufgeklaͤrte Catholik, wenn ich das- jenige, was zum Dienſt Gottes beſtimmt wird, vielmehr Gott geweihet, als Gott geſchenkt, oder Gott zum Ei- genthum gegeben, nenne. Denn Eigenthum iſt das Recht, mit der Subſtanz einer Sache, und mit alle dem, was aus ihr koͤmmt, und zu ihr gehoͤret, frey nach Will- kuͤhr zu ſchalten; und dieſes Recht braucht Gott ja nicht erſt von uns geſchenkt zu erhalten, wenn er es, als Gott, und als der hoͤchſte Herr aller Dinge ausuͤben will. Er hat es naͤmlich als Gott von ſelbſt. Menſchlicher Weiſe aber, wie wir ſehen, uͤber er es nicht aus, ſon- dern es wird denen Menſchen nach Art, wie es ſich ge- buͤhret, auszuuͤben uͤberlaſſen. Gott hat alles, was er in dieſer Welt erſchaffen hat, der Herrſchaft des Men- ſchen 84) §. 8. I. h. t. et theophilus in Paraphr. graeca ad eund. §. 85) L. 21. Cod. de SS Eccleſ. 86) Avthent. Cod. de SS. Eccleſ. Nov. CXX. c. 10. Weſtphal im Syſt. des R. R. uͤber die Arten der Sachen ꝛc. S. 23. 87) II. Theil 4. Hauptſt. §. 118. not. a. b. c. d. S. 199. folgg.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 427. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/441>, abgerufen am 23.11.2024.