Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 8. Tit. §. 165. Kopf sich fand, für religiös gehalten; quia una sepul-tura plura sepulchra efficere non potest, wie Paulus 56) sagt; und weil man überdem den Kopf für den edelsten Theil des menschlichen Körpers hielt, woran der Mensch kenntlich ist 57). Zuweilen wurde zur Ehre eines be- rühmten Mannes, oder geliebten Freundes, der ausser sei- nem Vaterlande sein Leben eingebüsset hatte, z. B. er war zur See verunglückt, und dessen Leichnam man eben da- rum nicht haben konnte, von seinen Landesleuten zu Hau- se ein Monument errichtet. Ein solches Ehrengrabmahl, wo kein Leichnam lag, hieß Cenotaphium d. i. ein vorge- stelltes oder leeres Grab, wie es Florentinus 58) er- klärt. Dieses war nach einem gewissen Rescript der Divorum Fratrum d. i. der Kaiser M. Aurelius Antoni- nus und Lucius Verus, kein locus religiosus 59). Mar- cian, ohngeachtet er erst nach den Divis Fratribus ge- schrieben, war zwar einer andern Meinung 60), und be- ruft 56) L. 44. pr. D. de religios. Siehe van bynkershoek in Observat. iuris Rom. lib. I. cap. V. p. 22. merillius Obs. I. R. lib. II. cap. 40. marckart Interpretat. receptar. Iur. Civ. lectionum Lib. II. cap. 19. und Herm. gannegieter Observat. Iur. Rom. lib. I. c. 14. 57) Die Worte der L. 44. cit. Mihi autem videtur, illum re- ligiosum esse, ubi, quod est principale, conditum est, id est, caput, cuius imago sit, inde cognoscimur, werden sehr ver- schieden gelesen. Die Florentinische Leseart, cuius imago fit, ist offenbar fehlerhaft. Haloander lieset, oder interpolirt vielmehr die Worte folgendergestalt: unde, qualis cuiusque imago sit, cognoscitur. Die richtigste Leseart haben unstreitig Hugo a porta, Robertus stephanus und Lud. blau- blommius; cuius imago sit, unde cognoscimur. 58) L. 42. D. de religiosis. 59) L. 7. D. h. t. 60) L. 6. §. 5. D. eodem.
1. Buch. 8. Tit. §. 165. Kopf ſich fand, fuͤr religioͤs gehalten; quia una ſepul-tura plura ſepulchra efficere non poteſt, wie Paulus 56) ſagt; und weil man uͤberdem den Kopf fuͤr den edelſten Theil des menſchlichen Koͤrpers hielt, woran der Menſch kenntlich iſt 57). Zuweilen wurde zur Ehre eines be- ruͤhmten Mannes, oder geliebten Freundes, der auſſer ſei- nem Vaterlande ſein Leben eingebuͤſſet hatte, z. B. er war zur See verungluͤckt, und deſſen Leichnam man eben da- rum nicht haben konnte, von ſeinen Landesleuten zu Hau- ſe ein Monument errichtet. Ein ſolches Ehrengrabmahl, wo kein Leichnam lag, hieß Cenotaphium d. i. ein vorge- ſtelltes oder leeres Grab, wie es Florentinus 58) er- klaͤrt. Dieſes war nach einem gewiſſen Reſcript der Divorum Fratrum d. i. der Kaiſer M. Aurelius Antoni- nus und Lucius Verus, kein locus religioſus 59). Mar- cian, ohngeachtet er erſt nach den Divis Fratribus ge- ſchrieben, war zwar einer andern Meinung 60), und be- ruft 56) L. 44. pr. D. de religioſ. Siehe van bynkershoek in Obſervat. iuris Rom. lib. I. cap. V. p. 22. merillius Obſ. I. R. lib. II. cap. 40. marckart Interpretat. receptar. Iur. Civ. lectionum Lib. II. cap. 19. und Herm. gannegieter Obſervat. Iur. Rom. lib. I. c. 14. 57) Die Worte der L. 44. cit. Mihi autem videtur, illum re- ligioſum eſſe, ubi, quod eſt principale, conditum eſt, id eſt, caput, cuius imago ſit, inde cognoſcimur, werden ſehr ver- ſchieden geleſen. Die Florentiniſche Leſeart, cuius imago fit, iſt offenbar fehlerhaft. Haloander lieſet, oder interpolirt vielmehr die Worte folgendergeſtalt: unde, qualis cuiusque imago ſit, cognoſcitur. Die richtigſte Leſeart haben unſtreitig Hugo a porta, Robertus stephanus und Lud. blau- blommius; cuius imago ſit, unde cognoſcimur. 58) L. 42. D. de religioſis. 59) L. 7. D. h. t. 60) L. 6. §. 5. D. eodem.
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tura plura ſepulchra efficere non poteſt, wie Paulus 56)
ſagt; und weil man uͤberdem den Kopf fuͤr den edelſten
Theil des menſchlichen Koͤrpers hielt, woran der Menſch
kenntlich iſt 57). Zuweilen wurde zur Ehre eines be-
ruͤhmten Mannes, oder geliebten Freundes, der auſſer ſei-
nem Vaterlande ſein Leben eingebuͤſſet hatte, z. B. er war
zur See verungluͤckt, und deſſen Leichnam man eben da-
rum nicht haben konnte, von ſeinen Landesleuten zu Hau-
ſe ein Monument errichtet. Ein ſolches Ehrengrabmahl,
wo kein Leichnam lag, hieß Cenotaphium d. i. ein vorge-
ſtelltes oder leeres Grab, wie es Florentinus 58) er-
klaͤrt. Dieſes war nach einem gewiſſen Reſcript der
Divorum Fratrum d. i. der Kaiſer M. Aurelius Antoni-
nus und Lucius Verus, kein locus religioſus 59). Mar-
cian, ohngeachtet er erſt nach den Divis Fratribus ge-
ſchrieben, war zwar einer andern Meinung 60), und be-
ruft
56) L. 44. pr. D. de religioſ. Siehe van bynkershoek in
Obſervat. iuris Rom. lib. I. cap. V. p. 22. merillius Obſ.
I. R. lib. II. cap. 40. marckart Interpretat. receptar. Iur.
Civ. lectionum Lib. II. cap. 19. und Herm. gannegieter
Obſervat. Iur. Rom. lib. I. c. 14.
57) Die Worte der L. 44. cit. Mihi autem videtur, illum re-
ligioſum eſſe, ubi, quod eſt principale, conditum eſt, id eſt,
caput, cuius imago ſit, inde cognoſcimur, werden ſehr ver-
ſchieden geleſen. Die Florentiniſche Leſeart, cuius imago fit,
iſt offenbar fehlerhaft. Haloander lieſet, oder interpolirt
vielmehr die Worte folgendergeſtalt: unde, qualis cuiusque
imago ſit, cognoſcitur. Die richtigſte Leſeart haben unſtreitig
Hugo a porta, Robertus stephanus und Lud. blau-
blommius; cuius imago ſit, unde cognoſcimur.
58) L. 42. D. de religioſis.
59) L. 7. D. h. t.
60) L. 6. §. 5. D. eodem.
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