I)Die Adoption ist nur ein subsidiari- sches Mittel, die väterliche Gewalt zu erwer- ben, und blos zum Behuf für die erfunden, welche sich keine Hoffnung auf leibliche Kin- der mehr zu machen haben9).
II)Sie ahmet die Natur nach10); das heißt, die Aufnahme an Kindesstatt darf wieder kein na- türliches Verhältniß verstossen. Es muß also der Natur nach nicht unmöglich seyn, daß der Anzunehmende mein Kind oder Enkel, wofür er angenommen wird, seyn könne. Denn man fingirt, als ob Adoptans das Adoptivkind ge- zeugt habe; oder das solches von seinem Descendenten sey gezeugt worden. Daher sagt nun Cajus11): Adop- tio naturae similitudo est, ut aliquis filium habere possit, quem non generaverit; und Javolen12) druckt sich hie- rüber folgender maßen aus: adoptio in bis personis locum habet, in quibus etiam natura potest habere. Endlich
III)Die Adoption darf weder dem anzu- nehmenden Kinde noch einem Dritten zum Nachtheil gereichen.
Alle drey Sätze sind fruchtbar an Folgen. Aus dem ersten folgt,
1) daß diejenigen der Regel nach nicht adoptiren können, welche Alters halben selbst zum Kinderzeugen annoch tüchtig sind. Dahin gehören Mannspersonen, die
das
9)theophilus in Paraphr. gr. Institut. Iustin, ad pr. de adopt.
10)§. 4. I. h. t.
11)Institut. lib. l. Tlt. 5. pr. in schulting iurispr. Antejust. pag. 42. PapinianL. 23. D. de lib. et postum. nennt die Adoption imaginem naturae.
12)L. 16. D. h. t.
1. Buch. 7. Tit. §. 149.
I)Die Adoption iſt nur ein ſubſidiari- ſches Mittel, die vaͤterliche Gewalt zu erwer- ben, und blos zum Behuf fuͤr die erfunden, welche ſich keine Hoffnung auf leibliche Kin- der mehr zu machen haben9).
II)Sie ahmet die Natur nach10); das heißt, die Aufnahme an Kindesſtatt darf wieder kein na- tuͤrliches Verhaͤltniß verſtoſſen. Es muß alſo der Natur nach nicht unmoͤglich ſeyn, daß der Anzunehmende mein Kind oder Enkel, wofuͤr er angenommen wird, ſeyn koͤnne. Denn man fingirt, als ob Adoptans das Adoptivkind ge- zeugt habe; oder das ſolches von ſeinem Deſcendenten ſey gezeugt worden. Daher ſagt nun Cajus11): Adop- tio naturae ſimilitudo eſt, ut aliquis filium habere poſſit, quem non generaverit; und Javolen12) druckt ſich hie- ruͤber folgender maßen aus: adoptio in bis perſonis locum habet, in quibus etiam natura poteſt habere. Endlich
III)Die Adoption darf weder dem anzu- nehmenden Kinde noch einem Dritten zum Nachtheil gereichen.
Alle drey Saͤtze ſind fruchtbar an Folgen. Aus dem erſten folgt,
1) daß diejenigen der Regel nach nicht adoptiren koͤnnen, welche Alters halben ſelbſt zum Kinderzeugen annoch tuͤchtig ſind. Dahin gehoͤren Mannsperſonen, die
das
9)theophilus in Paraphr. gr. Inſtitut. Iuſtin, ad pr. de adopt.
10)§. 4. I. h. t.
11)Inſtitut. lib. l. Tlt. 5. pr. in schulting iurispr. Antejuſt. pag. 42. PapinianL. 23. D. de lib. et poſtum. nennt die Adoption imaginem naturae.
12)L. 16. D. h. t.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0308"n="294"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#fr">1. Buch. 7. Tit. §. 149.</hi></fw><lb/><p><hirendition="#aq">I)</hi><hirendition="#g">Die Adoption iſt nur ein ſubſidiari-<lb/>ſches Mittel, die vaͤterliche Gewalt zu erwer-<lb/>
ben, und blos zum Behuf fuͤr die erfunden,<lb/>
welche ſich keine Hoffnung auf leibliche Kin-<lb/>
der mehr zu machen haben</hi><noteplace="foot"n="9)"><hirendition="#aq"><hirendition="#k">theophilus</hi> in Paraphr. gr. Inſtitut. Iuſtin, ad pr. de adopt.</hi></note>.</p><lb/><p><hirendition="#aq">II)</hi><hirendition="#g">Sie ahmet die Natur nach</hi><noteplace="foot"n="10)"><hirendition="#i">§.</hi> 4. <hirendition="#aq"><hirendition="#i">I. h. t.</hi></hi></note>; das<lb/>
heißt, die Aufnahme an Kindesſtatt darf wieder kein na-<lb/>
tuͤrliches Verhaͤltniß verſtoſſen. Es muß alſo der Natur<lb/>
nach nicht unmoͤglich ſeyn, daß der Anzunehmende mein<lb/>
Kind oder Enkel, wofuͤr er angenommen wird, ſeyn koͤnne.<lb/>
Denn man fingirt, als ob Adoptans das Adoptivkind ge-<lb/>
zeugt habe; oder das ſolches von ſeinem Deſcendenten<lb/>ſey gezeugt worden. Daher ſagt nun <hirendition="#fr">Cajus</hi><noteplace="foot"n="11)"><hirendition="#aq">Inſtitut. lib. l. Tlt. 5. pr. in <hirendition="#k">schulting</hi> iurispr. Antejuſt.<lb/>
pag.</hi> 42. <hirendition="#g">Papinian</hi><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 23. <hirendition="#i">D. de lib. et poſtum.</hi></hi> nennt<lb/>
die Adoption <hirendition="#aq">imaginem naturae.</hi></note>: <hirendition="#aq"><hirendition="#i">Adop-<lb/>
tio naturae ſimilitudo eſt, ut aliquis filium habere poſſit,<lb/>
quem non generaverit;</hi></hi> und <hirendition="#fr">Javolen</hi><noteplace="foot"n="12)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 16. <hirendition="#i">D. h. t.</hi></hi></note> druckt ſich hie-<lb/>
ruͤber folgender maßen aus: <hirendition="#aq"><hirendition="#i">adoptio in bis perſonis locum<lb/>
habet, in quibus etiam natura poteſt habere.</hi></hi> Endlich</p><lb/><p><hirendition="#aq">III)</hi><hirendition="#g">Die Adoption darf weder dem anzu-<lb/>
nehmenden Kinde noch einem Dritten zum<lb/>
Nachtheil gereichen</hi>.</p><lb/><p>Alle drey Saͤtze ſind fruchtbar an Folgen. Aus<lb/>
dem erſten folgt,</p><lb/><p>1) daß diejenigen der Regel nach nicht adoptiren<lb/>
koͤnnen, welche Alters halben ſelbſt zum Kinderzeugen<lb/>
annoch tuͤchtig ſind. Dahin gehoͤren Mannsperſonen, die<lb/><fwplace="bottom"type="catch">das</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[294/0308]
1. Buch. 7. Tit. §. 149.
I) Die Adoption iſt nur ein ſubſidiari-
ſches Mittel, die vaͤterliche Gewalt zu erwer-
ben, und blos zum Behuf fuͤr die erfunden,
welche ſich keine Hoffnung auf leibliche Kin-
der mehr zu machen haben 9).
II) Sie ahmet die Natur nach 10); das
heißt, die Aufnahme an Kindesſtatt darf wieder kein na-
tuͤrliches Verhaͤltniß verſtoſſen. Es muß alſo der Natur
nach nicht unmoͤglich ſeyn, daß der Anzunehmende mein
Kind oder Enkel, wofuͤr er angenommen wird, ſeyn koͤnne.
Denn man fingirt, als ob Adoptans das Adoptivkind ge-
zeugt habe; oder das ſolches von ſeinem Deſcendenten
ſey gezeugt worden. Daher ſagt nun Cajus 11): Adop-
tio naturae ſimilitudo eſt, ut aliquis filium habere poſſit,
quem non generaverit; und Javolen 12) druckt ſich hie-
ruͤber folgender maßen aus: adoptio in bis perſonis locum
habet, in quibus etiam natura poteſt habere. Endlich
III) Die Adoption darf weder dem anzu-
nehmenden Kinde noch einem Dritten zum
Nachtheil gereichen.
Alle drey Saͤtze ſind fruchtbar an Folgen. Aus
dem erſten folgt,
1) daß diejenigen der Regel nach nicht adoptiren
koͤnnen, welche Alters halben ſelbſt zum Kinderzeugen
annoch tuͤchtig ſind. Dahin gehoͤren Mannsperſonen, die
das
9) theophilus in Paraphr. gr. Inſtitut. Iuſtin, ad pr. de adopt.
10) §. 4. I. h. t.
11) Inſtitut. lib. l. Tlt. 5. pr. in schulting iurispr. Antejuſt.
pag. 42. Papinian L. 23. D. de lib. et poſtum. nennt
die Adoption imaginem naturae.
12) L. 16. D. h. t.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/308>, abgerufen am 25.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.