Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.1. Buch. 6. Tit. §. 143. welcher er vorher ausser der Ehe Kinder gezeugt hatte 92).Vor den Zeiten Justinians setzte dieselbe als Bedingung vor- 92) Hierher gehört vorzüglich der rätzelhafte §. 13. I. de nupt.
wo Justinian nicht nur seiner eigenen Verordnung zu- schreibt, daß natürliche Kinder dadurch, daß ihr Vater die Concubine, mit welcher er sie erzeugt hat, dotalibus instru- mentis compositis, heyrathet, in die väterliche Gewalt gebracht würden, sondern auch noch hinzufügt: Quod et aliis liberis, qui ex eodem matrimonio fuerint procreati, similiter nostra constitutio praebuit. Diese Worte haben den Auslegern bey- nahe unüberwindliche Schwierigkeiten verursacht. Denn es versteht sich ja von selbst, sagt man, daß die Kinder, die ich mit meiner ehemaligen Concubine nun in rechtmäsiger Ehe zeuge, in meiner väterlichen Gewalt sind, was brauchte Ju- stinian solches besonders zu verordnen? Man hat also hier eine Ungereimtheit zu entdecken vermeint, die anders nicht, als durch Emendation, gehoben werden könne. Cujaz las da- her zuerst: Quod, si alii liberi ex eodem matrimonio fuerint procreati, similiter nostra constitutio praebuit. Nun sey der Sinn folgender. Es solle keine Aenderung der durch die Le- gitimation einmal erworbenen Rechte machen, wenn gleich hernach in derselbigen Ehe noch mehr Kinder wären gezeugt worden. Diese sollten ihrer ehelichen Geburt halber keinen Vorzug vor jenen haben. So verstand auch Bynkershök lib. II. Observ. iur. Rom. cap. 11. den Justinian, jedoch emendirte er etwas bescheidener. Er lieset nämlich folgender- maßen: quod, ut aliis liberis, qui ex eodem matrimonio po- stea fuerint procreati, similiter nostra constitutio praebuit. Mehrere Emendationen anderer Rechtsgelehrten findet man beym Gebauer in dem angeführten Excurs. IV. ad Instit. Allein die neuern Ausleger halten wegen der übereinstimmen- den Leseart aller Handschriften eine Aenderung im Text theils für unschicklich, theils aber auch für unnöthig. Man sehe püttmann Interpretat. et Observ. cap. 15. Wenn es in den mehrgedachten Worten des §. ult. Instit. statt fuerint procrea- ti hieße fuerint editi, so würde ich geneigt seyn zu glauben, Ju- 1. Buch. 6. Tit. §. 143. welcher er vorher auſſer der Ehe Kinder gezeugt hatte 92).Vor den Zeiten Juſtinians ſetzte dieſelbe als Bedingung vor- 92) Hierher gehoͤrt vorzuͤglich der raͤtzelhafte §. 13. I. de nupt.
wo Juſtinian nicht nur ſeiner eigenen Verordnung zu- ſchreibt, daß natuͤrliche Kinder dadurch, daß ihr Vater die Concubine, mit welcher er ſie erzeugt hat, dotalibus inſtru- mentis compoſitis, heyrathet, in die vaͤterliche Gewalt gebracht wuͤrden, ſondern auch noch hinzufuͤgt: Quod et aliis liberis, qui ex eodem matrimonio fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Dieſe Worte haben den Auslegern bey- nahe unuͤberwindliche Schwierigkeiten verurſacht. Denn es verſteht ſich ja von ſelbſt, ſagt man, daß die Kinder, die ich mit meiner ehemaligen Concubine nun in rechtmaͤſiger Ehe zeuge, in meiner vaͤterlichen Gewalt ſind, was brauchte Ju- ſtinian ſolches beſonders zu verordnen? Man hat alſo hier eine Ungereimtheit zu entdecken vermeint, die anders nicht, als durch Emendation, gehoben werden koͤnne. Cujaz las da- her zuerſt: Quod, ſi alii liberi ex eodem matrimonio fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Nun ſey der Sinn folgender. Es ſolle keine Aenderung der durch die Le- gitimation einmal erworbenen Rechte machen, wenn gleich hernach in derſelbigen Ehe noch mehr Kinder waͤren gezeugt worden. Dieſe ſollten ihrer ehelichen Geburt halber keinen Vorzug vor jenen haben. So verſtand auch Bynkershoͤk lib. II. Obſerv. iur. Rom. cap. 11. den Juſtinian, jedoch emendirte er etwas beſcheidener. Er lieſet naͤmlich folgender- maßen: quod, ut aliis liberis, qui ex eodem matrimonio po- ſtea fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Mehrere Emendationen anderer Rechtsgelehrten findet man beym Gebauer in dem angefuͤhrten Excurs. IV. ad Inſtit. Allein die neuern Ausleger halten wegen der uͤbereinſtimmen- den Leſeart aller Handſchriften eine Aenderung im Text theils fuͤr unſchicklich, theils aber auch fuͤr unnoͤthig. Man ſehe püttmann Interpretat. et Obſerv. cap. 15. Wenn es in den mehrgedachten Worten des §. ult. 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1. Buch. 6. Tit. §. 143.
welcher er vorher auſſer der Ehe Kinder gezeugt hatte 92).
Vor den Zeiten Juſtinians ſetzte dieſelbe als Bedingung
vor-
92) Hierher gehoͤrt vorzuͤglich der raͤtzelhafte §. 13. I. de nupt.
wo Juſtinian nicht nur ſeiner eigenen Verordnung zu-
ſchreibt, daß natuͤrliche Kinder dadurch, daß ihr Vater die
Concubine, mit welcher er ſie erzeugt hat, dotalibus inſtru-
mentis compoſitis, heyrathet, in die vaͤterliche Gewalt gebracht
wuͤrden, ſondern auch noch hinzufuͤgt: Quod et aliis liberis,
qui ex eodem matrimonio fuerint procreati, ſimiliter noſtra
conſtitutio praebuit. Dieſe Worte haben den Auslegern bey-
nahe unuͤberwindliche Schwierigkeiten verurſacht. Denn es
verſteht ſich ja von ſelbſt, ſagt man, daß die Kinder, die ich
mit meiner ehemaligen Concubine nun in rechtmaͤſiger Ehe
zeuge, in meiner vaͤterlichen Gewalt ſind, was brauchte Ju-
ſtinian ſolches beſonders zu verordnen? Man hat alſo hier
eine Ungereimtheit zu entdecken vermeint, die anders nicht, als
durch Emendation, gehoben werden koͤnne. Cujaz las da-
her zuerſt: Quod, ſi alii liberi ex eodem matrimonio fuerint
procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit. Nun ſey der
Sinn folgender. Es ſolle keine Aenderung der durch die Le-
gitimation einmal erworbenen Rechte machen, wenn gleich
hernach in derſelbigen Ehe noch mehr Kinder waͤren gezeugt
worden. Dieſe ſollten ihrer ehelichen Geburt halber keinen
Vorzug vor jenen haben. So verſtand auch Bynkershoͤk
lib. II. Obſerv. iur. Rom. cap. 11. den Juſtinian, jedoch
emendirte er etwas beſcheidener. Er lieſet naͤmlich folgender-
maßen: quod, ut aliis liberis, qui ex eodem matrimonio po-
ſtea fuerint procreati, ſimiliter noſtra conſtitutio praebuit.
Mehrere Emendationen anderer Rechtsgelehrten findet man
beym Gebauer in dem angefuͤhrten Excurs. IV. ad Inſtit.
Allein die neuern Ausleger halten wegen der uͤbereinſtimmen-
den Leſeart aller Handſchriften eine Aenderung im Text theils
fuͤr unſchicklich, theils aber auch fuͤr unnoͤthig. Man ſehe
püttmann Interpretat. et Obſerv. cap. 15. Wenn es in den
mehrgedachten Worten des §. ult. Inſtit. ſtatt fuerint procrea-
ti hieße fuerint editi, ſo wuͤrde ich geneigt ſeyn zu glauben,
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