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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 6. Tit. §. 140.
für den Vater und zu dessen Nutzen eingeführt. Sie
war vor K. Constantins Zeiten gar nicht üblich, nur
einige wenige Beyspiele finden wir, da die römischen Kai-
ser zuweilen uneheliche Kinder aus bloßer Gnade und
extra ordinem durch ein Rescript für legitim erklärt
haben 48). Allein K. Constantin der Große verordne-
te zuerst, daß wenn ein Römer seine Concubine, falls
solche eine freye Person ist, heyrathen würde, die mit
ihr erzeugten Kinder für ehelich gehalten werden, und
der Vater die väterliche Gewalt über sie erhalten soll-
te 49). Die Absicht des Kaisers dabey war, den Con-
cubinat, welcher damalen so sehr überhand genommen
hatte, und welchen er den Grundsätzen der christlichen
Religion zuwider hielt, wenigstens zu schwächen, da er
denselben auf einmal abzuschaffen ganz unmöglich fand.
Er suchte also die Bürger, durch die ihnen verheissene
Wohlthat zu Schliessung rechtmäsiger Ehen mit ihren
Concubinen anzureizen 50). Und damit er seine Absicht
desto eher erreichen möchte, schränkte er nicht nur das
Recht der natürlichen Kinder, aus den Testamenten ih-
rer Eltern etwas erben zu können, ausserordentlich ein 51);

sondern
48) livius lib. XXXVIII. cap. 36. marcian. L. 57. §. 1.
D. de ritu nupt.
49) Die Verordnung selbst findet sich zwar im Codex nicht, allein
man erkennt ihren Inhalt aus der Verordnung des K. Zeno
in L. 5. C. de nat. liberis, wo jener Erwähnung geschiehet,
und selbige erneuert wird.
50) heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Poppaeam.
Lib. II. cap. IV.
§. 5.
51) Praevidebat enim Imperator, schreibt heineccius a. a. O.
p. 174. parentes aegre laturos hanc liberorum conditionem,
et cum concubina potius facturos iustas nuptias, quam ut eam
liberosque ex se natos, se mortuis in mendicitate vivere pate-

rentur.

1. Buch. 6. Tit. §. 140.
fuͤr den Vater und zu deſſen Nutzen eingefuͤhrt. Sie
war vor K. Conſtantins Zeiten gar nicht uͤblich, nur
einige wenige Beyſpiele finden wir, da die roͤmiſchen Kai-
ſer zuweilen uneheliche Kinder aus bloßer Gnade und
extra ordinem durch ein Reſcript fuͤr legitim erklaͤrt
haben 48). Allein K. Conſtantin der Große verordne-
te zuerſt, daß wenn ein Roͤmer ſeine Concubine, falls
ſolche eine freye Perſon iſt, heyrathen wuͤrde, die mit
ihr erzeugten Kinder fuͤr ehelich gehalten werden, und
der Vater die vaͤterliche Gewalt uͤber ſie erhalten ſoll-
te 49). Die Abſicht des Kaiſers dabey war, den Con-
cubinat, welcher damalen ſo ſehr uͤberhand genommen
hatte, und welchen er den Grundſaͤtzen der chriſtlichen
Religion zuwider hielt, wenigſtens zu ſchwaͤchen, da er
denſelben auf einmal abzuſchaffen ganz unmoͤglich fand.
Er ſuchte alſo die Buͤrger, durch die ihnen verheiſſene
Wohlthat zu Schlieſſung rechtmaͤſiger Ehen mit ihren
Concubinen anzureizen 50). Und damit er ſeine Abſicht
deſto eher erreichen moͤchte, ſchraͤnkte er nicht nur das
Recht der natuͤrlichen Kinder, aus den Teſtamenten ih-
rer Eltern etwas erben zu koͤnnen, auſſerordentlich ein 51);

ſondern
48) livius lib. XXXVIII. cap. 36. marcian. L. 57. §. 1.
D. de ritu nupt.
49) Die Verordnung ſelbſt findet ſich zwar im Codex nicht, allein
man erkennt ihren Inhalt aus der Verordnung des K. Zeno
in L. 5. C. de nat. liberis, wo jener Erwaͤhnung geſchiehet,
und ſelbige erneuert wird.
50) heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Poppaeam.
Lib. II. cap. IV.
§. 5.
51) Praevidebat enim Imperator, ſchreibt heineccius a. a. O.
p. 174. parentes aegre laturos hanc liberorum conditionem,
et cum concubina potius facturos iuſtas nuptias, quam ut eam
liberosque ex ſe natos, ſe mortuis in mendicitate vivere pate-

rentur.
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[244/0258] 1. Buch. 6. Tit. §. 140. fuͤr den Vater und zu deſſen Nutzen eingefuͤhrt. Sie war vor K. Conſtantins Zeiten gar nicht uͤblich, nur einige wenige Beyſpiele finden wir, da die roͤmiſchen Kai- ſer zuweilen uneheliche Kinder aus bloßer Gnade und extra ordinem durch ein Reſcript fuͤr legitim erklaͤrt haben 48). Allein K. Conſtantin der Große verordne- te zuerſt, daß wenn ein Roͤmer ſeine Concubine, falls ſolche eine freye Perſon iſt, heyrathen wuͤrde, die mit ihr erzeugten Kinder fuͤr ehelich gehalten werden, und der Vater die vaͤterliche Gewalt uͤber ſie erhalten ſoll- te 49). Die Abſicht des Kaiſers dabey war, den Con- cubinat, welcher damalen ſo ſehr uͤberhand genommen hatte, und welchen er den Grundſaͤtzen der chriſtlichen Religion zuwider hielt, wenigſtens zu ſchwaͤchen, da er denſelben auf einmal abzuſchaffen ganz unmoͤglich fand. Er ſuchte alſo die Buͤrger, durch die ihnen verheiſſene Wohlthat zu Schlieſſung rechtmaͤſiger Ehen mit ihren Concubinen anzureizen 50). Und damit er ſeine Abſicht deſto eher erreichen moͤchte, ſchraͤnkte er nicht nur das Recht der natuͤrlichen Kinder, aus den Teſtamenten ih- rer Eltern etwas erben zu koͤnnen, auſſerordentlich ein 51); ſondern 48) livius lib. XXXVIII. cap. 36. marcian. L. 57. §. 1. D. de ritu nupt. 49) Die Verordnung ſelbſt findet ſich zwar im Codex nicht, allein man erkennt ihren Inhalt aus der Verordnung des K. Zeno in L. 5. C. de nat. liberis, wo jener Erwaͤhnung geſchiehet, und ſelbige erneuert wird. 50) heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap. Poppaeam. Lib. II. cap. IV. §. 5. 51) Praevidebat enim Imperator, ſchreibt heineccius a. a. O. p. 174. parentes aegre laturos hanc liberorum conditionem, et cum concubina potius facturos iuſtas nuptias, quam ut eam liberosque ex ſe natos, ſe mortuis in mendicitate vivere pate- rentur.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/258>, abgerufen am 23.11.2024.