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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 5. Tit. §. 120.

III) Auch die Kinder der Leibeigenen
dürfen ohne ausdrückliche Einwilligung
der Herrschaft, keine andere Lebensart,
als diejenige, worinn sie gebohren wer-
den, erwählen, und können sich daher unter
diesem Vorwande der Unterthänigkeit
nicht entziehen
. Haben sie sich wider der Herr-
schaft Willen zu einer Profeßion begeben, so hat es kei-
nen Zweifel, daß sie als Flüchtlinge abgefordert werden
können. Hätte sich aber ein Unterthan ohne ausdrückli-
che Einwilligung des Gutsherrn dem Studiren gewidmet,
so kann zwar derselbe, wenn er die Studien bereits ab-
solviret haben sollte, wegen des Vorrechts der höhern
Wissenschaften, davon nicht zurückgenommen werden; in-
zwischen liegt ihm doch allerdings ob, dem Herrn, wenn
solcher nach der Strenge mit ihm verfahren will, vor
seine Freylassung ein billiges Loßgeld zu erlegen. Denn
daß der Leibeigne auch hierdurch das dem Leibherrn auf
seine Person zustehende unwidersprechliche Eigenthums-
recht wider desselben Willen nicht benehmen könne, wird
mir jeder zugeben.

IV) Kein Leibeigener Unterthan, er sey
männlichen oder weiblichen Geschlechts
darf sich ohne Vorbewußt und Einwilli-
gung der Gutsherrschaft verheyrathen
.
Für diesen Conseus muß er ein Stück Geld bezahlen,
welches Bedemund, Frauenzins, Klauenthaler, ma-
ritagium
, marchetta
13), genennt wird. Solche Ehen ha-
ben die Wirkungen rechtmäsiger Ehen, und geben dem

leib-
13) Die Etymologie dieser Wörter untersucht Io. Guil. hoff-
mann
Observation iuris germ. Lib. I. cap. VII.
S. 81. u. folg.
Man vergleiche auch grupen in uxore Theodisca cap. I.
1. Buch. 5. Tit. §. 120.

III) Auch die Kinder der Leibeigenen
duͤrfen ohne ausdruͤckliche Einwilligung
der Herrſchaft, keine andere Lebensart,
als diejenige, worinn ſie gebohren wer-
den, erwaͤhlen, und koͤnnen ſich daher unter
dieſem Vorwande der Unterthaͤnigkeit
nicht entziehen
. Haben ſie ſich wider der Herr-
ſchaft Willen zu einer Profeßion begeben, ſo hat es kei-
nen Zweifel, daß ſie als Fluͤchtlinge abgefordert werden
koͤnnen. Haͤtte ſich aber ein Unterthan ohne ausdruͤckli-
che Einwilligung des Gutsherrn dem Studiren gewidmet,
ſo kann zwar derſelbe, wenn er die Studien bereits ab-
ſolviret haben ſollte, wegen des Vorrechts der hoͤhern
Wiſſenſchaften, davon nicht zuruͤckgenommen werden; in-
zwiſchen liegt ihm doch allerdings ob, dem Herrn, wenn
ſolcher nach der Strenge mit ihm verfahren will, vor
ſeine Freylaſſung ein billiges Loßgeld zu erlegen. Denn
daß der Leibeigne auch hierdurch das dem Leibherrn auf
ſeine Perſon zuſtehende unwiderſprechliche Eigenthums-
recht wider deſſelben Willen nicht benehmen koͤnne, wird
mir jeder zugeben.

IV) Kein Leibeigener Unterthan, er ſey
maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts
darf ſich ohne Vorbewußt und Einwilli-
gung der Gutsherrſchaft verheyrathen
.
Fuͤr dieſen Conſeus muß er ein Stuͤck Geld bezahlen,
welches Bedemund, Frauenzins, Klauenthaler, ma-
ritagium
, marchetta
13), genennt wird. Solche Ehen ha-
ben die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen, und geben dem

leib-
13) Die Etymologie dieſer Woͤrter unterſucht Io. Guil. hoff-
mann
Obſervation iuris germ. Lib. I. cap. VII.
S. 81. u. folg.
Man vergleiche auch grupen in uxore Theodisca cap. I.
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[138/0152] 1. Buch. 5. Tit. §. 120. III) Auch die Kinder der Leibeigenen duͤrfen ohne ausdruͤckliche Einwilligung der Herrſchaft, keine andere Lebensart, als diejenige, worinn ſie gebohren wer- den, erwaͤhlen, und koͤnnen ſich daher unter dieſem Vorwande der Unterthaͤnigkeit nicht entziehen. Haben ſie ſich wider der Herr- ſchaft Willen zu einer Profeßion begeben, ſo hat es kei- nen Zweifel, daß ſie als Fluͤchtlinge abgefordert werden koͤnnen. Haͤtte ſich aber ein Unterthan ohne ausdruͤckli- che Einwilligung des Gutsherrn dem Studiren gewidmet, ſo kann zwar derſelbe, wenn er die Studien bereits ab- ſolviret haben ſollte, wegen des Vorrechts der hoͤhern Wiſſenſchaften, davon nicht zuruͤckgenommen werden; in- zwiſchen liegt ihm doch allerdings ob, dem Herrn, wenn ſolcher nach der Strenge mit ihm verfahren will, vor ſeine Freylaſſung ein billiges Loßgeld zu erlegen. Denn daß der Leibeigne auch hierdurch das dem Leibherrn auf ſeine Perſon zuſtehende unwiderſprechliche Eigenthums- recht wider deſſelben Willen nicht benehmen koͤnne, wird mir jeder zugeben. IV) Kein Leibeigener Unterthan, er ſey maͤnnlichen oder weiblichen Geſchlechts darf ſich ohne Vorbewußt und Einwilli- gung der Gutsherrſchaft verheyrathen. Fuͤr dieſen Conſeus muß er ein Stuͤck Geld bezahlen, welches Bedemund, Frauenzins, Klauenthaler, ma- ritagium, marchetta 13), genennt wird. Solche Ehen ha- ben die Wirkungen rechtmaͤſiger Ehen, und geben dem leib- 13) Die Etymologie dieſer Woͤrter unterſucht Io. Guil. hoff- mann Obſervation iuris germ. Lib. I. cap. VII. S. 81. u. folg. Man vergleiche auch grupen in uxore Theodisca cap. I.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/152>, abgerufen am 23.11.2024.