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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 5. Tit. §. 117.
auf die Zernichtung eines rechtlichen Geschäfts dringt 59).
Ob nun gleich die Albernheit aus den Handlungen und
äusserlichen Kennzeichen beurtheilt werden muß, so geben
jedoch alberne Verordnungen eines Testierers nicht immer
einen zureichenden Beweiß einer vermuthlichen Wahnsin-
nigkeit desselben, indem vielmehr unsere Gesetze zu Gun-
sten der letzten Willensverordnungen solche vielfältig für
nicht geschrieben gehalten wissen wollen, um das Testa-
ment bey Kräften zu erhalten 60).

b) Ist es jedoch einmal entschieden, daß ein Mensch
wirklich verrückt sey, so vermuthet man, daß er es im-
mer sey, bis erwiesen worden, daß er Zwischenräume
habe, wo er, von der Wahnwitzigkeit befreyt, seines
Verstandes wieder mächtig ist 61). Hierzu ist das Zeug-
niß des Richters oder Notarius hinreichend, wenn das
Geschäft des Blödsinnigen, von dessen Gültigkeit die
Frage ist, zur Zeit eines solchen vernünftigen Zwischen-
raums vor selbigen vollzogen worden ist. Sonst aber wird
das Zeugniß und Gutachten eines Arztes erfordert. Die-
ses muß jedoch umständlich die körperliche Beschaffenheit,
die Reden oder Handlungen enthalten, woraus der gesun-
de Verstand geschlossen werden soll 62). Ein Beweiß,

der
59) L. 5. Cod. de codicill.
60) Beyspiele hiervon geben L. 45. D. de beredib. instit. L. 113.
§. 5. D. de legat. 1. L. 40. §. 2. D. de auro arg. mund.

Man vergleiche übrigens Marq. freher Verisimil. Lib. I.
c. 26. in Thes. iur. Rom. Ottoniano T. I. p.
898. und H. Prof.
püttmanni Disp. de ineptis morientium voluntatibus. Lipsiae
1774.
61) Christ. thomasii Diss. de praesumtione furoris atque de-
mentiae. Halae
1719.
62) S. Io. Zach. platneri Progr. medicos de insanis et fu-
riosis audiendos esse, in schlegel Collect. opuscul. select.
ad medicin. forens. spectant. Vol. II. N. X.

1. Buch. 5. Tit. §. 117.
auf die Zernichtung eines rechtlichen Geſchaͤfts dringt 59).
Ob nun gleich die Albernheit aus den Handlungen und
aͤuſſerlichen Kennzeichen beurtheilt werden muß, ſo geben
jedoch alberne Verordnungen eines Teſtierers nicht immer
einen zureichenden Beweiß einer vermuthlichen Wahnſin-
nigkeit deſſelben, indem vielmehr unſere Geſetze zu Gun-
ſten der letzten Willensverordnungen ſolche vielfaͤltig fuͤr
nicht geſchrieben gehalten wiſſen wollen, um das Teſta-
ment bey Kraͤften zu erhalten 60).

b) Iſt es jedoch einmal entſchieden, daß ein Menſch
wirklich verruͤckt ſey, ſo vermuthet man, daß er es im-
mer ſey, bis erwieſen worden, daß er Zwiſchenraͤume
habe, wo er, von der Wahnwitzigkeit befreyt, ſeines
Verſtandes wieder maͤchtig iſt 61). Hierzu iſt das Zeug-
niß des Richters oder Notarius hinreichend, wenn das
Geſchaͤft des Bloͤdſinnigen, von deſſen Guͤltigkeit die
Frage iſt, zur Zeit eines ſolchen vernuͤnftigen Zwiſchen-
raums vor ſelbigen vollzogen worden iſt. Sonſt aber wird
das Zeugniß und Gutachten eines Arztes erfordert. Die-
ſes muß jedoch umſtaͤndlich die koͤrperliche Beſchaffenheit,
die Reden oder Handlungen enthalten, woraus der geſun-
de Verſtand geſchloſſen werden ſoll 62). Ein Beweiß,

der
59) L. 5. Cod. de codicill.
60) Beyſpiele hiervon geben L. 45. D. de beredib. inſtit. L. 113.
§. 5. D. de legat. 1. L. 40. §. 2. D. de auro arg. mund.

Man vergleiche uͤbrigens Marq. freher Veriſimil. Lib. I.
c. 26. in Theſ. iur. Rom. Ottoniano T. I. p.
898. und H. Prof.
püttmanni Diſp. de ineptis morientium voluntatibus. Lipſiae
1774.
61) Chriſt. thomasii Diſſ. de praeſumtione furoris atque de-
mentiae. Halae
1719.
62) S. Io. Zach. platneri Progr. medicos de inſanis et fu-
rioſis audiendos eſſe, in schlegel Collect. opuſcul. ſelect.
ad medicin. forens. ſpectant. Vol. II. N. X.
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[126/0140] 1. Buch. 5. Tit. §. 117. auf die Zernichtung eines rechtlichen Geſchaͤfts dringt 59). Ob nun gleich die Albernheit aus den Handlungen und aͤuſſerlichen Kennzeichen beurtheilt werden muß, ſo geben jedoch alberne Verordnungen eines Teſtierers nicht immer einen zureichenden Beweiß einer vermuthlichen Wahnſin- nigkeit deſſelben, indem vielmehr unſere Geſetze zu Gun- ſten der letzten Willensverordnungen ſolche vielfaͤltig fuͤr nicht geſchrieben gehalten wiſſen wollen, um das Teſta- ment bey Kraͤften zu erhalten 60). b) Iſt es jedoch einmal entſchieden, daß ein Menſch wirklich verruͤckt ſey, ſo vermuthet man, daß er es im- mer ſey, bis erwieſen worden, daß er Zwiſchenraͤume habe, wo er, von der Wahnwitzigkeit befreyt, ſeines Verſtandes wieder maͤchtig iſt 61). Hierzu iſt das Zeug- niß des Richters oder Notarius hinreichend, wenn das Geſchaͤft des Bloͤdſinnigen, von deſſen Guͤltigkeit die Frage iſt, zur Zeit eines ſolchen vernuͤnftigen Zwiſchen- raums vor ſelbigen vollzogen worden iſt. Sonſt aber wird das Zeugniß und Gutachten eines Arztes erfordert. Die- ſes muß jedoch umſtaͤndlich die koͤrperliche Beſchaffenheit, die Reden oder Handlungen enthalten, woraus der geſun- de Verſtand geſchloſſen werden ſoll 62). Ein Beweiß, der 59) L. 5. Cod. de codicill. 60) Beyſpiele hiervon geben L. 45. D. de beredib. inſtit. L. 113. §. 5. D. de legat. 1. L. 40. §. 2. D. de auro arg. mund. Man vergleiche uͤbrigens Marq. freher Veriſimil. Lib. I. c. 26. in Theſ. iur. Rom. Ottoniano T. I. p. 898. und H. Prof. püttmanni Diſp. de ineptis morientium voluntatibus. Lipſiae 1774. 61) Chriſt. thomasii Diſſ. de praeſumtione furoris atque de- mentiae. Halae 1719. 62) S. Io. Zach. platneri Progr. medicos de inſanis et fu- rioſis audiendos eſſe, in schlegel Collect. opuſcul. ſelect. ad medicin. forens. ſpectant. Vol. II. N. X.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/140>, abgerufen am 23.11.2024.