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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791.

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1. Buch. 5. Tit. §. 116.
der Natur entgegenstreiten würde 71). Nach Maasgebung
dieser Grundsätze können nun noch allerhand wichtige
Rechtsfragen mit leichter Mühe entschieden werden.

Man setze, eine Witwe habe sich gleich im ersten
Monat nach des Mannes Tode wieder verheyrathet, und
nach sieben oder acht Monaten, von dieser zweyten Hoch-
zeit an gerechnet, ein Kind gebohren 72). Nun entsteht
die Frage, für wessen Kind der Partus zu halten sey? für
des verstorbenen, oder des gegenwärtigen Mannes Kind?
Es kommt darauf an: ob das nach sieben oder acht Mo-
naten in der zweyten Ehe gebohrne Kind, völlig reif
sey, oder nicht, im erstern Fall ist anzunehmen, daß es

von
habent, et labores in utero non diu ante toleraverunt, ut te-
nues evaserint.
Ueberhaupt hat auch die Unvollkommenheit
eines siebenmonatlichen Kindes, gegen ein neunmonatliches
gehalten, schon das ganze Alterthum erkannt, wie fabrot-
tus
de iusto partu, in ottonis Thes. Iur. Rom. T. III.
p.
1162. erwiesen hat.
71) Man vergleiche hier de cocceii ius controvers. lib. I. T. VI.
Qu. 3. a verbis: Astalia quaestio est, an septimo coniugii
mense editus pro legitimo sit habendus?
pag.
79. vorzüglich
aber Pet. Ludw. rehrmann in Comment. de termino nas-
cendi naturali unico filiationis et paternitatis fundamento. Goet-
tingae
1784.
72) Die Rechtsgelehrten haben bey Entscheidung dieser Rechts-
frage viele Schwierigkeiten gefunden. Man findet die ver-
schiedenen Meinungen in der unter Io. Guolfgang. kippingii
Vorsitze von Joh. Kopp vertheidigten Diss. de partu dubio,
quem scilicet vidua intra dies lugubres enixa est. Helmstadii

1744. Er selbst hält §. XII. dafür, daß nach der Regel:
pater est, quem iustae nuptiae demonstrant, im Zweifel der ge-
genwärtige Ehemann für den Vater des Kindes zu halten
sey. Allein es kommt hier zunächst auf die Beschaffenheit des
Kindes an, ob dieses reif oder noch unreif ist.

1. Buch. 5. Tit. §. 116.
der Natur entgegenſtreiten wuͤrde 71). Nach Maasgebung
dieſer Grundſaͤtze koͤnnen nun noch allerhand wichtige
Rechtsfragen mit leichter Muͤhe entſchieden werden.

Man ſetze, eine Witwe habe ſich gleich im erſten
Monat nach des Mannes Tode wieder verheyrathet, und
nach ſieben oder acht Monaten, von dieſer zweyten Hoch-
zeit an gerechnet, ein Kind gebohren 72). Nun entſteht
die Frage, fuͤr weſſen Kind der Partus zu halten ſey? fuͤr
des verſtorbenen, oder des gegenwaͤrtigen Mannes Kind?
Es kommt darauf an: ob das nach ſieben oder acht Mo-
naten in der zweyten Ehe gebohrne Kind, voͤllig reif
ſey, oder nicht, im erſtern Fall iſt anzunehmen, daß es

von
habent, et labores in utero non diu ante toleraverunt, ut te-
nues evaſerint.
Ueberhaupt hat auch die Unvollkommenheit
eines ſiebenmonatlichen Kindes, gegen ein neunmonatliches
gehalten, ſchon das ganze Alterthum erkannt, wie fabrot-
tus
de iuſto partu, in ottonis Theſ. Iur. Rom. T. III.
p.
1162. erwieſen hat.
71) Man vergleiche hier de cocceii ius controvers. lib. I. T. VI.
Qu. 3. a verbis: Aſtalia quaeſtio eſt, an ſeptimo coniugii
menſe editus pro legitimo ſit habendus?
pag.
79. vorzuͤglich
aber Pet. Ludw. rehrmann in Comment. de termino naſ-
cendi naturali unico filiationis et paternitatis fundamento. Goet-
tingae
1784.
72) Die Rechtsgelehrten haben bey Entſcheidung dieſer Rechts-
frage viele Schwierigkeiten gefunden. Man findet die ver-
ſchiedenen Meinungen in der unter Io. Guolfgang. kippingii
Vorſitze von Joh. Kopp vertheidigten Diſſ. de partu dubio,
quem ſcilicet vidua intra dies lugubres enixa eſt. Helmſtadii

1744. Er ſelbſt haͤlt §. XII. dafuͤr, daß nach der Regel:
pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant, im Zweifel der ge-
genwaͤrtige Ehemann fuͤr den Vater des Kindes zu halten
ſey. Allein es kommt hier zunaͤchſt auf die Beſchaffenheit des
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[100/0114] 1. Buch. 5. Tit. §. 116. der Natur entgegenſtreiten wuͤrde 71). Nach Maasgebung dieſer Grundſaͤtze koͤnnen nun noch allerhand wichtige Rechtsfragen mit leichter Muͤhe entſchieden werden. Man ſetze, eine Witwe habe ſich gleich im erſten Monat nach des Mannes Tode wieder verheyrathet, und nach ſieben oder acht Monaten, von dieſer zweyten Hoch- zeit an gerechnet, ein Kind gebohren 72). Nun entſteht die Frage, fuͤr weſſen Kind der Partus zu halten ſey? fuͤr des verſtorbenen, oder des gegenwaͤrtigen Mannes Kind? Es kommt darauf an: ob das nach ſieben oder acht Mo- naten in der zweyten Ehe gebohrne Kind, voͤllig reif ſey, oder nicht, im erſtern Fall iſt anzunehmen, daß es von 70) 71) Man vergleiche hier de cocceii ius controvers. lib. I. T. VI. Qu. 3. a verbis: Aſtalia quaeſtio eſt, an ſeptimo coniugii menſe editus pro legitimo ſit habendus? pag. 79. vorzuͤglich aber Pet. Ludw. rehrmann in Comment. de termino naſ- cendi naturali unico filiationis et paternitatis fundamento. Goet- tingae 1784. 72) Die Rechtsgelehrten haben bey Entſcheidung dieſer Rechts- frage viele Schwierigkeiten gefunden. Man findet die ver- ſchiedenen Meinungen in der unter Io. Guolfgang. kippingii Vorſitze von Joh. Kopp vertheidigten Diſſ. de partu dubio, quem ſcilicet vidua intra dies lugubres enixa eſt. Helmſtadii 1744. Er ſelbſt haͤlt §. XII. dafuͤr, daß nach der Regel: pater eſt, quem iuſtae nuptiae demonſtrant, im Zweifel der ge- genwaͤrtige Ehemann fuͤr den Vater des Kindes zu halten ſey. Allein es kommt hier zunaͤchſt auf die Beſchaffenheit des Kindes an, ob dieſes reif oder noch unreif iſt. 70) habent, et labores in utero non diu ante toleraverunt, ut te- nues evaſerint. Ueberhaupt hat auch die Unvollkommenheit eines ſiebenmonatlichen Kindes, gegen ein neunmonatliches gehalten, ſchon das ganze Alterthum erkannt, wie fabrot- tus de iuſto partu, in ottonis Theſ. Iur. Rom. T. III. p. 1162. erwieſen hat.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1791, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten02_1791/114>, abgerufen am 23.11.2024.