Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Iustitia et Iure.
Wirkung seyn, denen der Gebrauch des Verstandes, und
mithin die Freyheit des Willens abgehet. Es können
daher rasende und wahnwitzige Personen wegen begangener
Verbrechen so wenig bestraft, als eigentlich zur Scha-
densersetzung angehalten werde 14). Obgleich die Ver-
gütung dieses Schadens actione ex lege Aquilia von
denen allerdings gefordert werden kann, denen die Auf-
sicht über solche Persohnen gegeben war, wenn durch
deren Nachlässigkeit und Verwahrlosung dieser Schade
hauptsächlich angerichtet worden 15).

§. 9.
Können auch Religionshandlungen ein Gegenstand der
gesetzgebenden Gewalt seyn?

Der Satz, der in diesem §. enthalten ist, daß
nehmlich alle äusserliche willkührliche freye Handlungen
der Menschen, ohne Unterschied, sie mögen Religions-
handlungen oder weltliche Handlungen seyn, denen Ge-
setzen unterworfen sind, könnte uns reichen Stof zu ei-
ner Abhandlung über die Grenzen der gesetzgebenden Ge-
walt in Ansehung der Religionshandlungen darbiethen,
wenn hier der Ort dazu wäre. Ich werde daher hier
diesen Gegenstand nur in soferne berühren, als etwa zur
Erläuterung dieses §. nöthig seyn möchte. Es kommt
bey der Frage, ob und in wiefern Religions-
handlungen ein Gegenstand der Gesetze sind

sowohl auf die Beschaffenheit dergleichen Handlungen
selbst, als auf die Art und Weise an, wie die gese[tz]ge-
bende Gewalt in Ansehung solcher Handlungen ausg[e]übt
wird. Man nennt bekanntermassen Religionsh[a]nd-

lungen
14) S. Quistorp in den Grundsätzen des peinl.
Rechts
. Th. I. §. 38.
15) Hellfeld §. 38.

de Iuſtitia et Iure.
Wirkung ſeyn, denen der Gebrauch des Verſtandes, und
mithin die Freyheit des Willens abgehet. Es koͤnnen
daher raſende und wahnwitzige Perſonen wegen begangener
Verbrechen ſo wenig beſtraft, als eigentlich zur Scha-
denserſetzung angehalten werde 14). Obgleich die Ver-
guͤtung dieſes Schadens actione ex lege Aquilia von
denen allerdings gefordert werden kann, denen die Auf-
ſicht uͤber ſolche Perſohnen gegeben war, wenn durch
deren Nachlaͤſſigkeit und Verwahrloſung dieſer Schade
hauptſaͤchlich angerichtet worden 15).

§. 9.
Koͤnnen auch Religionshandlungen ein Gegenſtand der
geſetzgebenden Gewalt ſeyn?

Der Satz, der in dieſem §. enthalten iſt, daß
nehmlich alle aͤuſſerliche willkuͤhrliche freye Handlungen
der Menſchen, ohne Unterſchied, ſie moͤgen Religions-
handlungen oder weltliche Handlungen ſeyn, denen Ge-
ſetzen unterworfen ſind, koͤnnte uns reichen Stof zu ei-
ner Abhandlung uͤber die Grenzen der geſetzgebenden Ge-
walt in Anſehung der Religionshandlungen darbiethen,
wenn hier der Ort dazu waͤre. Ich werde daher hier
dieſen Gegenſtand nur in ſoferne beruͤhren, als etwa zur
Erlaͤuterung dieſes §. noͤthig ſeyn moͤchte. Es kommt
bey der Frage, ob und in wiefern Religions-
handlungen ein Gegenſtand der Geſetze ſind

ſowohl auf die Beſchaffenheit dergleichen Handlungen
ſelbſt, als auf die Art und Weiſe an, wie die geſe[tz]ge-
bende Gewalt in Anſehung ſolcher Handlungen ausg[e]uͤbt
wird. Man nennt bekanntermaſſen Religionsh[a]nd-

lungen
14) S. Quiſtorp in den Grundſaͤtzen des peinl.
Rechts
. Th. I. §. 38.
15) Hellfeld §. 38.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0095" n="75"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/>
Wirkung &#x017F;eyn, denen der Gebrauch des Ver&#x017F;tandes, und<lb/>
mithin die Freyheit des Willens abgehet. Es ko&#x0364;nnen<lb/>
daher ra&#x017F;ende und wahnwitzige Per&#x017F;onen wegen begangener<lb/>
Verbrechen &#x017F;o wenig be&#x017F;traft, als eigentlich zur Scha-<lb/>
denser&#x017F;etzung angehalten werde <note place="foot" n="14)">S. Qui&#x017F;torp <hi rendition="#g">in den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen des peinl.<lb/>
Rechts</hi>. Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 38.</note>. Obgleich die Ver-<lb/>
gu&#x0364;tung die&#x017F;es Schadens <hi rendition="#aq">actione ex lege Aquilia</hi> von<lb/>
denen allerdings gefordert werden kann, denen die Auf-<lb/>
&#x017F;icht u&#x0364;ber &#x017F;olche Per&#x017F;ohnen gegeben war, wenn durch<lb/>
deren Nachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit und Verwahrlo&#x017F;ung die&#x017F;er Schade<lb/>
haupt&#x017F;a&#x0364;chlich angerichtet worden <note place="foot" n="15)">Hellfeld §. 38.</note>.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 9.<lb/>
Ko&#x0364;nnen auch Religionshandlungen ein Gegen&#x017F;tand der<lb/>
ge&#x017F;etzgebenden Gewalt &#x017F;eyn?</head><lb/>
            <p>Der Satz, der in die&#x017F;em §. enthalten i&#x017F;t, daß<lb/>
nehmlich alle a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;erliche willku&#x0364;hrliche freye Handlungen<lb/>
der Men&#x017F;chen, ohne Unter&#x017F;chied, &#x017F;ie mo&#x0364;gen Religions-<lb/>
handlungen oder weltliche Handlungen &#x017F;eyn, denen Ge-<lb/>
&#x017F;etzen unterworfen &#x017F;ind, ko&#x0364;nnte uns reichen Stof zu ei-<lb/>
ner Abhandlung u&#x0364;ber die Grenzen der ge&#x017F;etzgebenden Ge-<lb/>
walt in An&#x017F;ehung der Religionshandlungen darbiethen,<lb/>
wenn hier der Ort dazu wa&#x0364;re. Ich werde daher hier<lb/>
die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand nur in &#x017F;oferne beru&#x0364;hren, als etwa zur<lb/>
Erla&#x0364;uterung die&#x017F;es §. no&#x0364;thig &#x017F;eyn mo&#x0364;chte. Es kommt<lb/>
bey der Frage, <hi rendition="#g">ob und in wiefern Religions-<lb/>
handlungen ein Gegen&#x017F;tand der Ge&#x017F;etze &#x017F;ind</hi><lb/>
&#x017F;owohl auf die Be&#x017F;chaffenheit dergleichen Handlungen<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, als auf die Art und Wei&#x017F;e an, wie die ge&#x017F;e<supplied>tz</supplied>ge-<lb/>
bende Gewalt in An&#x017F;ehung &#x017F;olcher Handlungen ausg<supplied>e</supplied>u&#x0364;bt<lb/>
wird. Man nennt bekannterma&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">Religionsh<supplied>a</supplied>nd-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">lungen</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0095] de Iuſtitia et Iure. Wirkung ſeyn, denen der Gebrauch des Verſtandes, und mithin die Freyheit des Willens abgehet. Es koͤnnen daher raſende und wahnwitzige Perſonen wegen begangener Verbrechen ſo wenig beſtraft, als eigentlich zur Scha- denserſetzung angehalten werde 14). Obgleich die Ver- guͤtung dieſes Schadens actione ex lege Aquilia von denen allerdings gefordert werden kann, denen die Auf- ſicht uͤber ſolche Perſohnen gegeben war, wenn durch deren Nachlaͤſſigkeit und Verwahrloſung dieſer Schade hauptſaͤchlich angerichtet worden 15). §. 9. Koͤnnen auch Religionshandlungen ein Gegenſtand der geſetzgebenden Gewalt ſeyn? Der Satz, der in dieſem §. enthalten iſt, daß nehmlich alle aͤuſſerliche willkuͤhrliche freye Handlungen der Menſchen, ohne Unterſchied, ſie moͤgen Religions- handlungen oder weltliche Handlungen ſeyn, denen Ge- ſetzen unterworfen ſind, koͤnnte uns reichen Stof zu ei- ner Abhandlung uͤber die Grenzen der geſetzgebenden Ge- walt in Anſehung der Religionshandlungen darbiethen, wenn hier der Ort dazu waͤre. Ich werde daher hier dieſen Gegenſtand nur in ſoferne beruͤhren, als etwa zur Erlaͤuterung dieſes §. noͤthig ſeyn moͤchte. Es kommt bey der Frage, ob und in wiefern Religions- handlungen ein Gegenſtand der Geſetze ſind ſowohl auf die Beſchaffenheit dergleichen Handlungen ſelbſt, als auf die Art und Weiſe an, wie die geſetzge- bende Gewalt in Anſehung ſolcher Handlungen ausgeuͤbt wird. Man nennt bekanntermaſſen Religionshand- lungen 14) S. Quiſtorp in den Grundſaͤtzen des peinl. Rechts. Th. I. §. 38. 15) Hellfeld §. 38.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/95
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/95>, abgerufen am 23.11.2024.