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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
Gesez seinen Unterthanen; wenn also ein paar Privat-
personen miteinander pacisciren, so ist dieser Vertrag
kein Gesez im eigentlichen Verstande, wenn auch gleich
eine vollkommene Verbindlichkeit, den Vertrag zu hal-
ten, daraus entstehen kann. 3) Ein Gesez enthält eine
Vorschrift des Oberherrn, wornach desselben Untertha-
nen ihre Handlungen einzurichten perfecte verbunden
sind. Man muß daher die Worte des Gesetzes, die
die Vorschrift des Gesezgebers enthalten (verba legis
dispositiva
) von denen in den Gesetzen häufig vorkom-
menden verbis enunciativis et relativis wohl unter-
scheiden; eine Bemerkung, die bey Anwendung der in
Teutschland aufgenommenen fremden, besonders der Rö-
mischen Gesetze, von größter Wichtigkeit ist. Man
pflegt zwar abusive alle einzelne Stellen in unserm
Römischen Rechtskörper leges zu nennen, allein, daß
unser Corpus iuris nicht wenig in sich fasse, so den
Nahmen eines eigentlichen Gesetzes gar nicht verdienet,
ist eine bekannte Wahrheit 65). So finden wir 1) in
demselben eine nicht geringe Anzahl solcher Stellen,
oder daß ich den einmahl üblichen Ausdruk beybehalte,
solcher Legum, in welchen nur blos angerathen wird,
etwas zu thun, oder zu unterlassen, ohne jedoch eine
vollkommene Verbindlichkeit aufzuerlegen, dieses in Aus-
übung zu bringen, (Suasiones legis) 66). Es rathet
z. B. die angeführte L. 1. §. 3. D. de peric. et com-

modo
65) Man vergleiche hier besonders des gelehrten Herrn
Prof. Webers Reflexionen zur Beförderung
einer gründlichen Theorie vom heutigen Ge-
brauch des Röm. Rechts
. (Schwerin, Wismar und
Büzow. 1782. 8.) S. 31. fg.
66) Von denen Suasionibus legum handeln Ge. Steph. wie-
sand
in Opusculis.
(Leipzig, 1782. 8.) p. 13. sqq.
und Iac. cuiacius ad L. 1. D. de Iust. et Iur.

1. Buch. 1. Tit.
Geſez ſeinen Unterthanen; wenn alſo ein paar Privat-
perſonen miteinander pacisciren, ſo iſt dieſer Vertrag
kein Geſez im eigentlichen Verſtande, wenn auch gleich
eine vollkommene Verbindlichkeit, den Vertrag zu hal-
ten, daraus entſtehen kann. 3) Ein Geſez enthaͤlt eine
Vorſchrift des Oberherrn, wornach deſſelben Untertha-
nen ihre Handlungen einzurichten perfecte verbunden
ſind. Man muß daher die Worte des Geſetzes, die
die Vorſchrift des Geſezgebers enthalten (verba legis
diſpoſitiva
) von denen in den Geſetzen haͤufig vorkom-
menden verbis enunciativis et relativis wohl unter-
ſcheiden; eine Bemerkung, die bey Anwendung der in
Teutſchland aufgenommenen fremden, beſonders der Roͤ-
miſchen Geſetze, von groͤßter Wichtigkeit iſt. Man
pflegt zwar abuſive alle einzelne Stellen in unſerm
Roͤmiſchen Rechtskoͤrper leges zu nennen, allein, daß
unſer Corpus iuris nicht wenig in ſich faſſe, ſo den
Nahmen eines eigentlichen Geſetzes gar nicht verdienet,
iſt eine bekannte Wahrheit 65). So finden wir 1) in
demſelben eine nicht geringe Anzahl ſolcher Stellen,
oder daß ich den einmahl uͤblichen Ausdruk beybehalte,
ſolcher Legum, in welchen nur blos angerathen wird,
etwas zu thun, oder zu unterlaſſen, ohne jedoch eine
vollkommene Verbindlichkeit aufzuerlegen, dieſes in Aus-
uͤbung zu bringen, (Suaſiones legis) 66). Es rathet
z. B. die angefuͤhrte L. 1. §. 3. D. de peric. et com-

modo
65) Man vergleiche hier beſonders des gelehrten Herrn
Prof. Webers Reflexionen zur Befoͤrderung
einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Ge-
brauch des Roͤm. Rechts
. (Schwerin, Wismar und
Buͤzow. 1782. 8.) S. 31. fg.
66) Von denen Suaſionibus legum handeln Ge. Steph. wie-
sand
in Opuſculis.
(Leipzig, 1782. 8.) p. 13. ſqq.
und Iac. cuiacius ad L. 1. D. de Iuſt. et Iur.
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[50/0070] 1. Buch. 1. Tit. Geſez ſeinen Unterthanen; wenn alſo ein paar Privat- perſonen miteinander pacisciren, ſo iſt dieſer Vertrag kein Geſez im eigentlichen Verſtande, wenn auch gleich eine vollkommene Verbindlichkeit, den Vertrag zu hal- ten, daraus entſtehen kann. 3) Ein Geſez enthaͤlt eine Vorſchrift des Oberherrn, wornach deſſelben Untertha- nen ihre Handlungen einzurichten perfecte verbunden ſind. Man muß daher die Worte des Geſetzes, die die Vorſchrift des Geſezgebers enthalten (verba legis diſpoſitiva) von denen in den Geſetzen haͤufig vorkom- menden verbis enunciativis et relativis wohl unter- ſcheiden; eine Bemerkung, die bey Anwendung der in Teutſchland aufgenommenen fremden, beſonders der Roͤ- miſchen Geſetze, von groͤßter Wichtigkeit iſt. Man pflegt zwar abuſive alle einzelne Stellen in unſerm Roͤmiſchen Rechtskoͤrper leges zu nennen, allein, daß unſer Corpus iuris nicht wenig in ſich faſſe, ſo den Nahmen eines eigentlichen Geſetzes gar nicht verdienet, iſt eine bekannte Wahrheit 65). So finden wir 1) in demſelben eine nicht geringe Anzahl ſolcher Stellen, oder daß ich den einmahl uͤblichen Ausdruk beybehalte, ſolcher Legum, in welchen nur blos angerathen wird, etwas zu thun, oder zu unterlaſſen, ohne jedoch eine vollkommene Verbindlichkeit aufzuerlegen, dieſes in Aus- uͤbung zu bringen, (Suaſiones legis) 66). Es rathet z. B. die angefuͤhrte L. 1. §. 3. D. de peric. et com- modo 65) Man vergleiche hier beſonders des gelehrten Herrn Prof. Webers Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Ge- brauch des Roͤm. Rechts. (Schwerin, Wismar und Buͤzow. 1782. 8.) S. 31. fg. 66) Von denen Suaſionibus legum handeln Ge. Steph. wie- sand in Opuſculis. (Leipzig, 1782. 8.) p. 13. ſqq. und Iac. cuiacius ad L. 1. D. de Iuſt. et Iur.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/70>, abgerufen am 27.11.2024.