Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite
de Constitutionibus Principum.
§. 96.
Von der Verbindungskraft landesherrlicher Edicte, Decrete
und Rescripte.

Was haben denn nun aber Edicte, Re-
scripte und Decrete der Regenten für ein
Ansehen?
Sind selbige ohne Unterschied als allge-
meine Gesetze
zu betrachten, dergestalt, daß auch die
landesherrlichen Decrete und Rescripte in allen ähn-
lichen Fällen wieder angewendet werden müssen? oder ist
nicht wenigstens in Ansehung dieser eine Ausnahme zu
machen? Wir müssen einen Unterschied machen. Soviel

I) die landesherrlichen Edicte anbetrift, so sind
diese ohnstreitig für alle Unterthanen verbindlich;
in so fern sie auf die gehörige Art bekannt gemacht wor-
den sind. Der Grund hiervon ist nicht, wie der Autor
meint, weil sie ein ganz neues Recht enthal-
ten;
Nein; die Fälle sind ja nicht selten, daß unsere
Landesherren durch ihre Edicte nur schon vorhandene be-
stättigen
oder erläutern; sondern der wahre Grund
der allgemeinen Verbindungskraft landesherrlicher Edicte
liegt in den Willen des Landesherrn selbst. Denn
Edicte werden ja lediglich in dieser Absicht bekannt ge-
macht, daß sie alle Unterthanen des Gesetzgebers verbin-
den sollen. Auch nach römischen Rechten hat dieß so
wenig Zweifel, daß sogar Verordnungen, welche sonst
nur ein Recht unter den Partheyen machten, dadurch
das Ansehen allgemeiner Gesetze erhielten, wenn denen-
selben die clausula Edicti inserirt worden 61). Was
aber


II) die
61) L. 3. C. de Legib. et Constit. et Edict. Leges ut generales
ab omnibus aequaliter in posterum observentur, quae vel mis-

sae
K k 4
de Conſtitutionibus Principum.
§. 96.
Von der Verbindungskraft landesherrlicher Edicte, Decrete
und Reſcripte.

Was haben denn nun aber Edicte, Re-
ſcripte und Decrete der Regenten fuͤr ein
Anſehen?
Sind ſelbige ohne Unterſchied als allge-
meine Geſetze
zu betrachten, dergeſtalt, daß auch die
landesherrlichen Decrete und Reſcripte in allen aͤhn-
lichen Faͤllen wieder angewendet werden muͤſſen? oder iſt
nicht wenigſtens in Anſehung dieſer eine Ausnahme zu
machen? Wir muͤſſen einen Unterſchied machen. Soviel

I) die landesherrlichen Edicte anbetrift, ſo ſind
dieſe ohnſtreitig fuͤr alle Unterthanen verbindlich;
in ſo fern ſie auf die gehoͤrige Art bekannt gemacht wor-
den ſind. Der Grund hiervon iſt nicht, wie der Autor
meint, weil ſie ein ganz neues Recht enthal-
ten;
Nein; die Faͤlle ſind ja nicht ſelten, daß unſere
Landesherren durch ihre Edicte nur ſchon vorhandene be-
ſtaͤttigen
oder erlaͤutern; ſondern der wahre Grund
der allgemeinen Verbindungskraft landesherrlicher Edicte
liegt in den Willen des Landesherrn ſelbſt. Denn
Edicte werden ja lediglich in dieſer Abſicht bekannt ge-
macht, daß ſie alle Unterthanen des Geſetzgebers verbin-
den ſollen. Auch nach roͤmiſchen Rechten hat dieß ſo
wenig Zweifel, daß ſogar Verordnungen, welche ſonſt
nur ein Recht unter den Partheyen machten, dadurch
das Anſehen allgemeiner Geſetze erhielten, wenn denen-
ſelben die clauſula Edicti inſerirt worden 61). Was
aber


II) die
61) L. 3. C. de Legib. et Conſtit. et Edict. Leges ut generales
ab omnibus aequaliter in poſterum obſerventur, quae vel miſ-

ſae
K k 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0537" n="517"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#aq">de Con&#x017F;titutionibus Principum.</hi> </fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 96.<lb/>
Von der Verbindungskraft landesherrlicher Edicte, Decrete<lb/>
und Re&#x017F;cripte.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#g">Was haben denn nun aber Edicte, Re-<lb/>
&#x017F;cripte und Decrete der Regenten fu&#x0364;r ein<lb/>
An&#x017F;ehen?</hi> Sind &#x017F;elbige ohne Unter&#x017F;chied als <hi rendition="#g">allge-<lb/>
meine Ge&#x017F;etze</hi> zu betrachten, derge&#x017F;talt, daß auch die<lb/>
landesherrlichen <hi rendition="#g">Decrete</hi> und <hi rendition="#g">Re&#x017F;cripte</hi> in allen a&#x0364;hn-<lb/>
lichen Fa&#x0364;llen wieder angewendet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en? oder i&#x017F;t<lb/>
nicht wenig&#x017F;tens in An&#x017F;ehung die&#x017F;er eine Ausnahme zu<lb/>
machen? Wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en einen Unter&#x017F;chied machen. Soviel</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">I</hi>) die landesherrlichen <hi rendition="#g">Edicte</hi> anbetrift, &#x017F;o &#x017F;ind<lb/>
die&#x017F;e ohn&#x017F;treitig <hi rendition="#g">fu&#x0364;r alle Unterthanen</hi> verbindlich;<lb/>
in &#x017F;o fern &#x017F;ie auf die geho&#x0364;rige Art bekannt gemacht wor-<lb/>
den &#x017F;ind. Der Grund hiervon i&#x017F;t nicht, wie der Autor<lb/>
meint, <hi rendition="#g">weil &#x017F;ie ein ganz neues Recht enthal-<lb/>
ten;</hi> Nein; die Fa&#x0364;lle &#x017F;ind ja nicht &#x017F;elten, daß un&#x017F;ere<lb/>
Landesherren durch ihre Edicte nur &#x017F;chon vorhandene <hi rendition="#g">be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ttigen</hi> oder <hi rendition="#g">erla&#x0364;utern;</hi> &#x017F;ondern der wahre Grund<lb/>
der allgemeinen Verbindungskraft landesherrlicher Edicte<lb/>
liegt in den <hi rendition="#g">Willen des Landesherrn</hi> &#x017F;elb&#x017F;t. Denn<lb/><hi rendition="#g">Edicte</hi> werden ja lediglich in die&#x017F;er Ab&#x017F;icht bekannt ge-<lb/>
macht, daß &#x017F;ie alle Unterthanen des Ge&#x017F;etzgebers verbin-<lb/>
den &#x017F;ollen. Auch nach ro&#x0364;mi&#x017F;chen Rechten hat dieß &#x017F;o<lb/>
wenig Zweifel, daß &#x017F;ogar Verordnungen, welche &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
nur ein Recht unter den Partheyen machten, dadurch<lb/>
das An&#x017F;ehen allgemeiner Ge&#x017F;etze erhielten, wenn denen-<lb/>
&#x017F;elben die <hi rendition="#aq">clau&#x017F;ula Edicti</hi> in&#x017F;erirt worden <note xml:id="seg2pn_83_1" next="#seg2pn_83_2" place="foot" n="61)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. 3. C. de Legib. et Con&#x017F;tit. et Edict.</hi> Leges ut <hi rendition="#i">generales</hi><lb/>
ab omnibus aequaliter in po&#x017F;terum ob&#x017F;erventur, quae vel mi&#x017F;-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">&#x017F;ae</hi></fw></note>. Was<lb/>
aber</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">K k 4</fw>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">II</hi>) die</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[517/0537] de Conſtitutionibus Principum. §. 96. Von der Verbindungskraft landesherrlicher Edicte, Decrete und Reſcripte. Was haben denn nun aber Edicte, Re- ſcripte und Decrete der Regenten fuͤr ein Anſehen? Sind ſelbige ohne Unterſchied als allge- meine Geſetze zu betrachten, dergeſtalt, daß auch die landesherrlichen Decrete und Reſcripte in allen aͤhn- lichen Faͤllen wieder angewendet werden muͤſſen? oder iſt nicht wenigſtens in Anſehung dieſer eine Ausnahme zu machen? Wir muͤſſen einen Unterſchied machen. Soviel I) die landesherrlichen Edicte anbetrift, ſo ſind dieſe ohnſtreitig fuͤr alle Unterthanen verbindlich; in ſo fern ſie auf die gehoͤrige Art bekannt gemacht wor- den ſind. Der Grund hiervon iſt nicht, wie der Autor meint, weil ſie ein ganz neues Recht enthal- ten; Nein; die Faͤlle ſind ja nicht ſelten, daß unſere Landesherren durch ihre Edicte nur ſchon vorhandene be- ſtaͤttigen oder erlaͤutern; ſondern der wahre Grund der allgemeinen Verbindungskraft landesherrlicher Edicte liegt in den Willen des Landesherrn ſelbſt. Denn Edicte werden ja lediglich in dieſer Abſicht bekannt ge- macht, daß ſie alle Unterthanen des Geſetzgebers verbin- den ſollen. Auch nach roͤmiſchen Rechten hat dieß ſo wenig Zweifel, daß ſogar Verordnungen, welche ſonſt nur ein Recht unter den Partheyen machten, dadurch das Anſehen allgemeiner Geſetze erhielten, wenn denen- ſelben die clauſula Edicti inſerirt worden 61). Was aber II) die 61) L. 3. C. de Legib. et Conſtit. et Edict. Leges ut generales ab omnibus aequaliter in poſterum obſerventur, quae vel miſ- ſae K k 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/537
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/537>, abgerufen am 25.11.2024.