Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

de Iustitia et Iure.
trägen, die nach der Röm. Rechtslehre entweder Con-
tracte, oder eigentlich so genannte Verträge

sind, welchen Unterschied wir zu seiner Zeit entwickeln
werden. Im andern Fall können diese erlaubte Hand-
lungen entweder in einem blos einseitig geschehenen,
nicht acceptirten Versprechen bestehen, als welches in
einigen Fällen durch bürgerliche Gesetze vor vollkommen
verbindlich erkläret wird, oder in andern factis, die
an sich erlaubt, und durch die bürgerlichen Gesetze der-
gestalt bestättigt worden sind, daß sie in gewissen von
den Gesetzen ausdrücklich bestimmten Fällen aus Grün-
den der natürlichen Billigkeit auch ohne allen Vertrag
oder Versprechen, eine eben so vollkommene W[e]rkung
hervorbringen, als wenn deßhalb ein Contract wäre
geschlossen worden. Jene sind die Verbindlichkei-
ten aus Pollicitationen,
welche entweder ex voto
oder ex pollicitatione in specie sic dicta herrühren kön-
nen. Diese aber werden Verbindlichkeiten quasi
ex contractu
genennt. Z. B. die Verbindlichkeit des
Erben zur Auszahlung der Vermächtnisse; diese ent-
springt aus dem Antritt der Erbschaft quasi ex contra-
ctu,
d. [f]. der Erbe handelt hier gerade so, und ist auch
eben so verpflichtet, als ein Bevollmächtigter, dem die
Legatarien den Auftrag ertheilet hätten, die Vermächt-
nisse für sie in Empfang zu nehmen, gehörig aufzube-
wahren, und zur Zeit an sie abzuliefern 44). Wenn
im Gegentheil Verbindlichkeiten aus unerlaubten Hand-
lungen entspringen, so können diese wiederum verschieden
seyn, je nachdem die unerlaubten Handlungen, woraus
sie entstehen, entweder wahre Verbrechen, die ihren
Urhebern moralisch imputirt werden können, oder solche

Hand-
44) Siehe Prof. Webers angef. Schrift. I. Abtheilung.
§. 9.
Glücks Erläut. d. Pand. 1. Th. C

de Iuſtitia et Iure.
traͤgen, die nach der Roͤm. Rechtslehre entweder Con-
tracte, oder eigentlich ſo genannte Vertraͤge

ſind, welchen Unterſchied wir zu ſeiner Zeit entwickeln
werden. Im andern Fall koͤnnen dieſe erlaubte Hand-
lungen entweder in einem blos einſeitig geſchehenen,
nicht acceptirten Verſprechen beſtehen, als welches in
einigen Faͤllen durch buͤrgerliche Geſetze vor vollkommen
verbindlich erklaͤret wird, oder in andern factis, die
an ſich erlaubt, und durch die buͤrgerlichen Geſetze der-
geſtalt beſtaͤttigt worden ſind, daß ſie in gewiſſen von
den Geſetzen ausdruͤcklich beſtimmten Faͤllen aus Gruͤn-
den der natuͤrlichen Billigkeit auch ohne allen Vertrag
oder Verſprechen, eine eben ſo vollkommene W[e]rkung
hervorbringen, als wenn deßhalb ein Contract waͤre
geſchloſſen worden. Jene ſind die Verbindlichkei-
ten aus Pollicitationen,
welche entweder ex voto
oder ex pollicitatione in ſpecie ſic dicta herruͤhren koͤn-
nen. Dieſe aber werden Verbindlichkeiten quaſi
ex contractu
genennt. Z. B. die Verbindlichkeit des
Erben zur Auszahlung der Vermaͤchtniſſe; dieſe ent-
ſpringt aus dem Antritt der Erbſchaft quaſi ex contra-
ctu,
d. [f]. der Erbe handelt hier gerade ſo, und iſt auch
eben ſo verpflichtet, als ein Bevollmaͤchtigter, dem die
Legatarien den Auftrag ertheilet haͤtten, die Vermaͤcht-
niſſe fuͤr ſie in Empfang zu nehmen, gehoͤrig aufzube-
wahren, und zur Zeit an ſie abzuliefern 44). Wenn
im Gegentheil Verbindlichkeiten aus unerlaubten Hand-
lungen entſpringen, ſo koͤnnen dieſe wiederum verſchieden
ſeyn, je nachdem die unerlaubten Handlungen, woraus
ſie entſtehen, entweder wahre Verbrechen, die ihren
Urhebern moraliſch imputirt werden koͤnnen, oder ſolche

Hand-
44) Siehe Prof. Webers angef. Schrift. I. Abtheilung.
§. 9.
Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. C
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0053" n="33"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">de Iu&#x017F;titia et Iure.</hi></fw><lb/><hi rendition="#g">tra&#x0364;gen,</hi> die nach der Ro&#x0364;m. Rechtslehre entweder <hi rendition="#g">Con-<lb/>
tracte, oder eigentlich &#x017F;o genannte Vertra&#x0364;ge</hi><lb/>
&#x017F;ind, welchen Unter&#x017F;chied wir zu &#x017F;einer Zeit entwickeln<lb/>
werden. Im andern Fall ko&#x0364;nnen die&#x017F;e erlaubte Hand-<lb/>
lungen entweder in einem blos ein&#x017F;eitig ge&#x017F;chehenen,<lb/>
nicht acceptirten Ver&#x017F;prechen be&#x017F;tehen, als welches in<lb/>
einigen Fa&#x0364;llen durch bu&#x0364;rgerliche Ge&#x017F;etze vor vollkommen<lb/>
verbindlich erkla&#x0364;ret wird, oder in andern <hi rendition="#aq">factis,</hi> die<lb/>
an &#x017F;ich erlaubt, und durch die bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze der-<lb/>
ge&#x017F;talt be&#x017F;ta&#x0364;ttigt worden &#x017F;ind, daß &#x017F;ie in gewi&#x017F;&#x017F;en von<lb/>
den Ge&#x017F;etzen ausdru&#x0364;cklich be&#x017F;timmten Fa&#x0364;llen aus Gru&#x0364;n-<lb/>
den der natu&#x0364;rlichen Billigkeit auch ohne allen Vertrag<lb/>
oder Ver&#x017F;prechen, eine eben &#x017F;o vollkommene W<supplied>e</supplied>rkung<lb/>
hervorbringen, als wenn deßhalb ein Contract wa&#x0364;re<lb/>
ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en worden. Jene &#x017F;ind die <hi rendition="#g">Verbindlichkei-<lb/>
ten aus Pollicitationen,</hi> welche entweder <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ex voto</hi></hi><lb/>
oder <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">ex pollicitatione in &#x017F;pecie &#x017F;ic dicta</hi></hi> herru&#x0364;hren ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Die&#x017F;e aber werden <hi rendition="#g">Verbindlichkeiten</hi> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">qua&#x017F;i<lb/>
ex contractu</hi></hi> genennt. Z. B. die Verbindlichkeit des<lb/>
Erben zur Auszahlung der Verma&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;e; die&#x017F;e ent-<lb/>
&#x017F;pringt aus dem Antritt der Erb&#x017F;chaft <hi rendition="#aq">qua&#x017F;i ex contra-<lb/>
ctu,</hi> d. <supplied>f</supplied>. der Erbe handelt hier gerade &#x017F;o, und i&#x017F;t auch<lb/>
eben &#x017F;o verpflichtet, als ein Bevollma&#x0364;chtigter, dem die<lb/>
Legatarien den Auftrag ertheilet ha&#x0364;tten, die Verma&#x0364;cht-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e fu&#x0364;r &#x017F;ie in Empfang zu nehmen, geho&#x0364;rig aufzube-<lb/>
wahren, und zur Zeit an &#x017F;ie abzuliefern <note place="foot" n="44)">Siehe Prof. Webers angef. Schrift. <hi rendition="#aq">I.</hi> Abtheilung.<lb/>
§. 9.</note>. Wenn<lb/>
im Gegentheil Verbindlichkeiten aus unerlaubten Hand-<lb/>
lungen ent&#x017F;pringen, &#x017F;o ko&#x0364;nnen die&#x017F;e wiederum ver&#x017F;chieden<lb/>
&#x017F;eyn, je nachdem die unerlaubten Handlungen, woraus<lb/>
&#x017F;ie ent&#x017F;tehen, entweder wahre Verbrechen, die ihren<lb/>
Urhebern morali&#x017F;ch imputirt werden ko&#x0364;nnen, oder &#x017F;olche<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Hand-</fw><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Glu&#x0364;cks Erla&#x0364;ut. d. Pand. 1. Th. C</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[33/0053] de Iuſtitia et Iure. traͤgen, die nach der Roͤm. Rechtslehre entweder Con- tracte, oder eigentlich ſo genannte Vertraͤge ſind, welchen Unterſchied wir zu ſeiner Zeit entwickeln werden. Im andern Fall koͤnnen dieſe erlaubte Hand- lungen entweder in einem blos einſeitig geſchehenen, nicht acceptirten Verſprechen beſtehen, als welches in einigen Faͤllen durch buͤrgerliche Geſetze vor vollkommen verbindlich erklaͤret wird, oder in andern factis, die an ſich erlaubt, und durch die buͤrgerlichen Geſetze der- geſtalt beſtaͤttigt worden ſind, daß ſie in gewiſſen von den Geſetzen ausdruͤcklich beſtimmten Faͤllen aus Gruͤn- den der natuͤrlichen Billigkeit auch ohne allen Vertrag oder Verſprechen, eine eben ſo vollkommene Werkung hervorbringen, als wenn deßhalb ein Contract waͤre geſchloſſen worden. Jene ſind die Verbindlichkei- ten aus Pollicitationen, welche entweder ex voto oder ex pollicitatione in ſpecie ſic dicta herruͤhren koͤn- nen. Dieſe aber werden Verbindlichkeiten quaſi ex contractu genennt. Z. B. die Verbindlichkeit des Erben zur Auszahlung der Vermaͤchtniſſe; dieſe ent- ſpringt aus dem Antritt der Erbſchaft quaſi ex contra- ctu, d. f. der Erbe handelt hier gerade ſo, und iſt auch eben ſo verpflichtet, als ein Bevollmaͤchtigter, dem die Legatarien den Auftrag ertheilet haͤtten, die Vermaͤcht- niſſe fuͤr ſie in Empfang zu nehmen, gehoͤrig aufzube- wahren, und zur Zeit an ſie abzuliefern 44). Wenn im Gegentheil Verbindlichkeiten aus unerlaubten Hand- lungen entſpringen, ſo koͤnnen dieſe wiederum verſchieden ſeyn, je nachdem die unerlaubten Handlungen, woraus ſie entſtehen, entweder wahre Verbrechen, die ihren Urhebern moraliſch imputirt werden koͤnnen, oder ſolche Hand- 44) Siehe Prof. Webers angef. Schrift. I. Abtheilung. §. 9. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. C

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/53
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/53>, abgerufen am 22.11.2024.