Auch durch den stillschweigenden Willen des Gesetz- gebers kann ein Gesetz seine Gültigkeit verliehren, indem derselbe eine dem Gesetz entgegenstehende Gewohnheit auf- kommen lässet. Daß durch ein Gewohnheitsrecht ein älteres Gesetz aufgehoben werden könne, hat überhaupt keinen Zweifel, denn eine legale Gewohnheit hat mit einem geschriebenen Gesetz gleiche Kraft und Wirkung. (S. 478.) So gut also durch ein neues geschriebenes Gesetz ein älteres aufgehoben werden kann, eben so gut kann dies auch durch eine Gewohnheit geschehen. Es bestätigen dieses auch deutliche Gesetzstellen 18), und nie würde wohl deshalb ein Zweifel entstanden seyn, wenn nicht die Mißdeutung eines gewissen Gesetzes im Justi- nianischen Codex eine Veranlassung dazu gegeben hätte. Es ist die L. 2. C. quae sit longa consuet. welche folgender- gestalt lautet:
Imp. constantinus A. ad Proculum.
Consuetudinis ususque longaevi non vilis aucto- ritas est: verum non usque adeo sui valitura momen- to, ut aut rationem vincat, aut legem.
Ich will mich nicht auf die verschiedenen Erklärun- gen der Rechtsgelehrten einlassen, sondern meine Leser deshalb auf die unten angezeigten Schriften verwei- sen 19). So viel ist aber gewiß, daß jenes Gesetz unserer
obigen
18)§. 11. I. de iur. nat. gent. et civ. L. 32. §. 1. D. de LL.
19) S. Gregor. lopez madera Animadvers. iur. civ. cap. 5. Ludov. vitalis variar. lection. Lib. II. c. 28. Pet.faber Semestr. Lib. III. c. 22. donellus Commentar. iur. civ. lib. I. c. 10. M.lycklama a nyholt Membranar. Lib. I. Eclog. 11. noodt Comm. ad Digesta h. t. T. II. Opp. p. 16. Ios.averanius Interpretat. iur. Lib. II. c. 1. Ios.fine-
stres
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de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
Auch durch den ſtillſchweigenden Willen des Geſetz- gebers kann ein Geſetz ſeine Guͤltigkeit verliehren, indem derſelbe eine dem Geſetz entgegenſtehende Gewohnheit auf- kommen laͤſſet. Daß durch ein Gewohnheitsrecht ein aͤlteres Geſetz aufgehoben werden koͤnne, hat uͤberhaupt keinen Zweifel, denn eine legale Gewohnheit hat mit einem geſchriebenen Geſetz gleiche Kraft und Wirkung. (S. 478.) So gut alſo durch ein neues geſchriebenes Geſetz ein aͤlteres aufgehoben werden kann, eben ſo gut kann dies auch durch eine Gewohnheit geſchehen. Es beſtaͤtigen dieſes auch deutliche Geſetzſtellen 18), und nie wuͤrde wohl deshalb ein Zweifel entſtanden ſeyn, wenn nicht die Mißdeutung eines gewiſſen Geſetzes im Juſti- nianiſchen Codex eine Veranlaſſung dazu gegeben haͤtte. Es iſt die L. 2. C. quae ſit longa conſuet. welche folgender- geſtalt lautet:
Imp. constantinus A. ad Proculum.
Conſuetudinis uſusque longaevi non vilis aucto- ritas eſt: verum non usque adeo ſui valitura momen- to, ut aut rationem vincat, aut legem.
Ich will mich nicht auf die verſchiedenen Erklaͤrun- gen der Rechtsgelehrten einlaſſen, ſondern meine Leſer deshalb auf die unten angezeigten Schriften verwei- ſen 19). So viel iſt aber gewiß, daß jenes Geſetz unſerer
obigen
18)§. 11. I. de iur. nat. gent. et civ. L. 32. §. 1. D. de LL.
19) S. Gregor. lopez madera Animadverſ. iur. civ. cap. 5. Ludov. vitalis variar. lection. Lib. II. c. 28. Pet.faber Semeſtr. Lib. III. c. 22. donellus Commentar. iur. civ. lib. I. c. 10. M.lycklama à nyholt Membranar. Lib. I. Eclog. 11. noodt Comm. ad Digeſta h. t. T. II. Opp. p. 16. Ioſ.averanius Interpretat. iur. Lib. II. c. 1. Ioſ.fine-
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de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
Auch durch den ſtillſchweigenden Willen des Geſetz-
gebers kann ein Geſetz ſeine Guͤltigkeit verliehren, indem
derſelbe eine dem Geſetz entgegenſtehende Gewohnheit auf-
kommen laͤſſet. Daß durch ein Gewohnheitsrecht ein
aͤlteres Geſetz aufgehoben werden koͤnne, hat uͤberhaupt
keinen Zweifel, denn eine legale Gewohnheit hat mit
einem geſchriebenen Geſetz gleiche Kraft und Wirkung.
(S. 478.) So gut alſo durch ein neues geſchriebenes
Geſetz ein aͤlteres aufgehoben werden kann, eben ſo gut
kann dies auch durch eine Gewohnheit geſchehen. Es
beſtaͤtigen dieſes auch deutliche Geſetzſtellen 18), und nie
wuͤrde wohl deshalb ein Zweifel entſtanden ſeyn, wenn
nicht die Mißdeutung eines gewiſſen Geſetzes im Juſti-
nianiſchen Codex eine Veranlaſſung dazu gegeben haͤtte.
Es iſt die L. 2. C. quae ſit longa conſuet. welche folgender-
geſtalt lautet:
Imp. constantinus A. ad Proculum.
Conſuetudinis uſusque longaevi non vilis aucto-
ritas eſt: verum non usque adeo ſui valitura momen-
to, ut aut rationem vincat, aut legem.
Ich will mich nicht auf die verſchiedenen Erklaͤrun-
gen der Rechtsgelehrten einlaſſen, ſondern meine Leſer
deshalb auf die unten angezeigten Schriften verwei-
ſen 19). So viel iſt aber gewiß, daß jenes Geſetz unſerer
obigen
18) §. 11. I. de iur. nat. gent. et civ. L. 32. §. 1. D. de LL.
19) S. Gregor. lopez madera Animadverſ. iur. civ. cap. 5.
Ludov. vitalis variar. lection. Lib. II. c. 28. Pet. faber
Semeſtr. Lib. III. c. 22. donellus Commentar. iur. civ.
lib. I. c. 10. M. lycklama à nyholt Membranar. Lib. I.
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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/521>, abgerufen am 16.02.2025.
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