Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 3. Tit. sehr gründlich wiederleget worden. Nur haben letztereein Hauptargument übersehen, worauf sich die Verthei- diger jener Meinung ganz vorzüglich stützen. Dieses ist der Ausspruch Ulpians 74): pluralis elocutio duorum nu- mero contenta est. Ob jedoch dieses Argument mehr, als die übrigen, beweise, daran zweifele ich noch sehr. Das Gesetz redet eigentlich vom Beweise durch Zeugen, und will, daß in jedem Falle, wo mehrere Zeugen erfor- dert werden, die Zahl derselben aber doch nirgends aus- drücklich bestimmt worden ist, schon zwey genügen sollen, weil diese, vorausgesetzt, daß sie untadelhaft sind, in der Regel einen vollständigen Beweis machen. Hier ist also von keiner legalen Gewohnheit die Rede, und der Unterschied zwischen Beweis und Gewohnheit ist, wie mich dünkt, zu auffallend, als daß von der Anzahl der zu einem vollständigen Beweis erforderlichen Zeugen, auf die Zahl der Handlungen, wodurch eine Gewohnheit ein- geführt werden soll, der Schluß gelten könnte 75). Die meisten behaupten daher, daß zwey Handlungen für zu- reichend nicht zu halten 76). Sie glauben, daß uns die Gesetze 74) L. 12. D. de testibus. 75) Von dem gewöhnlichen Mißbrauch der L. 12. D. de test. und den daher entstandenen Irrthümern haben bey andern Gelegenheiten schon ein Wort zu seiner Zeit geredet. God. Lud. mencken in Commentat. ad L. XVIII. C. de testib. Lipsiae 1748. S. 14. und I. D. wibekind in Diss. de in- commodis per interpretationes usuales et observantias in iuris- prud. invectis. §. 22. Siehe auch meine Opuscula Fasc. I. S. 16. 76) Ausser den angeführten noodt, voet u. s. w. glauben die-
ses gundling in Gundlingianis St. VII. Obs. 3. §. 17. kem- merich de probatione consuetudinis. Sect. II. §. 4. lit. c. vinnius Comment. ad §. 9. I. de I. N. G. et C. Struben rechtl. Bedenken I. Th. Bed. 130. S. 309. u. a. m. 1. Buch. 3. Tit. ſehr gruͤndlich wiederleget worden. Nur haben letztereein Hauptargument uͤberſehen, worauf ſich die Verthei- diger jener Meinung ganz vorzuͤglich ſtuͤtzen. Dieſes iſt der Ausſpruch Ulpians 74): pluralis elocutio duorum nu- mero contenta eſt. Ob jedoch dieſes Argument mehr, als die uͤbrigen, beweiſe, daran zweifele ich noch ſehr. Das Geſetz redet eigentlich vom Beweiſe durch Zeugen, und will, daß in jedem Falle, wo mehrere Zeugen erfor- dert werden, die Zahl derſelben aber doch nirgends aus- druͤcklich beſtimmt worden iſt, ſchon zwey genuͤgen ſollen, weil dieſe, vorausgeſetzt, daß ſie untadelhaft ſind, in der Regel einen vollſtaͤndigen Beweis machen. Hier iſt alſo von keiner legalen Gewohnheit die Rede, und der Unterſchied zwiſchen Beweis und Gewohnheit iſt, wie mich duͤnkt, zu auffallend, als daß von der Anzahl der zu einem vollſtaͤndigen Beweis erforderlichen Zeugen, auf die Zahl der Handlungen, wodurch eine Gewohnheit ein- gefuͤhrt werden ſoll, der Schluß gelten koͤnnte 75). Die meiſten behaupten daher, daß zwey Handlungen fuͤr zu- reichend nicht zu halten 76). Sie glauben, daß uns die Geſetze 74) L. 12. D. de teſtibus. 75) Von dem gewoͤhnlichen Mißbrauch der L. 12. D. de teſt. und den daher entſtandenen Irrthuͤmern haben bey andern Gelegenheiten ſchon ein Wort zu ſeiner Zeit geredet. God. Lud. mencken in Commentat. ad L. XVIII. C. de teſtib. Lipſiae 1748. S. 14. und I. D. wibekind in Diſſ. de in- commodis per interpretationes uſuales et obſervantias in iuris- prud. invectis. §. 22. Siehe auch meine Opuſcula Faſc. I. S. 16. 76) Auſſer den angefuͤhrten noodt, voet u. ſ. w. glauben die-
ſes gundling in Gundlingianis St. VII. Obſ. 3. §. 17. kem- merich de probatione conſuetudinis. Sect. II. §. 4. lit. c. vinnius Comment. ad §. 9. I. de I. N. G. et C. Struben rechtl. Bedenken I. Th. Bed. 130. S. 309. u. a. m. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0464" n="444"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 3. Tit.</hi></fw><lb/> ſehr gruͤndlich wiederleget worden. Nur haben letztere<lb/> ein Hauptargument uͤberſehen, worauf ſich die Verthei-<lb/> diger jener Meinung ganz vorzuͤglich ſtuͤtzen. Dieſes iſt<lb/> der Ausſpruch <hi rendition="#g">Ulpians</hi> <note place="foot" n="74)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12. <hi rendition="#i">D. de teſtibus.</hi></hi></note>: <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">pluralis elocutio duorum nu-<lb/> mero contenta eſt.</hi></hi> Ob jedoch dieſes Argument mehr,<lb/> als die uͤbrigen, beweiſe, daran zweifele ich noch ſehr.<lb/> Das Geſetz redet eigentlich vom Beweiſe durch Zeugen,<lb/> und will, daß in jedem Falle, wo mehrere Zeugen erfor-<lb/> dert werden, die Zahl derſelben aber doch nirgends aus-<lb/> druͤcklich beſtimmt worden iſt, ſchon zwey genuͤgen ſollen,<lb/> weil dieſe, vorausgeſetzt, daß ſie untadelhaft ſind, in<lb/> der Regel einen vollſtaͤndigen Beweis machen. Hier iſt<lb/> alſo von keiner legalen Gewohnheit die Rede, und der<lb/> Unterſchied zwiſchen <hi rendition="#g">Beweis</hi> und <hi rendition="#g">Gewohnheit</hi> iſt,<lb/> wie mich duͤnkt, zu auffallend, als daß von der Anzahl der<lb/> zu einem vollſtaͤndigen Beweis erforderlichen Zeugen, auf<lb/> die Zahl der Handlungen, wodurch eine Gewohnheit ein-<lb/> gefuͤhrt werden ſoll, der Schluß gelten koͤnnte <note place="foot" n="75)">Von dem gewoͤhnlichen Mißbrauch der <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 12. <hi rendition="#i">D. de teſt.</hi></hi><lb/> und den daher entſtandenen Irrthuͤmern haben bey andern<lb/> Gelegenheiten ſchon ein Wort zu ſeiner Zeit geredet. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">God.<lb/> Lud.</hi><hi rendition="#k">mencken</hi> in Commentat. ad L. XVIII. C. de teſtib.<lb/><hi rendition="#i">Lipſiae</hi></hi> 1748. S. 14. und <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">I. D.</hi><hi rendition="#k">wibekind</hi> in Diſſ. de in-<lb/> commodis per interpretationes uſuales et obſervantias in iuris-<lb/> prud. invectis.</hi> §. 22. Siehe auch <hi rendition="#g">meine</hi> <hi rendition="#aq">Opuſcula <hi rendition="#i">Faſc. I.</hi></hi><lb/> S. 16.</note>. Die<lb/> meiſten behaupten daher, daß zwey Handlungen fuͤr zu-<lb/> reichend nicht zu halten <note place="foot" n="76)">Auſſer den angefuͤhrten <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">noodt, voet</hi></hi> u. ſ. w. glauben die-<lb/> ſes <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">gundling</hi> in Gundlingianis</hi> St. <hi rendition="#aq">VII. Obſ. 3. §. 17. <hi rendition="#k">kem-<lb/> merich</hi> de probatione conſuetudinis. Sect. II. §. 4. lit. c.<lb/><hi rendition="#k">vinnius</hi> Comment. ad §. 9. I. de I. N. G. et C.</hi> <hi rendition="#g">Struben</hi><lb/> rechtl. Bedenken <hi rendition="#aq">I.</hi> Th. Bed. 130. S. 309. u. a. m.</note>. Sie glauben, daß uns die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Geſetze</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [444/0464]
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diger jener Meinung ganz vorzuͤglich ſtuͤtzen. Dieſes iſt
der Ausſpruch Ulpians 74): pluralis elocutio duorum nu-
mero contenta eſt. Ob jedoch dieſes Argument mehr,
als die uͤbrigen, beweiſe, daran zweifele ich noch ſehr.
Das Geſetz redet eigentlich vom Beweiſe durch Zeugen,
und will, daß in jedem Falle, wo mehrere Zeugen erfor-
dert werden, die Zahl derſelben aber doch nirgends aus-
druͤcklich beſtimmt worden iſt, ſchon zwey genuͤgen ſollen,
weil dieſe, vorausgeſetzt, daß ſie untadelhaft ſind, in
der Regel einen vollſtaͤndigen Beweis machen. Hier iſt
alſo von keiner legalen Gewohnheit die Rede, und der
Unterſchied zwiſchen Beweis und Gewohnheit iſt,
wie mich duͤnkt, zu auffallend, als daß von der Anzahl der
zu einem vollſtaͤndigen Beweis erforderlichen Zeugen, auf
die Zahl der Handlungen, wodurch eine Gewohnheit ein-
gefuͤhrt werden ſoll, der Schluß gelten koͤnnte 75). Die
meiſten behaupten daher, daß zwey Handlungen fuͤr zu-
reichend nicht zu halten 76). Sie glauben, daß uns die
Geſetze
74) L. 12. D. de teſtibus.
75) Von dem gewoͤhnlichen Mißbrauch der L. 12. D. de teſt.
und den daher entſtandenen Irrthuͤmern haben bey andern
Gelegenheiten ſchon ein Wort zu ſeiner Zeit geredet. God.
Lud. mencken in Commentat. ad L. XVIII. C. de teſtib.
Lipſiae 1748. S. 14. und I. D. wibekind in Diſſ. de in-
commodis per interpretationes uſuales et obſervantias in iuris-
prud. invectis. §. 22. Siehe auch meine Opuſcula Faſc. I.
S. 16.
76) Auſſer den angefuͤhrten noodt, voet u. ſ. w. glauben die-
ſes gundling in Gundlingianis St. VII. Obſ. 3. §. 17. kem-
merich de probatione conſuetudinis. Sect. II. §. 4. lit. c.
vinnius Comment. ad §. 9. I. de I. N. G. et C. Struben
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Zitationshilfe: | Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/464>, abgerufen am 22.07.2024. |