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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
Uebel vermeiden, oder ein gewisses Gut erlangen will.
Unter diesen Umständen bleibt mir also das Gegentheil
dessen, was meine Verbindlichkeit erheischt, nach mei-
nen physischen Kräften noch immer möglich, obgleich
freylich nach der Natur dessen, was moralisch noth-
wendig
35) genennet wird, das Gegentheil nicht statt
finden kann, wenn das Verhältniß meiner freyen Hand-
lung zu der Regel, wodurch dieselbe bestimmt wird,
erhalten werden soll. Indessen kann doch die Verbind-
lichkeit unterweilen auch eine absolute Nothwendigkeit
mit sich führen. Ein Beyspiel davon geben die Zwangs-
copulationen, welche in einem solchen Fall gewöhnlich zu
seyn pflegen, wenn ein Beyschlaf unter dem Versprechen
der Ehe geschehen ist 36), ob sich gleich gegen die Zweck-
mäsigkeit derselben noch manches nicht ohne Grund er-
innern liesse 37).

Zweitens: da die Verbindlichkeit eine vom Ge-
setz auferlegte Nothwendigkeit zu handeln ist, so ist
folglich das Gesetz der wahre Grund aller Verbindlich-
keit. Dieses ertheilt der Verbindlichkeit selbst Da-
seyn und Wesen, dahingegen die damit verknüpften Mo-
tiven, nehmlich die Vorstellungen des Guten und Bö-
sen, wodurch wir derselben gemäß zu handeln bestimmt

werden,
35) schott in der angeführten Dissert. §. IX. sagt: mo-
raliter necessarium
esse id, cuius oppositum salvo respe-
ctu actionum liberarum ad regulam est impossibile.
36) Quistorp in den Beyträgen zur Erläuterung
verschiedener Rechtsmaterien
1. B. 2. St. N.
XIII.
37) S. Joh. Jac. Cella von Strafen unehelicher
Schwängerungen, besonders von denen dieß-
falls gebräuchlichen Zwangskopulationen.

Anspach 1784. 8.
B 5

de Iuſtitia et Iure.
Uebel vermeiden, oder ein gewiſſes Gut erlangen will.
Unter dieſen Umſtaͤnden bleibt mir alſo das Gegentheil
deſſen, was meine Verbindlichkeit erheiſcht, nach mei-
nen phyſiſchen Kraͤften noch immer moͤglich, obgleich
freylich nach der Natur deſſen, was moraliſch noth-
wendig
35) genennet wird, das Gegentheil nicht ſtatt
finden kann, wenn das Verhaͤltniß meiner freyen Hand-
lung zu der Regel, wodurch dieſelbe beſtimmt wird,
erhalten werden ſoll. Indeſſen kann doch die Verbind-
lichkeit unterweilen auch eine abſolute Nothwendigkeit
mit ſich fuͤhren. Ein Beyſpiel davon geben die Zwangs-
copulationen, welche in einem ſolchen Fall gewoͤhnlich zu
ſeyn pflegen, wenn ein Beyſchlaf unter dem Verſprechen
der Ehe geſchehen iſt 36), ob ſich gleich gegen die Zweck-
maͤſigkeit derſelben noch manches nicht ohne Grund er-
innern lieſſe 37).

Zweitens: da die Verbindlichkeit eine vom Ge-
ſetz auferlegte Nothwendigkeit zu handeln iſt, ſo iſt
folglich das Geſetz der wahre Grund aller Verbindlich-
keit. Dieſes ertheilt der Verbindlichkeit ſelbſt Da-
ſeyn und Weſen, dahingegen die damit verknuͤpften Mo-
tiven, nehmlich die Vorſtellungen des Guten und Boͤ-
ſen, wodurch wir derſelben gemaͤß zu handeln beſtimmt

werden,
35) schott in der angefuͤhrten Diſſert. §. IX. ſagt: mo-
raliter neceſſarium
eſſe id, cuius oppoſitum ſalvo reſpe-
ctu actionum liberarum ad regulam eſt impoſſibile.
36) Quiſtorp in den Beytraͤgen zur Erlaͤuterung
verſchiedener Rechtsmaterien
1. B. 2. St. N.
XIII.
37) S. Joh. Jac. Cella von Strafen unehelicher
Schwaͤngerungen, beſonders von denen dieß-
falls gebraͤuchlichen Zwangskopulationen.

Anſpach 1784. 8.
B 5
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[25/0045] de Iuſtitia et Iure. Uebel vermeiden, oder ein gewiſſes Gut erlangen will. Unter dieſen Umſtaͤnden bleibt mir alſo das Gegentheil deſſen, was meine Verbindlichkeit erheiſcht, nach mei- nen phyſiſchen Kraͤften noch immer moͤglich, obgleich freylich nach der Natur deſſen, was moraliſch noth- wendig 35) genennet wird, das Gegentheil nicht ſtatt finden kann, wenn das Verhaͤltniß meiner freyen Hand- lung zu der Regel, wodurch dieſelbe beſtimmt wird, erhalten werden ſoll. Indeſſen kann doch die Verbind- lichkeit unterweilen auch eine abſolute Nothwendigkeit mit ſich fuͤhren. Ein Beyſpiel davon geben die Zwangs- copulationen, welche in einem ſolchen Fall gewoͤhnlich zu ſeyn pflegen, wenn ein Beyſchlaf unter dem Verſprechen der Ehe geſchehen iſt 36), ob ſich gleich gegen die Zweck- maͤſigkeit derſelben noch manches nicht ohne Grund er- innern lieſſe 37). Zweitens: da die Verbindlichkeit eine vom Ge- ſetz auferlegte Nothwendigkeit zu handeln iſt, ſo iſt folglich das Geſetz der wahre Grund aller Verbindlich- keit. Dieſes ertheilt der Verbindlichkeit ſelbſt Da- ſeyn und Weſen, dahingegen die damit verknuͤpften Mo- tiven, nehmlich die Vorſtellungen des Guten und Boͤ- ſen, wodurch wir derſelben gemaͤß zu handeln beſtimmt werden, 35) schott in der angefuͤhrten Diſſert. §. IX. ſagt: mo- raliter neceſſarium eſſe id, cuius oppoſitum ſalvo reſpe- ctu actionum liberarum ad regulam eſt impoſſibile. 36) Quiſtorp in den Beytraͤgen zur Erlaͤuterung verſchiedener Rechtsmaterien 1. B. 2. St. N. XIII. 37) S. Joh. Jac. Cella von Strafen unehelicher Schwaͤngerungen, beſonders von denen dieß- falls gebraͤuchlichen Zwangskopulationen. Anſpach 1784. 8. B 5

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/45>, abgerufen am 24.11.2024.