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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet.
hierin den Kaiser um so weniger folgen, je bekannter
es ist, daß diejenigen Gesetze, die Lycurg seinem Vol-
ke gab, keine Gewohnheitsrechte, sondern nur unge-
schriebene
Gesetze im grammatischen Sinn ge-
wesen, die seine Bürger auswendig lernen musten. Ju-
stinion
redet hier nicht als Gesezgeber, sondern macht
den Historicus, und in solchen Fällen hat Schul-
ting
16) ganz richtig geurtheilt, wenn er sagt, in re-
bus facti, qualis haec est, Imperatoris non maior
est auctoritas, quam alicuius historici, adeoque hic
ab illo licet dissentire.
Vergleicht man dagegen die
Fragmente dieses Titels der Pandecten, so wird man
daraus sehen, daß dem iuri scripto allemahl dasjenige
ius, quod moribus et consuetudine inductum est,
entgegen gesetzet wird. Nicht nur Julian 17), sondern
vorzüglich auch Hermogenian 18) unterscheidet auf
diese Art geschriebenes und nicht geschriebenes Recht;
und daß ersteres im eigentlichen Verstande anders nichts,
als ein vom Gesezgeber ausdrücklich bekannt
gemachtes Recht
sey, giebt Julian durch die Wor-
te deutlich zu verstehen: quid interest, suffragio popu-
lus voluntatem suam declaret, an rebus ipsis et fa-
ctis
? ohne dabey des Erfordernisses einer schriftlichen
Promulgation
zu gedenken. Zwar wendet man da-
gegen ein, daß jene römische Juristen die demokratische

Ver-
16) schulting ad Caji Institut. Lib. I. not. 6. Iurisprud.
Antejust
.
S. 2
17) L. 32. pr. D. h. t. De quibus causis scriptis legibus
non utimur, id custodiri oportet, quod moribus et con-
suetudine
inductum est.
18) L. 35. D. eod. Sed et ea, quae longa consuetudine
comprobata sunt, ac per annos plurimos observata,
velut tacita civium conventio, non minus, quam ea,
quae scripta sunt iura, servantur.
D d 5

de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet.
hierin den Kaiſer um ſo weniger folgen, je bekannter
es iſt, daß diejenigen Geſetze, die Lycurg ſeinem Vol-
ke gab, keine Gewohnheitsrechte, ſondern nur unge-
ſchriebene
Geſetze im grammatiſchen Sinn ge-
weſen, die ſeine Buͤrger auswendig lernen muſten. Ju-
ſtinion
redet hier nicht als Geſezgeber, ſondern macht
den Hiſtoricus, und in ſolchen Faͤllen hat Schul-
ting
16) ganz richtig geurtheilt, wenn er ſagt, in re-
bus facti, qualis haec eſt, Imperatoris non maior
eſt auctoritas, quam alicuius hiſtorici, adeoque hic
ab illo licet diſſentire.
Vergleicht man dagegen die
Fragmente dieſes Titels der Pandecten, ſo wird man
daraus ſehen, daß dem iuri ſcripto allemahl dasjenige
ius, quod moribus et conſuetudine inductum eſt,
entgegen geſetzet wird. Nicht nur Julian 17), ſondern
vorzuͤglich auch Hermogenian 18) unterſcheidet auf
dieſe Art geſchriebenes und nicht geſchriebenes Recht;
und daß erſteres im eigentlichen Verſtande anders nichts,
als ein vom Geſezgeber ausdruͤcklich bekannt
gemachtes Recht
ſey, giebt Julian durch die Wor-
te deutlich zu verſtehen: quid intereſt, ſuffragio popu-
lus voluntatem ſuam declaret, an rebus ipſis et fa-
ctis
? ohne dabey des Erforderniſſes einer ſchriftlichen
Promulgation
zu gedenken. Zwar wendet man da-
gegen ein, daß jene roͤmiſche Juriſten die demokratiſche

Ver-
16) schulting ad Caji Inſtitut. Lib. I. not. 6. Iurisprud.
Antejuſt
.
S. 2
17) L. 32. pr. D. h. t. De quibus cauſis ſcriptis legibus
non utimur, id cuſtodiri oportet, quod moribus et con-
ſuetudine
inductum eſt.
18) L. 35. D. eod. Sed et ea, quae longa conſuetudine
comprobata ſunt, ac per annos plurimos obſervata,
velut tacita civium conventio, non minus, quam ea,
quae ſcripta ſunt iura, ſervantur.
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[423/0443] de Legibus, Senatusconſultis et longa conſuet. hierin den Kaiſer um ſo weniger folgen, je bekannter es iſt, daß diejenigen Geſetze, die Lycurg ſeinem Vol- ke gab, keine Gewohnheitsrechte, ſondern nur unge- ſchriebene Geſetze im grammatiſchen Sinn ge- weſen, die ſeine Buͤrger auswendig lernen muſten. Ju- ſtinion redet hier nicht als Geſezgeber, ſondern macht den Hiſtoricus, und in ſolchen Faͤllen hat Schul- ting 16) ganz richtig geurtheilt, wenn er ſagt, in re- bus facti, qualis haec eſt, Imperatoris non maior eſt auctoritas, quam alicuius hiſtorici, adeoque hic ab illo licet diſſentire. Vergleicht man dagegen die Fragmente dieſes Titels der Pandecten, ſo wird man daraus ſehen, daß dem iuri ſcripto allemahl dasjenige ius, quod moribus et conſuetudine inductum eſt, entgegen geſetzet wird. Nicht nur Julian 17), ſondern vorzuͤglich auch Hermogenian 18) unterſcheidet auf dieſe Art geſchriebenes und nicht geſchriebenes Recht; und daß erſteres im eigentlichen Verſtande anders nichts, als ein vom Geſezgeber ausdruͤcklich bekannt gemachtes Recht ſey, giebt Julian durch die Wor- te deutlich zu verſtehen: quid intereſt, ſuffragio popu- lus voluntatem ſuam declaret, an rebus ipſis et fa- ctis? ohne dabey des Erforderniſſes einer ſchriftlichen Promulgation zu gedenken. Zwar wendet man da- gegen ein, daß jene roͤmiſche Juriſten die demokratiſche Ver- 16) schulting ad Caji Inſtitut. Lib. I. not. 6. Iurisprud. Antejuſt. S. 2 17) L. 32. pr. D. h. t. De quibus cauſis ſcriptis legibus non utimur, id cuſtodiri oportet, quod moribus et con- ſuetudine inductum eſt. 18) L. 35. D. eod. Sed et ea, quae longa conſuetudine comprobata ſunt, ac per annos plurimos obſervata, velut tacita civium conventio, non minus, quam ea, quae ſcripta ſunt iura, ſervantur. D d 5

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/443>, abgerufen am 22.07.2024.