Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 2. Tit. über diesen Gegenstand schon eine vortrefliche Abhand-lung 40) haben, so darf ich mich hier ganz kurz fassen. Es ist nichts ungewöhnliches, daß eine vom geschriebe- nen Gesetze abweichende Gewohnheit, wenn sie sonst nur die erforderlichen Eigenschaften eines ächten Gewohn- heitsrechts an sich trägt, selbst über die ausdrückliche Vor- schrift der Gesetze die Oberhand gewinnet. Nur muß solche entweder neuer, als das geschriebene Gesez seyn, und, daß sie vom Landesherrn wirklich gebilliget sey, deutlich erwiesen werden können; oder, wenn selbige et- wa schon vorher in einem Lande festen Fuß gefasset ha- ben sollte, ehe darin ein Gesezbuch eingeführt wurde, ge- wiß seyn, daß sie sich im Gebrauch erhalten habe. Denn da Gewohnheiten immer nur auf der Frage beruhen: wie es bisher gehalten worden sey? mithin eine histori- sche Kenntnis erfordern, die ungleich grösere Schwierig- keit hat, als die Kenntnis eines schriftlich abgefaßten allgemeinen Rechtssatzes; so wird in Widerspruchsfällen die Vermuthung immer für die Gültigkeit des geschrie- benen Gesetzes streiten, bis die entgegenstehende Ge- wohnheit durch den Beweiß ihrer unwandelbaren Obser- vanz in völlige Gewißheit gesetzet worden ist. Es wer- den diese Sätze durch den folgenden Titel ein mehreres Licht erhalten, in welchem die Lehre vom Gewohn- heitsrecht erkläret werden wird. Lib. 40) Pütters Abhandlung vom Verhältnisse zwischen
Gesezbüchern und Gewohnheitsrechten, in Desselben Beyträgen zum teutschen Staats- und Fürsten- Rechte II. Th. N. XXI. S. 1 - 22. 1. Buch. 2. Tit. uͤber dieſen Gegenſtand ſchon eine vortrefliche Abhand-lung 40) haben, ſo darf ich mich hier ganz kurz faſſen. Es iſt nichts ungewoͤhnliches, daß eine vom geſchriebe- nen Geſetze abweichende Gewohnheit, wenn ſie ſonſt nur die erforderlichen Eigenſchaften eines aͤchten Gewohn- heitsrechts an ſich traͤgt, ſelbſt uͤber die ausdruͤckliche Vor- ſchrift der Geſetze die Oberhand gewinnet. Nur muß ſolche entweder neuer, als das geſchriebene Geſez ſeyn, und, daß ſie vom Landesherrn wirklich gebilliget ſey, deutlich erwieſen werden koͤnnen; oder, wenn ſelbige et- wa ſchon vorher in einem Lande feſten Fuß gefaſſet ha- ben ſollte, ehe darin ein Geſezbuch eingefuͤhrt wurde, ge- wiß ſeyn, daß ſie ſich im Gebrauch erhalten habe. Denn da Gewohnheiten immer nur auf der Frage beruhen: wie es bisher gehalten worden ſey? mithin eine hiſtori- ſche Kenntnis erfordern, die ungleich groͤſere Schwierig- keit hat, als die Kenntnis eines ſchriftlich abgefaßten allgemeinen Rechtsſatzes; ſo wird in Widerſpruchsfaͤllen die Vermuthung immer fuͤr die Guͤltigkeit des geſchrie- benen Geſetzes ſtreiten, bis die entgegenſtehende Ge- wohnheit durch den Beweiß ihrer unwandelbaren Obſer- vanz in voͤllige Gewißheit geſetzet worden iſt. Es wer- den dieſe Saͤtze durch den folgenden Titel ein mehreres Licht erhalten, in welchem die Lehre vom Gewohn- heitsrecht erklaͤret werden wird. Lib. 40) Puͤtters Abhandlung vom Verhaͤltniſſe zwiſchen
Geſezbuͤchern und Gewohnheitsrechten, in Deſſelben Beytraͤgen zum teutſchen Staats- und Fuͤrſten- Rechte II. Th. N. XXI. S. 1 ‒ 22. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0434" n="414"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 2. Tit.</hi></fw><lb/> uͤber dieſen Gegenſtand ſchon eine vortrefliche Abhand-<lb/> lung <note place="foot" n="40)"><hi rendition="#fr">Puͤtters</hi> Abhandlung vom <hi rendition="#g">Verhaͤltniſſe zwiſchen<lb/> Geſezbuͤchern und Gewohnheitsrechten</hi>, in<lb/><hi rendition="#fr">Deſſelben</hi> Beytraͤgen zum teutſchen Staats- und Fuͤrſten-<lb/> Rechte <hi rendition="#aq">II.</hi> Th. <hi rendition="#aq">N. XXI.</hi> S. 1 ‒ 22.</note> haben, ſo darf ich mich hier ganz kurz faſſen.<lb/> Es iſt nichts ungewoͤhnliches, daß eine vom geſchriebe-<lb/> nen Geſetze abweichende Gewohnheit, wenn ſie ſonſt nur<lb/> die erforderlichen Eigenſchaften eines aͤchten Gewohn-<lb/> heitsrechts an ſich traͤgt, ſelbſt uͤber die ausdruͤckliche Vor-<lb/> ſchrift der Geſetze die Oberhand gewinnet. Nur muß<lb/> ſolche entweder neuer, als das geſchriebene Geſez ſeyn,<lb/> und, daß ſie vom Landesherrn wirklich gebilliget ſey,<lb/> deutlich erwieſen werden koͤnnen; oder, wenn ſelbige et-<lb/> wa ſchon vorher in einem Lande feſten Fuß gefaſſet ha-<lb/> ben ſollte, ehe darin ein Geſezbuch eingefuͤhrt wurde, ge-<lb/> wiß ſeyn, daß ſie ſich im Gebrauch erhalten habe. Denn<lb/> da Gewohnheiten immer nur auf der Frage beruhen:<lb/> wie es bisher gehalten worden ſey? mithin eine hiſtori-<lb/> ſche Kenntnis erfordern, die ungleich groͤſere Schwierig-<lb/> keit hat, als die Kenntnis eines ſchriftlich abgefaßten<lb/> allgemeinen Rechtsſatzes; ſo wird in Widerſpruchsfaͤllen<lb/> die Vermuthung immer fuͤr die Guͤltigkeit des geſchrie-<lb/> benen Geſetzes ſtreiten, bis die entgegenſtehende Ge-<lb/> wohnheit durch den Beweiß ihrer unwandelbaren Obſer-<lb/> vanz in voͤllige Gewißheit geſetzet worden iſt. Es wer-<lb/> den dieſe Saͤtze durch den folgenden Titel ein mehreres<lb/> Licht erhalten, in welchem die Lehre vom <hi rendition="#g">Gewohn-<lb/> heitsrecht</hi> erklaͤret werden wird.</p> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Lib.</hi> </fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [414/0434]
1. Buch. 2. Tit.
uͤber dieſen Gegenſtand ſchon eine vortrefliche Abhand-
lung 40) haben, ſo darf ich mich hier ganz kurz faſſen.
Es iſt nichts ungewoͤhnliches, daß eine vom geſchriebe-
nen Geſetze abweichende Gewohnheit, wenn ſie ſonſt nur
die erforderlichen Eigenſchaften eines aͤchten Gewohn-
heitsrechts an ſich traͤgt, ſelbſt uͤber die ausdruͤckliche Vor-
ſchrift der Geſetze die Oberhand gewinnet. Nur muß
ſolche entweder neuer, als das geſchriebene Geſez ſeyn,
und, daß ſie vom Landesherrn wirklich gebilliget ſey,
deutlich erwieſen werden koͤnnen; oder, wenn ſelbige et-
wa ſchon vorher in einem Lande feſten Fuß gefaſſet ha-
ben ſollte, ehe darin ein Geſezbuch eingefuͤhrt wurde, ge-
wiß ſeyn, daß ſie ſich im Gebrauch erhalten habe. Denn
da Gewohnheiten immer nur auf der Frage beruhen:
wie es bisher gehalten worden ſey? mithin eine hiſtori-
ſche Kenntnis erfordern, die ungleich groͤſere Schwierig-
keit hat, als die Kenntnis eines ſchriftlich abgefaßten
allgemeinen Rechtsſatzes; ſo wird in Widerſpruchsfaͤllen
die Vermuthung immer fuͤr die Guͤltigkeit des geſchrie-
benen Geſetzes ſtreiten, bis die entgegenſtehende Ge-
wohnheit durch den Beweiß ihrer unwandelbaren Obſer-
vanz in voͤllige Gewißheit geſetzet worden iſt. Es wer-
den dieſe Saͤtze durch den folgenden Titel ein mehreres
Licht erhalten, in welchem die Lehre vom Gewohn-
heitsrecht erklaͤret werden wird.
Lib.
40) Puͤtters Abhandlung vom Verhaͤltniſſe zwiſchen
Geſezbuͤchern und Gewohnheitsrechten, in
Deſſelben Beytraͤgen zum teutſchen Staats- und Fuͤrſten-
Rechte II. Th. N. XXI. S. 1 ‒ 22.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |