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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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bündig dargethan worden, daß man es sicher für erwie-
sen annehmen darf. Ohnmöglich kann doch wohl das
Päbstliche Recht in solchen Vorschriften bey uns gelten,
welche den gereinigten Religionsbegriffen unserer Kirche
widersprechen. Wie könnten wir also diesem Rechte
gerade in der Materie einen Vorzug beylegen, wo al-
les auf solchen Gründen beruhet, welche unserm Reli-
gionssysteme gänzlich zuwider sind? Wie sollten wir mit
Hintansetzung der weit vernünftigern Grundsätze des Rö-
mischen Rechts in einer so wichtigen Sache die Vor-
schriften eines Rechts befolgen, welche zu den gefähr-
lichsten Eides-Mißbräuchen Anlaß geben, und eine un-
selige Quelle der schädlichsten Folgen für das gemeine
Beste sind? Ich werde hiervon in der Folge bey dem
§. 341. noch umständlicher handeln. Daß auch im
Proceß dem Canonischen Rechte nicht ohne alle Aus-
nahme der Vorzug vor dem Römischen eingeräumt wer-
den könne, beweißt das bereits in vorhergehendem §.
angeführte Beispiel vom Zeugenbeweise; bey welchem
wir heutiges Tages die Verordnungen des Justinianei-
schen Rechts befolgen. Es ist jedoch die Regel unsers
Autors, wie hieraus genugsam erhellet, nicht nur un-
zutreffend,
sondern auch zum andern sehr unbe-
stimmt
und schwankend. Denn was sind z. B.
Kirchensachen? was sind Gewissenssachen? wer weiß
nicht, wie ausgedehnt und überspannt hiervon die Be-
griffe des Päbstlichen Rechts sind, dem es nie am An-
strich und Prätext gefehlt hat, auch blos weltlichen
Sachen die Gestalt von geistlichen und kirchlichen zu
geben, nur um die Grenzen der päbstlichen und geistli-
chen Gerichtsbarkeit zu erweitern 23)? Bahnt also nicht

die
23) S. Hofr. Schnaubert kurze Entwickelung des
Begrifs von geistlichen Sachen überhaupt,
in
Dessel-

1. Buch. 2. Tit.
buͤndig dargethan worden, daß man es ſicher fuͤr erwie-
ſen annehmen darf. Ohnmoͤglich kann doch wohl das
Paͤbſtliche Recht in ſolchen Vorſchriften bey uns gelten,
welche den gereinigten Religionsbegriffen unſerer Kirche
widerſprechen. Wie koͤnnten wir alſo dieſem Rechte
gerade in der Materie einen Vorzug beylegen, wo al-
les auf ſolchen Gruͤnden beruhet, welche unſerm Reli-
gionsſyſteme gaͤnzlich zuwider ſind? Wie ſollten wir mit
Hintanſetzung der weit vernuͤnftigern Grundſaͤtze des Roͤ-
miſchen Rechts in einer ſo wichtigen Sache die Vor-
ſchriften eines Rechts befolgen, welche zu den gefaͤhr-
lichſten Eides-Mißbraͤuchen Anlaß geben, und eine un-
ſelige Quelle der ſchaͤdlichſten Folgen fuͤr das gemeine
Beſte ſind? Ich werde hiervon in der Folge bey dem
§. 341. noch umſtaͤndlicher handeln. Daß auch im
Proceß dem Canoniſchen Rechte nicht ohne alle Aus-
nahme der Vorzug vor dem Roͤmiſchen eingeraͤumt wer-
den koͤnne, beweißt das bereits in vorhergehendem §.
angefuͤhrte Beiſpiel vom Zeugenbeweiſe; bey welchem
wir heutiges Tages die Verordnungen des Juſtinianei-
ſchen Rechts befolgen. Es iſt jedoch die Regel unſers
Autors, wie hieraus genugſam erhellet, nicht nur un-
zutreffend,
ſondern auch zum andern ſehr unbe-
ſtimmt
und ſchwankend. Denn was ſind z. B.
Kirchenſachen? was ſind Gewiſſensſachen? wer weiß
nicht, wie ausgedehnt und uͤberſpannt hiervon die Be-
griffe des Paͤbſtlichen Rechts ſind, dem es nie am An-
ſtrich und Praͤtext gefehlt hat, auch blos weltlichen
Sachen die Geſtalt von geiſtlichen und kirchlichen zu
geben, nur um die Grenzen der paͤbſtlichen und geiſtli-
chen Gerichtsbarkeit zu erweitern 23)? Bahnt alſo nicht

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23) S. Hofr. Schnaubert kurze Entwickelung des
Begrifs von geiſtlichen Sachen uͤberhaupt,
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[404/0424] 1. Buch. 2. Tit. buͤndig dargethan worden, daß man es ſicher fuͤr erwie- ſen annehmen darf. Ohnmoͤglich kann doch wohl das Paͤbſtliche Recht in ſolchen Vorſchriften bey uns gelten, welche den gereinigten Religionsbegriffen unſerer Kirche widerſprechen. Wie koͤnnten wir alſo dieſem Rechte gerade in der Materie einen Vorzug beylegen, wo al- les auf ſolchen Gruͤnden beruhet, welche unſerm Reli- gionsſyſteme gaͤnzlich zuwider ſind? Wie ſollten wir mit Hintanſetzung der weit vernuͤnftigern Grundſaͤtze des Roͤ- miſchen Rechts in einer ſo wichtigen Sache die Vor- ſchriften eines Rechts befolgen, welche zu den gefaͤhr- lichſten Eides-Mißbraͤuchen Anlaß geben, und eine un- ſelige Quelle der ſchaͤdlichſten Folgen fuͤr das gemeine Beſte ſind? Ich werde hiervon in der Folge bey dem §. 341. noch umſtaͤndlicher handeln. Daß auch im Proceß dem Canoniſchen Rechte nicht ohne alle Aus- nahme der Vorzug vor dem Roͤmiſchen eingeraͤumt wer- den koͤnne, beweißt das bereits in vorhergehendem §. angefuͤhrte Beiſpiel vom Zeugenbeweiſe; bey welchem wir heutiges Tages die Verordnungen des Juſtinianei- ſchen Rechts befolgen. Es iſt jedoch die Regel unſers Autors, wie hieraus genugſam erhellet, nicht nur un- zutreffend, ſondern auch zum andern ſehr unbe- ſtimmt und ſchwankend. Denn was ſind z. B. Kirchenſachen? was ſind Gewiſſensſachen? wer weiß nicht, wie ausgedehnt und uͤberſpannt hiervon die Be- griffe des Paͤbſtlichen Rechts ſind, dem es nie am An- ſtrich und Praͤtext gefehlt hat, auch blos weltlichen Sachen die Geſtalt von geiſtlichen und kirchlichen zu geben, nur um die Grenzen der paͤbſtlichen und geiſtli- chen Gerichtsbarkeit zu erweitern 23)? Bahnt alſo nicht die 23) S. Hofr. Schnaubert kurze Entwickelung des Begrifs von geiſtlichen Sachen uͤberhaupt, in Deſſel-

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/424>, abgerufen am 25.11.2024.