Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 2. Tit. hen kann. Nicht zu gedenken, daß die heutige durchden Religions- und Westphälischen Frieden stabilirte Ver- fassung des teutschen Reichs, und die reichsgesezmäsige Bestimmung der Grenzen zwischen der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit viele Verordnungen des canoni- schen Rechts ganz unanwendbar macht 53). Daß übrigens durch das canonische Recht in den Materien des römi- schen Civilrechts manche wichtige Veränderung gemacht worden, ist zwar überhaupt bekannt genug; nur dürfen wir hierin nicht allzuvoreilig seyn, und gleich eine jede päbstliche Verordnung, welche mit den Grundsätzen des römischen Rechts nicht übereinzustimmen scheint, für ei- ne Abänderung des leztern halten, indem die Päbste zuweilen nur eine locale Gewohnheit bestättiget, oder zum Grunde ihrer Entscheidung genommen haben 54). Es 53) So z. B. ist es ein Grundsaz des canonischen Rechts, daß causae iuramentorum vor die geistliche Gerichtsbar- keit gehörten, c. 34. X. de Elect. c. 8. X. de arbitris, c. 13. X. de iudic. c. fin. de foro compet. in 6to und nur die Päbste allein glaubten als Christi Vicarien berechtigt zu seyn, von der Verbindlichkeit der Eide loszusprechen, und überhaupt über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der- selben zu urtheilen. c. 34. X. de elect. Daß die Päb- ste dieser Grundsätze blos als Nahrungsmittel ihrer Herrschsucht über Monarchen und Unterthanen sich bedie- net, sahen Fürsten und Laien schon in jenen finstern Zei- ten ein, und heutiges Tages zweifeln weder Catholiken noch Protestanten mehr daran, daß der ordentliche Rich- ter, vor welchem der Rechtsstreit schwebt, er sey geist- oder weltlicher, über einen Eyd erkennen, und ihn aus rechtmäsiger Ursach für nichtig erklären könne. S. mal- blanc doctrina de iureiurando Lib. V. cap. II. §. 123. und Eybel Einleitung in das katholische Kirchenrecht IV. Th. 2. Band §. 394. not. i. S. 128. 54) Beispiele davon geben c. 10. und 13. X. de testament.
wes- 1. Buch. 2. Tit. hen kann. Nicht zu gedenken, daß die heutige durchden Religions- und Weſtphaͤliſchen Frieden ſtabilirte Ver- faſſung des teutſchen Reichs, und die reichsgeſezmaͤſige Beſtimmung der Grenzen zwiſchen der geiſtlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit viele Verordnungen des canoni- ſchen Rechts ganz unanwendbar macht 53). Daß uͤbrigens durch das canoniſche Recht in den Materien des roͤmi- ſchen Civilrechts manche wichtige Veraͤnderung gemacht worden, iſt zwar uͤberhaupt bekannt genug; nur duͤrfen wir hierin nicht allzuvoreilig ſeyn, und gleich eine jede paͤbſtliche Verordnung, welche mit den Grundſaͤtzen des roͤmiſchen Rechts nicht uͤbereinzuſtimmen ſcheint, fuͤr ei- ne Abaͤnderung des leztern halten, indem die Paͤbſte zuweilen nur eine locale Gewohnheit beſtaͤttiget, oder zum Grunde ihrer Entſcheidung genommen haben 54). Es 53) So z. B. iſt es ein Grundſaz des canoniſchen Rechts, daß cauſae iuramentorum vor die geiſtliche Gerichtsbar- keit gehoͤrten, c. 34. X. de Elect. c. 8. X. de arbitris, c. 13. X. de iudic. c. fin. de foro compet. in 6to und nur die Paͤbſte allein glaubten als Chriſti Vicarien berechtigt zu ſeyn, von der Verbindlichkeit der Eide loszuſprechen, und uͤberhaupt uͤber die Guͤltigkeit oder Unguͤltigkeit der- ſelben zu urtheilen. c. 34. X. de elect. Daß die Paͤb- ſte dieſer Grundſaͤtze blos als Nahrungsmittel ihrer Herrſchſucht uͤber Monarchen und Unterthanen ſich bedie- net, ſahen Fuͤrſten und Laien ſchon in jenen finſtern Zei- ten ein, und heutiges Tages zweifeln weder Catholiken noch Proteſtanten mehr daran, daß der ordentliche Rich- ter, vor welchem der Rechtsſtreit ſchwebt, er ſey geiſt- oder weltlicher, uͤber einen Eyd erkennen, und ihn aus rechtmaͤſiger Urſach fuͤr nichtig erklaͤren koͤnne. S. mal- blanc doctrina de iureiurando Lib. V. cap. II. §. 123. und Eybel Einleitung in das katholiſche Kirchenrecht IV. Th. 2. Band §. 394. not. i. S. 128. 54) Beiſpiele davon geben c. 10. und 13. X. de teſtament.
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1. Buch. 2. Tit.
hen kann. Nicht zu gedenken, daß die heutige durch
den Religions- und Weſtphaͤliſchen Frieden ſtabilirte Ver-
faſſung des teutſchen Reichs, und die reichsgeſezmaͤſige
Beſtimmung der Grenzen zwiſchen der geiſtlichen und
weltlichen Gerichtsbarkeit viele Verordnungen des canoni-
ſchen Rechts ganz unanwendbar macht 53). Daß uͤbrigens
durch das canoniſche Recht in den Materien des roͤmi-
ſchen Civilrechts manche wichtige Veraͤnderung gemacht
worden, iſt zwar uͤberhaupt bekannt genug; nur duͤrfen
wir hierin nicht allzuvoreilig ſeyn, und gleich eine jede
paͤbſtliche Verordnung, welche mit den Grundſaͤtzen des
roͤmiſchen Rechts nicht uͤbereinzuſtimmen ſcheint, fuͤr ei-
ne Abaͤnderung des leztern halten, indem die Paͤbſte
zuweilen nur eine locale Gewohnheit beſtaͤttiget, oder
zum Grunde ihrer Entſcheidung genommen haben 54).
Es
53) So z. B. iſt es ein Grundſaz des canoniſchen Rechts,
daß cauſae iuramentorum vor die geiſtliche Gerichtsbar-
keit gehoͤrten, c. 34. X. de Elect. c. 8. X. de arbitris,
c. 13. X. de iudic. c. fin. de foro compet. in 6to und nur
die Paͤbſte allein glaubten als Chriſti Vicarien berechtigt
zu ſeyn, von der Verbindlichkeit der Eide loszuſprechen,
und uͤberhaupt uͤber die Guͤltigkeit oder Unguͤltigkeit der-
ſelben zu urtheilen. c. 34. X. de elect. Daß die Paͤb-
ſte dieſer Grundſaͤtze blos als Nahrungsmittel ihrer
Herrſchſucht uͤber Monarchen und Unterthanen ſich bedie-
net, ſahen Fuͤrſten und Laien ſchon in jenen finſtern Zei-
ten ein, und heutiges Tages zweifeln weder Catholiken
noch Proteſtanten mehr daran, daß der ordentliche Rich-
ter, vor welchem der Rechtsſtreit ſchwebt, er ſey geiſt-
oder weltlicher, uͤber einen Eyd erkennen, und ihn aus
rechtmaͤſiger Urſach fuͤr nichtig erklaͤren koͤnne. S. mal-
blanc doctrina de iureiurando Lib. V. cap. II.
§. 123. und Eybel Einleitung in das katholiſche
Kirchenrecht IV. Th. 2. Band §. 394. not. i. S. 128.
54) Beiſpiele davon geben c. 10. und 13. X. de teſtament.
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