Anmelden (DTAQ)

DWDS dlexDB CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

1. Buch. 1. Tit.

durch eine Stipulation von meiner Verbindlichkeit frey
geworden, so war es genug, wenn ich nur bey der Litis-
Contestation dem Kläger sagte, me dare non oportere,
die weitere An- und Ausführung meiner Einrede, daß
eine Novation vorgegangen sey, brauchte erst beym Ju-
dex Pedaneus zu geschehen 23). Was endlich die Stel-
le des Herenmus Modestinus anbetrift, so dürfte es
wohl noch vielen Zweifeln unterworfen seyn, ob unter dem
facto natürliches Recht zu verstehen. Denn Modestin
sagt nicht, daß die Habitation mehr in facto als in
iure bestehe, sondern er handelt von dem Vermächt-
nis der Habitation, und setzt es mit dem Legato
annuo und menstruo in soweit in eine Klasse, daß das
eine so wenig als das andere durch die Kapitis Demi-
nution gänzlich aufgehoben werde. So wenig also ein
legatum in annos singulos vel menses singulos reli-
ctum für ein natürliches Recht anzusehen, so gewiß ist
es auch wohl, daß das Legat der Habitation seine gan-
ze Form und Kraft durch die Civilgesetze erhalten, und
auch daraus allein zu beurtheilen sey. Ohnstreitig hat
unter allen Interpreten der berühmte Herr geh. Justiz R.
Böhmer 24) den Modestinus am richtigsten erklärt,
wenn er sagt: 25) sane vix idoneus nexus rationis
cum ipsa decisione intelligitur, nisi legatum, de quo
agit Modestinus, ratione acquisitionis et constitutionis,
ob huius nexum cum amissione, in facto potius quam
in iure consistere dicatur hoc sensu, quod non ipso

iure,

23) Vergleiche Hugo Donellus a. a. O. pag. 1282.

24) Siehe Desselben elegante Observationem ad sen-
tentiam Modestini in L. 10. D. de capite minut.
Gott. 1778. Auf eine ähnliche Art erklärt diese Stelle
auch donellus in Comment de iure civili Lib. X.
cap. 21.

25) in der angeführten Schrift §. X. p. 13.

1. Buch. 1. Tit.

durch eine Stipulation von meiner Verbindlichkeit frey
geworden, ſo war es genug, wenn ich nur bey der Litis-
Conteſtation dem Klaͤger ſagte, me dare non oportere,
die weitere An- und Ausfuͤhrung meiner Einrede, daß
eine Novation vorgegangen ſey, brauchte erſt beym Ju-
dex Pedaneus zu geſchehen 23). Was endlich die Stel-
le des Herenmus Modeſtinus anbetrift, ſo duͤrfte es
wohl noch vielen Zweifeln unterworfen ſeyn, ob unter dem
facto natuͤrliches Recht zu verſtehen. Denn Modeſtin
ſagt nicht, daß die Habitation mehr in facto als in
iure beſtehe, ſondern er handelt von dem Vermaͤcht-
nis der Habitation, und ſetzt es mit dem Legato
annuo und menſtruo in ſoweit in eine Klaſſe, daß das
eine ſo wenig als das andere durch die Kapitis Demi-
nution gaͤnzlich aufgehoben werde. So wenig alſo ein
legatum in annos ſingulos vel menſes ſingulos reli-
ctum fuͤr ein natuͤrliches Recht anzuſehen, ſo gewiß iſt
es auch wohl, daß das Legat der Habitation ſeine gan-
ze Form und Kraft durch die Civilgeſetze erhalten, und
auch daraus allein zu beurtheilen ſey. Ohnſtreitig hat
unter allen Interpreten der beruͤhmte Herr geh. Juſtiz R.
Boͤhmer 24) den Modeſtinus am richtigſten erklaͤrt,
wenn er ſagt: 25) ſane vix idoneus nexus rationis
cum ipſa deciſione intelligitur, niſi legatum, de quo
agit Modeſtinus, ratione acquiſitionis et conſtitutionis,
ob huius nexum cum amiſſione, in facto potius quam
in iure conſiſtere dicatur hoc ſenſu, quod non ipſo

iure,

23) Vergleiche Hugo Donellus a. a. O. pag. 1282.

24) Siehe Deſſelben elegante Obſervationem ad ſen-
tentiam Modeſtini in L. 10. D. de capite minut.
Gott. 1778. Auf eine aͤhnliche Art erklaͤrt dieſe Stelle
auch donellus in Comment de iure civili Lib. X.
cap. 21.

25) in der angefuͤhrten Schrift §. X. p. 13.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0038" n="18"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
durch eine Stipulation von meiner Verbindlichkeit frey<lb/>
geworden, &#x017F;o war es genug, wenn ich nur bey der Litis-<lb/>
Conte&#x017F;tation dem Kla&#x0364;ger &#x017F;agte, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">me dare non oportere,</hi></hi><lb/>
die weitere An- und Ausfu&#x0364;hrung meiner Einrede, daß<lb/>
eine Novation vorgegangen &#x017F;ey, brauchte er&#x017F;t beym Ju-<lb/>
dex Pedaneus zu ge&#x017F;chehen <note place="foot" n="23)">Vergleiche <hi rendition="#fr">Hugo Donellus</hi> a. a. O. <hi rendition="#aq">pag.</hi> 1282.</note>. Was endlich die Stel-<lb/>
le des <hi rendition="#fr">Herenmus Mode&#x017F;tinus</hi> anbetrift, &#x017F;o du&#x0364;rfte es<lb/>
wohl noch vielen Zweifeln unterworfen &#x017F;eyn, ob unter dem<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">facto</hi></hi> natu&#x0364;rliches Recht zu ver&#x017F;tehen. Denn <hi rendition="#fr">Mode&#x017F;tin</hi><lb/>
&#x017F;agt nicht, daß die <hi rendition="#g">Habitation</hi> mehr <hi rendition="#aq">in facto</hi> als <hi rendition="#aq">in<lb/>
iure</hi> be&#x017F;tehe, &#x017F;ondern er handelt von dem <hi rendition="#g">Verma&#x0364;cht-<lb/>
nis der Habitation,</hi> und &#x017F;etzt es mit dem <hi rendition="#aq">Legato<lb/>
annuo</hi> und <hi rendition="#aq">men&#x017F;truo</hi> in &#x017F;oweit in eine Kla&#x017F;&#x017F;e, daß das<lb/>
eine &#x017F;o wenig als das andere durch die Kapitis Demi-<lb/>
nution ga&#x0364;nzlich aufgehoben werde. So wenig al&#x017F;o ein<lb/><hi rendition="#aq">legatum in annos &#x017F;ingulos vel men&#x017F;es &#x017F;ingulos reli-<lb/>
ctum</hi> fu&#x0364;r ein natu&#x0364;rliches Recht anzu&#x017F;ehen, &#x017F;o gewiß i&#x017F;t<lb/>
es auch wohl, daß das Legat der Habitation &#x017F;eine gan-<lb/>
ze Form und Kraft durch die Civilge&#x017F;etze erhalten, und<lb/>
auch daraus allein zu beurtheilen &#x017F;ey. Ohn&#x017F;treitig hat<lb/>
unter allen Interpreten der beru&#x0364;hmte Herr geh. Ju&#x017F;tiz R.<lb/><hi rendition="#fr">Bo&#x0364;hmer</hi> <note place="foot" n="24)">Siehe De&#x017F;&#x017F;elben elegante <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Ob&#x017F;ervationem ad &#x017F;en-<lb/>
tentiam Mode&#x017F;tini</hi><hi rendition="#i">in L. 10. D. de capite minut.</hi><lb/>
Gott.</hi> 1778. Auf eine a&#x0364;hnliche Art erkla&#x0364;rt die&#x017F;e Stelle<lb/>
auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">donellus</hi> in <hi rendition="#g">Comment de iure civili</hi> Lib. X.<lb/>
cap.</hi> 21.</note> den Mode&#x017F;tinus am richtig&#x017F;ten erkla&#x0364;rt,<lb/>
wenn er &#x017F;agt: <note place="foot" n="25)">in der angefu&#x0364;hrten Schrift §. <hi rendition="#aq">X. p.</hi> 13.</note> <hi rendition="#aq">&#x017F;ane vix idoneus nexus rationis<lb/>
cum ip&#x017F;a deci&#x017F;ione intelligitur, ni&#x017F;i legatum, de quo<lb/>
agit Mode&#x017F;tinus, <hi rendition="#i">ratione acqui&#x017F;itionis</hi> et <hi rendition="#i">con&#x017F;titutionis,</hi><lb/>
ob huius nexum cum ami&#x017F;&#x017F;ione, <hi rendition="#i">in facto</hi> potius quam<lb/><hi rendition="#i">in iure</hi> con&#x017F;i&#x017F;tere dicatur hoc &#x017F;en&#x017F;u, quod non ip&#x017F;o</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">iure,</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[18/0038] 1. Buch. 1. Tit. durch eine Stipulation von meiner Verbindlichkeit frey geworden, ſo war es genug, wenn ich nur bey der Litis- Conteſtation dem Klaͤger ſagte, me dare non oportere, die weitere An- und Ausfuͤhrung meiner Einrede, daß eine Novation vorgegangen ſey, brauchte erſt beym Ju- dex Pedaneus zu geſchehen 23). Was endlich die Stel- le des Herenmus Modeſtinus anbetrift, ſo duͤrfte es wohl noch vielen Zweifeln unterworfen ſeyn, ob unter dem facto natuͤrliches Recht zu verſtehen. Denn Modeſtin ſagt nicht, daß die Habitation mehr in facto als in iure beſtehe, ſondern er handelt von dem Vermaͤcht- nis der Habitation, und ſetzt es mit dem Legato annuo und menſtruo in ſoweit in eine Klaſſe, daß das eine ſo wenig als das andere durch die Kapitis Demi- nution gaͤnzlich aufgehoben werde. So wenig alſo ein legatum in annos ſingulos vel menſes ſingulos reli- ctum fuͤr ein natuͤrliches Recht anzuſehen, ſo gewiß iſt es auch wohl, daß das Legat der Habitation ſeine gan- ze Form und Kraft durch die Civilgeſetze erhalten, und auch daraus allein zu beurtheilen ſey. Ohnſtreitig hat unter allen Interpreten der beruͤhmte Herr geh. Juſtiz R. Boͤhmer 24) den Modeſtinus am richtigſten erklaͤrt, wenn er ſagt: 25) ſane vix idoneus nexus rationis cum ipſa deciſione intelligitur, niſi legatum, de quo agit Modeſtinus, ratione acquiſitionis et conſtitutionis, ob huius nexum cum amiſſione, in facto potius quam in iure conſiſtere dicatur hoc ſenſu, quod non ipſo iure, 23) Vergleiche Hugo Donellus a. a. O. pag. 1282. 24) Siehe Deſſelben elegante Obſervationem ad ſen- tentiam Modeſtini in L. 10. D. de capite minut. Gott. 1778. Auf eine aͤhnliche Art erklaͤrt dieſe Stelle auch donellus in Comment de iure civili Lib. X. cap. 21. 25) in der angefuͤhrten Schrift §. X. p. 13.

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/38
Zitationshilfe:	Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/38>, abgerufen am 21.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.