Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 2. Tit. Recht zu lehren sich aufgeworfen, aber wenig Beyfallgefunden hatten, in der erstern Helfte des zwölften Jahr- hunderts an, über die Justinianeischen Gesezsammlungen Vorlesungen zu halten, und wuste theils durch seine neue Lehrart, die mit allgemeinem Beyfall aufgenommen wurde, theils durch die Annehmlichkeit seines Vor- trags 90), der römischen Rechtsgelehrsamkeit so viele Ver- ehrer zu verschaffen, daß sich nun, seitdem Irnerius solche öffentlich zu lehren anfing, mit einer Art von Enthusiasmus alles darauf legte. Was eigentlich zur Entstehung dieser neuen Irnerianischen Schule Veran- lassung gegeben, und ob etwa die Gräfin Mathildis, wie der bekannte Abt von Ursperg 91) erzählt, die Trieb- feder gewesen, oder ob ein grammatischer Streit über die Bedeutung des Wortes as, welcher nach dem Zeug- niß des Cardinals zu Ostia 92) durch Einsicht der Justinia- neischen Pandecten soll entschieden worden seyn, den Ei- fer des Irnerius rege gemacht, ist hier zu untersu- chen, meine Sache nicht. Allein die neue Lehrmetho- de, deren sich Irnerius bey der Erklärung des justi- nianeischen Rechts bediente, und welcher das ausgebrei- tete Ansehen des römischen Rechts ganz vorzüglich zu- zuschreiben ist, müssen wir etwas näher kennen lernen. Sie bestand darin. Irnerius laas seinen Schülern den Text des justinianeischen Rechts von Gesez zu Ge- sez vor, und ohne sich in eine weitschweifige Entwicke- lung 90) Der gute Vortrag ward der Irnerianischen Schule so eigen, daß es zum Sprüchwort wurde: bononiensem in morem dicere, und ein guter Ausdruck der Worte sermo bononicus genennet wurde. S. sartius in Irnerio Prooem. §. XXIII. in zepernick Biga. S. 89. 91) Chronic. ad an. MCXXVI. 92) Commentar. ad Decretal. in rubric. tit. de
testamentis. sartius in Irnerio prooem. §. XX. 1. Buch. 2. Tit. Recht zu lehren ſich aufgeworfen, aber wenig Beyfallgefunden hatten, in der erſtern Helfte des zwoͤlften Jahr- hunderts an, uͤber die Juſtinianeiſchen Geſezſammlungen Vorleſungen zu halten, und wuſte theils durch ſeine neue Lehrart, die mit allgemeinem Beyfall aufgenommen wurde, theils durch die Annehmlichkeit ſeines Vor- trags 90), der roͤmiſchen Rechtsgelehrſamkeit ſo viele Ver- ehrer zu verſchaffen, daß ſich nun, ſeitdem Irnerius ſolche oͤffentlich zu lehren anfing, mit einer Art von Enthuſiasmus alles darauf legte. Was eigentlich zur Entſtehung dieſer neuen Irnerianiſchen Schule Veran- laſſung gegeben, und ob etwa die Graͤfin Mathildis, wie der bekannte Abt von Urſperg 91) erzaͤhlt, die Trieb- feder geweſen, oder ob ein grammatiſcher Streit uͤber die Bedeutung des Wortes as, welcher nach dem Zeug- niß des Cardinals zu Oſtia 92) durch Einſicht der Juſtinia- neiſchen Pandecten ſoll entſchieden worden ſeyn, den Ei- fer des Irnerius rege gemacht, iſt hier zu unterſu- chen, meine Sache nicht. Allein die neue Lehrmetho- de, deren ſich Irnerius bey der Erklaͤrung des juſti- nianeiſchen Rechts bediente, und welcher das ausgebrei- tete Anſehen des roͤmiſchen Rechts ganz vorzuͤglich zu- zuſchreiben iſt, muͤſſen wir etwas naͤher kennen lernen. Sie beſtand darin. Irnerius laas ſeinen Schuͤlern den Text des juſtinianeiſchen Rechts von Geſez zu Ge- ſez vor, und ohne ſich in eine weitſchweifige Entwicke- lung 90) Der gute Vortrag ward der Irnerianiſchen Schule ſo eigen, daß es zum Spruͤchwort wurde: bononienſem in morem dicere, und ein guter Ausdruck der Worte ſermo bononicus genennet wurde. S. sartius in Irnerio Prooem. §. XXIII. in zepernick Biga. S. 89. 91) Chronic. ad an. MCXXVI. 92) Commentar. ad Decretal. in rubric. tit. de
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1. Buch. 2. Tit.
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gefunden hatten, in der erſtern Helfte des zwoͤlften Jahr-
hunderts an, uͤber die Juſtinianeiſchen Geſezſammlungen
Vorleſungen zu halten, und wuſte theils durch ſeine
neue Lehrart, die mit allgemeinem Beyfall aufgenommen
wurde, theils durch die Annehmlichkeit ſeines Vor-
trags 90), der roͤmiſchen Rechtsgelehrſamkeit ſo viele Ver-
ehrer zu verſchaffen, daß ſich nun, ſeitdem Irnerius
ſolche oͤffentlich zu lehren anfing, mit einer Art von
Enthuſiasmus alles darauf legte. Was eigentlich zur
Entſtehung dieſer neuen Irnerianiſchen Schule Veran-
laſſung gegeben, und ob etwa die Graͤfin Mathildis,
wie der bekannte Abt von Urſperg 91) erzaͤhlt, die Trieb-
feder geweſen, oder ob ein grammatiſcher Streit uͤber
die Bedeutung des Wortes as, welcher nach dem Zeug-
niß des Cardinals zu Oſtia 92) durch Einſicht der Juſtinia-
neiſchen Pandecten ſoll entſchieden worden ſeyn, den Ei-
fer des Irnerius rege gemacht, iſt hier zu unterſu-
chen, meine Sache nicht. Allein die neue Lehrmetho-
de, deren ſich Irnerius bey der Erklaͤrung des juſti-
nianeiſchen Rechts bediente, und welcher das ausgebrei-
tete Anſehen des roͤmiſchen Rechts ganz vorzuͤglich zu-
zuſchreiben iſt, muͤſſen wir etwas naͤher kennen lernen.
Sie beſtand darin. Irnerius laas ſeinen Schuͤlern
den Text des juſtinianeiſchen Rechts von Geſez zu Ge-
ſez vor, und ohne ſich in eine weitſchweifige Entwicke-
lung
90) Der gute Vortrag ward der Irnerianiſchen Schule ſo
eigen, daß es zum Spruͤchwort wurde: bononienſem in
morem dicere, und ein guter Ausdruck der Worte ſermo
bononicus genennet wurde. S. sartius in Irnerio
Prooem. §. XXIII. in zepernick Biga. S. 89.
91) Chronic. ad an. MCXXVI.
92) Commentar. ad Decretal. in rubric. tit. de
teſtamentis. sartius in Irnerio prooem. §. XX.
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