Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch 1. Tit. ungerecht. Denn die Pflichten der Menschenliebe liegenausser den Grenzen der eigentlichen Gerechtigkeit; (iusti- tiae forensis) die Hintansetzung derselben misbilliget zwar die Moral, und erweckt auch wohl bey dem edler den- kenden Theil des Publicums Verachtung, aber ziehet doch keine eigentliche Strafe nach sich 29). Hieraus erhellet, daß die Eintheilung einiger Rechtsgelehrten von der Gerechtigkeit, wenn sie dieselbe in expletricem, wel- che in der Erfüllung der vollkommenen Pflichten, und attributricem, welche in der Beobachtung der Liebes- pflichten bestehen soll, eintheilen 30), für den Rechtsge- lehrten gar keinen Nutzen habe, weil wir in foro hu- mano nur mit Zwangsrechten und vollkommenen Pflich- ten zu thun haben 31). Eben so irrig ist auch die bekannte Eintheilung man, 29) So z. B. erzählt cicero de officiis Lib. III. c. 13. man habe es zu Athen für eine Schande gehalten, erran- ti viam non monstrare. 30) grotius de I. B. ac P. Lib. I. c. 1. §. 8. 31) würfel iurisprud. civ. definitiva §. 2. 32) Es ist diese Eintheilung aus des Aristoteles Ethik
V. Buch 5. Cap. genommen; S. kaestner Commen- tat. de iustitia eiusque speciebus, in Ari- stotel. Ethic. V. Lipsiae 1737. Daß jedoch ein Miß- verstand der Worte jenes Philosophen die eigentliche Quel- le dieser Eintheilung sey, hat D. Io. Sam. Traug. geh- ler in Commentat. de laesione emtoris ultra dimidium recte computanda Lipsiae 1777. §. XIII. gründlich dargethan. 1. Buch 1. Tit. ungerecht. Denn die Pflichten der Menſchenliebe liegenauſſer den Grenzen der eigentlichen Gerechtigkeit; (iuſti- tiae forenſis) die Hintanſetzung derſelben misbilliget zwar die Moral, und erweckt auch wohl bey dem edler den- kenden Theil des Publicums Verachtung, aber ziehet doch keine eigentliche Strafe nach ſich 29). Hieraus erhellet, daß die Eintheilung einiger Rechtsgelehrten von der Gerechtigkeit, wenn ſie dieſelbe in expletricem, wel- che in der Erfuͤllung der vollkommenen Pflichten, und attributricem, welche in der Beobachtung der Liebes- pflichten beſtehen ſoll, eintheilen 30), fuͤr den Rechtsge- lehrten gar keinen Nutzen habe, weil wir in foro hu- mano nur mit Zwangsrechten und vollkommenen Pflich- ten zu thun haben 31). Eben ſo irrig iſt auch die bekannte Eintheilung man, 29) So z. B. erzaͤhlt cicero de officiis Lib. III. c. 13. man habe es zu Athen fuͤr eine Schande gehalten, erran- ti viam non monſtrare. 30) grotius de I. B. ac P. Lib. I. c. 1. §. 8. 31) würfel iurisprud. civ. definitiva §. 2. 32) Es iſt dieſe Eintheilung aus des Ariſtoteles Ethik
V. Buch 5. Cap. genommen; S. kaestner Commen- tat. de iuſtitia eiusque ſpeciebus, in Ari- ſtotel. Ethic. V. Lipſiae 1737. Daß jedoch ein Miß- verſtand der Worte jenes Philoſophen die eigentliche Quel- le dieſer Eintheilung ſey, hat D. Io. Sam. Traug. geh- ler in Commentat. de laeſione emtoris ultra dimidium recte computanda Lipſiae 1777. §. XIII. gruͤndlich dargethan. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0310" n="290"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch 1. Tit.</hi></fw><lb/> ungerecht. Denn die Pflichten der Menſchenliebe liegen<lb/> auſſer den Grenzen der eigentlichen Gerechtigkeit; (<hi rendition="#aq">iuſti-<lb/> tiae forenſis</hi>) die Hintanſetzung derſelben misbilliget zwar<lb/> die Moral, und erweckt auch wohl bey dem edler den-<lb/> kenden Theil des Publicums Verachtung, aber ziehet<lb/> doch keine eigentliche Strafe nach ſich <note place="foot" n="29)">So z. B. erzaͤhlt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">cicero</hi><hi rendition="#g">de officiis</hi> Lib. III. c.</hi> 13.<lb/> man habe es zu Athen fuͤr eine Schande gehalten, <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">erran-<lb/> ti viam non monſtrare.</hi></hi></note>. Hieraus<lb/> erhellet, daß die Eintheilung einiger Rechtsgelehrten von<lb/> der Gerechtigkeit, wenn ſie dieſelbe in <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">expletricem,</hi></hi> wel-<lb/> che in der Erfuͤllung der vollkommenen Pflichten, und<lb/><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">attributricem,</hi></hi> welche in der Beobachtung der Liebes-<lb/> pflichten beſtehen ſoll, eintheilen <note place="foot" n="30)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">grotius</hi><hi rendition="#g">de I. B. ac</hi> P. Lib. I. c.</hi> 1. §. 8.</note>, fuͤr den Rechtsge-<lb/> lehrten gar keinen Nutzen habe, weil wir <hi rendition="#aq">in foro hu-<lb/> mano</hi> nur mit Zwangsrechten und vollkommenen Pflich-<lb/> ten zu thun haben <note place="foot" n="31)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">würfel</hi><hi rendition="#g">iurisprud. civ. definitiva</hi></hi> §. 2.</note>.</p><lb/> <p>Eben ſo irrig iſt auch die bekannte Eintheilung<lb/> der Juſtiz in <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">diſtributivam</hi></hi> und <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">commutativam,</hi></hi> welche<lb/> gemeiniglich mit jener verwechſelt wird. Erſtere ſoll<lb/> diejenige ſeyn, welche ein geometriſches, und leztere,<lb/> welche ein arithmetiſches Verhaͤltnis zum Maßſtab an-<lb/> nimmt <note place="foot" n="32)">Es iſt dieſe Eintheilung aus des <hi rendition="#fr">Ariſtoteles</hi> <hi rendition="#g">Ethik</hi><lb/><hi rendition="#aq">V.</hi> Buch 5. Cap. genommen; S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">kaestner</hi><hi rendition="#g">Commen-<lb/> tat. de iuſtitia eiusque ſpeciebus, in Ari-<lb/> ſtotel. Ethic</hi>. V. <hi rendition="#i">Lipſiae</hi></hi> 1737. Daß jedoch ein Miß-<lb/> verſtand der Worte jenes Philoſophen die eigentliche Quel-<lb/> le dieſer Eintheilung ſey, hat <hi rendition="#aq">D. <hi rendition="#i">Io. Sam. Traug.</hi> <hi rendition="#k">geh-<lb/> ler</hi> in Commentat. <hi rendition="#g">de laeſione emtoris ultra<lb/> dimidium recte computanda</hi> <hi rendition="#i">Lipſiae</hi> 1777. §. XIII.</hi><lb/> gruͤndlich dargethan.</note>. Die <hi rendition="#g">arithmetiſche Proportion</hi>, ſagt<lb/> <fw place="bottom" type="catch">man,</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [290/0310]
1. Buch 1. Tit.
ungerecht. Denn die Pflichten der Menſchenliebe liegen
auſſer den Grenzen der eigentlichen Gerechtigkeit; (iuſti-
tiae forenſis) die Hintanſetzung derſelben misbilliget zwar
die Moral, und erweckt auch wohl bey dem edler den-
kenden Theil des Publicums Verachtung, aber ziehet
doch keine eigentliche Strafe nach ſich 29). Hieraus
erhellet, daß die Eintheilung einiger Rechtsgelehrten von
der Gerechtigkeit, wenn ſie dieſelbe in expletricem, wel-
che in der Erfuͤllung der vollkommenen Pflichten, und
attributricem, welche in der Beobachtung der Liebes-
pflichten beſtehen ſoll, eintheilen 30), fuͤr den Rechtsge-
lehrten gar keinen Nutzen habe, weil wir in foro hu-
mano nur mit Zwangsrechten und vollkommenen Pflich-
ten zu thun haben 31).
Eben ſo irrig iſt auch die bekannte Eintheilung
der Juſtiz in diſtributivam und commutativam, welche
gemeiniglich mit jener verwechſelt wird. Erſtere ſoll
diejenige ſeyn, welche ein geometriſches, und leztere,
welche ein arithmetiſches Verhaͤltnis zum Maßſtab an-
nimmt 32). Die arithmetiſche Proportion, ſagt
man,
29) So z. B. erzaͤhlt cicero de officiis Lib. III. c. 13.
man habe es zu Athen fuͤr eine Schande gehalten, erran-
ti viam non monſtrare.
30) grotius de I. B. ac P. Lib. I. c. 1. §. 8.
31) würfel iurisprud. civ. definitiva §. 2.
32) Es iſt dieſe Eintheilung aus des Ariſtoteles Ethik
V. Buch 5. Cap. genommen; S. kaestner Commen-
tat. de iuſtitia eiusque ſpeciebus, in Ari-
ſtotel. Ethic. V. Lipſiae 1737. Daß jedoch ein Miß-
verſtand der Worte jenes Philoſophen die eigentliche Quel-
le dieſer Eintheilung ſey, hat D. Io. Sam. Traug. geh-
ler in Commentat. de laeſione emtoris ultra
dimidium recte computanda Lipſiae 1777. §. XIII.
gruͤndlich dargethan.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |