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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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de Iustitia et Iure.
Sachen der Reichsstände nicht nach den Landesgesetzen
und statuarischen Rechten derjenigen Provinz, in wel-
cher sie regieren, entschieden werden, wenn sie sich nicht
freywillig durch einen Vertrag, oder stillschweigend da-
zu verbindlich gemacht haben, welches leztere unter an-
dern daraus zu schliesen ist, wenn ein Landesherr will,
daß seine Sachen in seinen eigenen Gerichten entschie-
den werden sollen 85).

Dahingegen sind nun alle Unterthanen eines Lan-
desherrn, ohne Unterschied, sie mögen geistlichen oder
weltlichen Standes seyn, denen Gesetzen desselben un-
terworffen. Denn wenn gleich die Geistlichen einen be-
freyeten Gerichtsstand haben, so dürfen sie sich doch,
da sie ohne Zweifel als Bürger im Staate anzusehen
sind, denen bürgerlichen Gesetzen desselben keinesweges
entziehen, insofern sie nicht die Gesetze selbst hiervon
eximiren 86). Zwar suchte Innocenz III 87) die Geist-
lichkeit der weltlichen Obrigkeit völlig zu entreissen, und
dieselbe unter das Joch des geistlichen Despotismus zu
ziehen; allein in unsern Tagen siehet selbst der aufge-

klärte
85) S. reinharth in Observat. ad Christinaei
Decisiones
Vol. I. Obs. 10. hofacker in Prin-
cip. iuris civ. Rom. Germ
. T. l.
§. 84. S. 70.
Man vergleiche überdies hartleben in Meditat ad
Pandect
. Spec. VIII. m.
11. und M. lycklama a ny-
holt
Membranar. Lib. IV. Eclog.
19.
86) Mit Recht schreibt Petr. de marca de concordia
Sacerdotii et Imperii
. Lib. II. c. VII. §. 8. Quia
clerici, non tantum qua clerici, sed etiam qua ciues sunt,
spectantur in republica
, legibus Principum tenen-
tur,
nisi earum gratiam aut libertate generali, toti cle-
ro indulta, aut alicui ordini ex beneficio Regum consecuti
sint
.
87) cap. 6. X. de maiorit. et obedient.
S 2

de Iuſtitia et Iure.
Sachen der Reichsſtaͤnde nicht nach den Landesgeſetzen
und ſtatuariſchen Rechten derjenigen Provinz, in wel-
cher ſie regieren, entſchieden werden, wenn ſie ſich nicht
freywillig durch einen Vertrag, oder ſtillſchweigend da-
zu verbindlich gemacht haben, welches leztere unter an-
dern daraus zu ſchlieſen iſt, wenn ein Landesherr will,
daß ſeine Sachen in ſeinen eigenen Gerichten entſchie-
den werden ſollen 85).

Dahingegen ſind nun alle Unterthanen eines Lan-
desherrn, ohne Unterſchied, ſie moͤgen geiſtlichen oder
weltlichen Standes ſeyn, denen Geſetzen deſſelben un-
terworffen. Denn wenn gleich die Geiſtlichen einen be-
freyeten Gerichtsſtand haben, ſo duͤrfen ſie ſich doch,
da ſie ohne Zweifel als Buͤrger im Staate anzuſehen
ſind, denen buͤrgerlichen Geſetzen deſſelben keinesweges
entziehen, inſofern ſie nicht die Geſetze ſelbſt hiervon
eximiren 86). Zwar ſuchte Innocenz III 87) die Geiſt-
lichkeit der weltlichen Obrigkeit voͤllig zu entreiſſen, und
dieſelbe unter das Joch des geiſtlichen Despotismus zu
ziehen; allein in unſern Tagen ſiehet ſelbſt der aufge-

klaͤrte
85) S. reinharth in Obſervat. ad Chriſtinaei
Deciſiones
Vol. I. Obſ. 10. hofacker in Prin-
cip. iuris civ. Rom. Germ
. T. l.
§. 84. S. 70.
Man vergleiche uͤberdies hartleben in Meditat ad
Pandect
. Spec. VIII. m.
11. und M. lycklama a ny-
holt
Membranar. Lib. IV. Eclog.
19.
86) Mit Recht ſchreibt Petr. de marca de concordia
Sacerdotii et Imperii
. Lib. II. c. VII. §. 8. Quia
clerici, non tantum qua clerici, ſed etiam qua ciues ſunt,
ſpectantur in republica
, legibus Principum tenen-
tur,
niſi earum gratiam aut libertate generali, toti cle-
ro indulta, aut alicui ordini ex beneficio Regum conſecuti
ſint
.
87) cap. 6. X. de maiorit. et obedient.
S 2
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[275/0295] de Iuſtitia et Iure. Sachen der Reichsſtaͤnde nicht nach den Landesgeſetzen und ſtatuariſchen Rechten derjenigen Provinz, in wel- cher ſie regieren, entſchieden werden, wenn ſie ſich nicht freywillig durch einen Vertrag, oder ſtillſchweigend da- zu verbindlich gemacht haben, welches leztere unter an- dern daraus zu ſchlieſen iſt, wenn ein Landesherr will, daß ſeine Sachen in ſeinen eigenen Gerichten entſchie- den werden ſollen 85). Dahingegen ſind nun alle Unterthanen eines Lan- desherrn, ohne Unterſchied, ſie moͤgen geiſtlichen oder weltlichen Standes ſeyn, denen Geſetzen deſſelben un- terworffen. Denn wenn gleich die Geiſtlichen einen be- freyeten Gerichtsſtand haben, ſo duͤrfen ſie ſich doch, da ſie ohne Zweifel als Buͤrger im Staate anzuſehen ſind, denen buͤrgerlichen Geſetzen deſſelben keinesweges entziehen, inſofern ſie nicht die Geſetze ſelbſt hiervon eximiren 86). Zwar ſuchte Innocenz III 87) die Geiſt- lichkeit der weltlichen Obrigkeit voͤllig zu entreiſſen, und dieſelbe unter das Joch des geiſtlichen Despotismus zu ziehen; allein in unſern Tagen ſiehet ſelbſt der aufge- klaͤrte 85) S. reinharth in Obſervat. ad Chriſtinaei Deciſiones Vol. I. Obſ. 10. hofacker in Prin- cip. iuris civ. Rom. Germ. T. l. §. 84. S. 70. Man vergleiche uͤberdies hartleben in Meditat ad Pandect. Spec. VIII. m. 11. und M. lycklama a ny- holt Membranar. Lib. IV. Eclog. 19. 86) Mit Recht ſchreibt Petr. de marca de concordia Sacerdotii et Imperii. Lib. II. c. VII. §. 8. Quia clerici, non tantum qua clerici, ſed etiam qua ciues ſunt, ſpectantur in republica, legibus Principum tenen- tur, niſi earum gratiam aut libertate generali, toti cle- ro indulta, aut alicui ordini ex beneficio Regum conſecuti ſint. 87) cap. 6. X. de maiorit. et obedient. S 2

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/295>, abgerufen am 23.11.2024.