Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. 3) Es kann zuweilen ein Fall vorkommen, der dem im Gesez enthaltenen Falle von der einen Seite völlig gleich ist, und den- noch kann, weil nicht gleiche Ursach der gesezlichen Sanction bey demselben vor- handen ist, das Gesez darauf nicht ausge- dehnet werden. Ein deutliches Beyspiel hiervon geben die Mosaischen Eheverbote. Denn so finden wir oft, daß Moses von zwey dem Grade der Verwandschaft nach gleich nahen Ehen die eine aus- drücklich verboten, die andere aber nicht genannt hat; und dennoch kann nach der richtigen Erklä- rung der heutigen Theologen sowohl als Rechts- gelehrten das Verbot auf die nicht genannten Ehen nicht extendiret werden, weil man bey einer ge- nauern Untersuchung gefunden, daß bey denenselben nicht eben die Ursachen des Verbots vorhanden sind, als bey den von Mose ausdrücklich verbotenen Fällen. So ist z. E. die von Mose verbotene Ehe mit der Tante 49), der von ihm nicht genannten Ehe mit der Niece; desgleichen die von Mose ausdrück- lich verbotene Ehe mit des Vaters Bruders Wit- we 50), der nicht genannten Ehe mit der Mutter Bruders Witwe dem Grade der Verwandschaft nach völlig gleich, aber dennoch nicht in dem einen Falle dieselbe Ursach des Verbots, wie in dem andern Falle vorhanden, und daher darf auch nicht der Schluß von dem genannten auf den nicht genannten Fall gemacht werden. Da hier der Ort noch nicht ist, diese Gedanken weiter zu detailliren, so beziehe ich mich einsweilen auf die gründliche Ausführung des 49) III. B. Mos. XVIII, v. 12. 13. XX. v. 19. 50) III. B. Mos. XVIII. v. 14. XX. v. 20.
1. Buch. 1. Tit. 3) Es kann zuweilen ein Fall vorkommen, der dem im Geſez enthaltenen Falle von der einen Seite voͤllig gleich iſt, und den- noch kann, weil nicht gleiche Urſach der geſezlichen Sanction bey demſelben vor- handen iſt, das Geſez darauf nicht ausge- dehnet werden. Ein deutliches Beyſpiel hiervon geben die Moſaiſchen Eheverbote. Denn ſo finden wir oft, daß Moſes von zwey dem Grade der Verwandſchaft nach gleich nahen Ehen die eine aus- druͤcklich verboten, die andere aber nicht genannt hat; und dennoch kann nach der richtigen Erklaͤ- rung der heutigen Theologen ſowohl als Rechts- gelehrten das Verbot auf die nicht genannten Ehen nicht extendiret werden, weil man bey einer ge- nauern Unterſuchung gefunden, daß bey denenſelben nicht eben die Urſachen des Verbots vorhanden ſind, als bey den von Moſe ausdruͤcklich verbotenen Faͤllen. So iſt z. E. die von Moſe verbotene Ehe mit der Tante 49), der von ihm nicht genannten Ehe mit der Niece; desgleichen die von Moſe ausdruͤck- lich verbotene Ehe mit des Vaters Bruders Wit- we 50), der nicht genannten Ehe mit der Mutter Bruders Witwe dem Grade der Verwandſchaft nach voͤllig gleich, aber dennoch nicht in dem einen Falle dieſelbe Urſach des Verbots, wie in dem andern Falle vorhanden, und daher darf auch nicht der Schluß von dem genannten auf den nicht genannten Fall gemacht werden. Da hier der Ort noch nicht iſt, dieſe Gedanken weiter zu detailliren, ſo beziehe ich mich einsweilen auf die gruͤndliche Ausfuͤhrung des 49) III. B. Moſ. XVIII, v. 12. 13. XX. v. 19. 50) III. B. Moſ. XVIII. v. 14. XX. v. 20.
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1. Buch. 1. Tit.
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der dem im Geſez enthaltenen Falle von
der einen Seite voͤllig gleich iſt, und den-
noch kann, weil nicht gleiche Urſach der
geſezlichen Sanction bey demſelben vor-
handen iſt, das Geſez darauf nicht ausge-
dehnet werden. Ein deutliches Beyſpiel hiervon
geben die Moſaiſchen Eheverbote. Denn ſo finden
wir oft, daß Moſes von zwey dem Grade der
Verwandſchaft nach gleich nahen Ehen die eine aus-
druͤcklich verboten, die andere aber nicht genannt
hat; und dennoch kann nach der richtigen Erklaͤ-
rung der heutigen Theologen ſowohl als Rechts-
gelehrten das Verbot auf die nicht genannten Ehen
nicht extendiret werden, weil man bey einer ge-
nauern Unterſuchung gefunden, daß bey denenſelben
nicht eben die Urſachen des Verbots vorhanden
ſind, als bey den von Moſe ausdruͤcklich verbotenen
Faͤllen. So iſt z. E. die von Moſe verbotene Ehe
mit der Tante 49), der von ihm nicht genannten Ehe
mit der Niece; desgleichen die von Moſe ausdruͤck-
lich verbotene Ehe mit des Vaters Bruders Wit-
we 50), der nicht genannten Ehe mit der Mutter
Bruders Witwe dem Grade der Verwandſchaft nach
voͤllig gleich, aber dennoch nicht in dem einen Falle
dieſelbe Urſach des Verbots, wie in dem andern
Falle vorhanden, und daher darf auch nicht der
Schluß von dem genannten auf den nicht genannten
Fall gemacht werden. Da hier der Ort noch nicht
iſt, dieſe Gedanken weiter zu detailliren, ſo beziehe
ich mich einsweilen auf die gruͤndliche Ausfuͤhrung
des
49) III. B. Moſ. XVIII, v. 12. 13. XX. v. 19.
50) III. B. Moſ. XVIII. v. 14. XX. v. 20.
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