Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. Und hierin bestehet nun die logische Gesezausle-gung, welche die Absicht und den Beweggrund des Gesezgebers untersucht, und hieraus beurtheilt, ob man bey den Worten stehen bleiben, oder dieselben ausdeh- nen oder einschränken müsse. Hat nun der Gesezgeber selbst den Grund hinzugefügt, der ihn bewogen hat, das Gesez zu geben, so hat der Ausleger sodann keine weitere Mühe, denselben aufzusuchen; nur muß es ge- wiß seyn, daß der Gesezgeber den wahren, wesentlichen Grund im Gesez angeführt habe. Denn nicht selten finden wir, daß die Gesezgeber aus Staatspolitic ihre wahre Absicht verschweigen, und ihre Gesetze mit aller- hand Scheingründen zu coloriren suchen 22). Ist aber der Grund dem Gesetze nicht beygefügt, oder ist der im Gesez angeführte Grund so beschaffen, daß man billig daran zweifeln muß, ob es der wahre wesentliche Grund sey; so ist es Pflicht des Gesezauslegers, denselben aus- zuforschen, und hier müssen ihn die Geschichte von der Veranlassung des Gesetzes, Kenntnis der damahligen Staatsverfassung, Sitten und Gebräuche, auch herr- schend gewesener Meinungen, insonderheit aber die Phi- loso- 22) Man vergleiche hier Herm. Ern. rumpel Diss. de
legum rationibus, quae in ipsis legibus mi- nus accurate exhibentur. Erfordiae 1765. Bei- spiele aus dem Civilrecht hat auch walch ad Eckhar- dum S. 26. aus dem canonischen Recht aber habe ich dergleichen in meinen Praecognitis angeführt §. 35. Man hüte sich jedoch, daß man nicht die in den Gese- tzen angeführte Gründe ohne Grund für unzureichend hält. Hiervon hat Frid. Gottfr. hauck in Diss. de ra- tionibus ICtorum veterum falso suspectis Trajecti ad Rhen. 1734. sehr ausführlich gehandelt, wel- che in Ger. oelrichs Thes. Dissert. Belgicar. T. I. S. 314. steht. 1. Buch. 1. Tit. Und hierin beſtehet nun die logiſche Geſezausle-gung, welche die Abſicht und den Beweggrund des Geſezgebers unterſucht, und hieraus beurtheilt, ob man bey den Worten ſtehen bleiben, oder dieſelben ausdeh- nen oder einſchraͤnken muͤſſe. Hat nun der Geſezgeber ſelbſt den Grund hinzugefuͤgt, der ihn bewogen hat, das Geſez zu geben, ſo hat der Ausleger ſodann keine weitere Muͤhe, denſelben aufzuſuchen; nur muß es ge- wiß ſeyn, daß der Geſezgeber den wahren, weſentlichen Grund im Geſez angefuͤhrt habe. Denn nicht ſelten finden wir, daß die Geſezgeber aus Staatspolitic ihre wahre Abſicht verſchweigen, und ihre Geſetze mit aller- hand Scheingruͤnden zu coloriren ſuchen 22). Iſt aber der Grund dem Geſetze nicht beygefuͤgt, oder iſt der im Geſez angefuͤhrte Grund ſo beſchaffen, daß man billig daran zweifeln muß, ob es der wahre weſentliche Grund ſey; ſo iſt es Pflicht des Geſezauslegers, denſelben aus- zuforſchen, und hier muͤſſen ihn die Geſchichte von der Veranlaſſung des Geſetzes, Kenntnis der damahligen Staatsverfaſſung, Sitten und Gebraͤuche, auch herr- ſchend geweſener Meinungen, inſonderheit aber die Phi- loſo- 22) Man vergleiche hier Herm. Ern. rumpel Diſſ. de
legum rationibus, quae in ipſis legibus mi- nus accurate exhibentur. Erfordiae 1765. Bei- ſpiele aus dem Civilrecht hat auch walch ad Eckhar- dum S. 26. aus dem canoniſchen Recht aber habe ich dergleichen in meinen Praecognitis angefuͤhrt §. 35. Man huͤte ſich jedoch, daß man nicht die in den Geſe- tzen angefuͤhrte Gruͤnde ohne Grund fuͤr unzureichend haͤlt. Hiervon hat Frid. Gottfr. hauck in Diſſ. de ra- tionibus ICtorum veterum falſo ſuſpectis Trajecti ad Rhen. 1734. ſehr ausfuͤhrlich gehandelt, wel- che in Ger. oelrichs Theſ. Diſſert. Belgicar. T. I. S. 314. ſteht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0260" n="240"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/> Und hierin beſtehet nun die <hi rendition="#g">logiſche Geſezausle-<lb/> gung</hi>, welche die Abſicht und den Beweggrund des<lb/> Geſezgebers unterſucht, und hieraus beurtheilt, ob man<lb/> bey den Worten ſtehen bleiben, oder dieſelben ausdeh-<lb/> nen oder einſchraͤnken muͤſſe. Hat nun der Geſezgeber<lb/> ſelbſt den Grund hinzugefuͤgt, der ihn bewogen hat,<lb/> das Geſez zu geben, ſo hat der Ausleger ſodann keine<lb/> weitere Muͤhe, denſelben aufzuſuchen; nur muß es ge-<lb/> wiß ſeyn, daß der Geſezgeber den wahren, weſentlichen<lb/> Grund im Geſez angefuͤhrt habe. Denn nicht ſelten<lb/> finden wir, daß die Geſezgeber aus Staatspolitic ihre<lb/> wahre Abſicht verſchweigen, und ihre Geſetze mit aller-<lb/> hand Scheingruͤnden zu coloriren ſuchen <note place="foot" n="22)">Man vergleiche hier <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Herm. Ern.</hi><hi rendition="#k">rumpel</hi> Diſſ. <hi rendition="#g">de<lb/> legum rationibus, quae in ipſis legibus mi-<lb/> nus accurate exhibentur</hi>. <hi rendition="#i">Erfordiae</hi></hi> 1765. Bei-<lb/> ſpiele aus dem Civilrecht hat auch <hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">walch</hi><hi rendition="#g">ad Eckhar-<lb/> dum</hi></hi> S. 26. aus dem canoniſchen Recht aber habe ich<lb/> dergleichen in meinen <hi rendition="#g"><hi rendition="#aq">Praecognitis</hi></hi> angefuͤhrt §. 35.<lb/> Man huͤte ſich jedoch, daß man nicht die in den Geſe-<lb/> tzen angefuͤhrte Gruͤnde ohne Grund fuͤr unzureichend<lb/> haͤlt. Hiervon hat <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Frid. Gottfr.</hi><hi rendition="#k">hauck</hi> in Diſſ. <hi rendition="#g">de ra-<lb/> tionibus ICtorum veterum falſo ſuſpectis</hi><lb/><hi rendition="#i">Trajecti ad Rhen.</hi></hi> 1734. ſehr ausfuͤhrlich gehandelt, wel-<lb/> che in <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Ger.</hi><hi rendition="#k">oelrichs</hi><hi rendition="#i">Theſ. Diſſert. Belgicar.</hi> T. I.</hi><lb/> S. 314. ſteht.</note>. Iſt aber<lb/> der Grund dem Geſetze nicht beygefuͤgt, oder iſt der im<lb/> Geſez angefuͤhrte Grund ſo beſchaffen, daß man billig<lb/> daran zweifeln muß, ob es der wahre weſentliche Grund<lb/> ſey; ſo iſt es Pflicht des Geſezauslegers, denſelben aus-<lb/> zuforſchen, und hier muͤſſen ihn die Geſchichte von der<lb/> Veranlaſſung des Geſetzes, Kenntnis der damahligen<lb/> Staatsverfaſſung, Sitten und Gebraͤuche, auch herr-<lb/> ſchend geweſener Meinungen, inſonderheit aber die Phi-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">loſo-</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [240/0260]
1. Buch. 1. Tit.
Und hierin beſtehet nun die logiſche Geſezausle-
gung, welche die Abſicht und den Beweggrund des
Geſezgebers unterſucht, und hieraus beurtheilt, ob man
bey den Worten ſtehen bleiben, oder dieſelben ausdeh-
nen oder einſchraͤnken muͤſſe. Hat nun der Geſezgeber
ſelbſt den Grund hinzugefuͤgt, der ihn bewogen hat,
das Geſez zu geben, ſo hat der Ausleger ſodann keine
weitere Muͤhe, denſelben aufzuſuchen; nur muß es ge-
wiß ſeyn, daß der Geſezgeber den wahren, weſentlichen
Grund im Geſez angefuͤhrt habe. Denn nicht ſelten
finden wir, daß die Geſezgeber aus Staatspolitic ihre
wahre Abſicht verſchweigen, und ihre Geſetze mit aller-
hand Scheingruͤnden zu coloriren ſuchen 22). Iſt aber
der Grund dem Geſetze nicht beygefuͤgt, oder iſt der im
Geſez angefuͤhrte Grund ſo beſchaffen, daß man billig
daran zweifeln muß, ob es der wahre weſentliche Grund
ſey; ſo iſt es Pflicht des Geſezauslegers, denſelben aus-
zuforſchen, und hier muͤſſen ihn die Geſchichte von der
Veranlaſſung des Geſetzes, Kenntnis der damahligen
Staatsverfaſſung, Sitten und Gebraͤuche, auch herr-
ſchend geweſener Meinungen, inſonderheit aber die Phi-
loſo-
22) Man vergleiche hier Herm. Ern. rumpel Diſſ. de
legum rationibus, quae in ipſis legibus mi-
nus accurate exhibentur. Erfordiae 1765. Bei-
ſpiele aus dem Civilrecht hat auch walch ad Eckhar-
dum S. 26. aus dem canoniſchen Recht aber habe ich
dergleichen in meinen Praecognitis angefuͤhrt §. 35.
Man huͤte ſich jedoch, daß man nicht die in den Geſe-
tzen angefuͤhrte Gruͤnde ohne Grund fuͤr unzureichend
haͤlt. Hiervon hat Frid. Gottfr. hauck in Diſſ. de ra-
tionibus ICtorum veterum falſo ſuſpectis
Trajecti ad Rhen. 1734. ſehr ausfuͤhrlich gehandelt, wel-
che in Ger. oelrichs Theſ. Diſſert. Belgicar. T. I.
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