Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. bestimmt sind 53), wie leicht kann sich der Richter beyderen Anwendung nicht irren? Sehr treffend sagt da- her bey Entscheidung eines gewissen Rechtsfalles der rö- mische Jurist Paulus 54) esse hanc quaestionem de bono, et aequo: in quo genere plerumque sub auctori- tate iuris scientiae perniciose erratur. Welche Unge- wißheit des Rechts würde also nicht daraus entstehen, wenn der Richter sich ermächtigen dürfte, unter dem Vorwand der Billigkeit von den Gesetzen abzuweichen? Ja wie leicht würde Leidenschaft des Richters, oder Unwissenheit desselben den Mantel der Billigkeit anneh- men, und der Ungerechtigkeit und Partheylichkeit Thür und Thor geöfnet werden? Mit Recht haben daher an- dere jene Meinung verworfen, und den Richter auf ge- horsame Befolgung der Gesetze eingeschränkt 55). Wenn nun 53) scaevola sagt z. B. in L. 14. pr. D. de div. tem. por. praescript. de accessionibus possessionum nihil in perpetuum, neque generaliter definire possumus: consi- stunt enim in sola aequitate. 54) L. 91. §. 3. D. de verbor. obligat. 55) Carrach rechtliche Erörterung der Frage:
Ob in Teutschland eine Gerichtsobrigkeit unter dem Vorwande der Billigkeit von den Gesetzen abweichen könne? Nro 44. der wöchent- lichen Hallischen Anzeigen vom Jahr 1764. Henr. Christph. bertuch Diss. de eo, quod circa aequi- tatem iniquum est. Erf. 1736. Henr. God. bauer Pr. de aequitatis in iure usu Lips. 1761. Io. Diet. mellmann Orat. de decisione causarum ex Legibus aequi et boni. Kilonii 1778. hart- leben Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. IV. med. 9. u. 10. westphal Untersuchung der Fra- ge, ob ein ohne die vorgeschriebene Form ge- mach- 1. Buch. 1. Tit. beſtimmt ſind 53), wie leicht kann ſich der Richter beyderen Anwendung nicht irren? Sehr treffend ſagt da- her bey Entſcheidung eines gewiſſen Rechtsfalles der roͤ- miſche Juriſt Paulus 54) eſſe hanc quaeſtionem de bono, et aequo: in quo genere plerumque ſub auctori- tate iuris ſcientiae pernicioſe erratur. Welche Unge- wißheit des Rechts wuͤrde alſo nicht daraus entſtehen, wenn der Richter ſich ermaͤchtigen duͤrfte, unter dem Vorwand der Billigkeit von den Geſetzen abzuweichen? Ja wie leicht wuͤrde Leidenſchaft des Richters, oder Unwiſſenheit deſſelben den Mantel der Billigkeit anneh- men, und der Ungerechtigkeit und Partheylichkeit Thuͤr und Thor geoͤfnet werden? Mit Recht haben daher an- dere jene Meinung verworfen, und den Richter auf ge- horſame Befolgung der Geſetze eingeſchraͤnkt 55). Wenn nun 53) scaevola ſagt z. B. in L. 14. pr. D. de div. tem. por. praeſcript. de acceſſionibus poſſeſſionum nihil in perpetuum, neque generaliter definire poſſumus: conſi- ſtunt enim in ſola aequitate. 54) L. 91. §. 3. D. de verbor. obligat. 55) Carrach rechtliche Eroͤrterung der Frage:
Ob in Teutſchland eine Gerichtsobrigkeit unter dem Vorwande der Billigkeit von den Geſetzen abweichen koͤnne? Nro 44. der woͤchent- lichen Halliſchen Anzeigen vom Jahr 1764. Henr. Chriſtph. bertuch Diſſ. de eo, quod circa aequi- tatem iniquum eſt. Erf. 1736. Henr. God. bauer Pr. de aequitatis in iure uſu Lipſ. 1761. Io. Diet. mellmann Orat. de deciſione cauſarum ex Legibus aequi et boni. Kilonii 1778. hart- leben Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. IV. med. 9. u. 10. westphal Unterſuchung der Fra- ge, ob ein ohne die vorgeſchriebene Form ge- mach- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0228" n="208"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/> beſtimmt ſind <note place="foot" n="53)"><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">scaevola</hi></hi> ſagt z. B. <hi rendition="#aq">in <hi rendition="#i">L. 14. pr. D. de div. tem.<lb/> por. praeſcript.</hi> de acceſſionibus poſſeſſionum nihil in<lb/> perpetuum, neque generaliter definire poſſumus: <hi rendition="#i">conſi-<lb/> ſtunt enim in ſola aequitate.</hi></hi></note>, wie leicht kann ſich der Richter bey<lb/> deren Anwendung nicht irren? Sehr treffend ſagt da-<lb/> her bey Entſcheidung eines gewiſſen Rechtsfalles der roͤ-<lb/> miſche Juriſt <hi rendition="#fr">Paulus</hi> <note place="foot" n="54)"><hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">L. 91. §. 3. D. de verbor. obligat.</hi></hi></note> <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">eſſe hanc quaeſtionem de<lb/> bono, et aequo: in quo genere plerumque ſub auctori-<lb/> tate iuris ſcientiae pernicioſe erratur.</hi></hi> Welche Unge-<lb/> wißheit des Rechts wuͤrde alſo nicht daraus entſtehen,<lb/> wenn der Richter ſich ermaͤchtigen duͤrfte, unter dem<lb/> Vorwand der Billigkeit von den Geſetzen abzuweichen?<lb/> Ja wie leicht wuͤrde Leidenſchaft des Richters, oder<lb/> Unwiſſenheit deſſelben den Mantel der Billigkeit anneh-<lb/> men, und der Ungerechtigkeit und Partheylichkeit Thuͤr<lb/> und Thor geoͤfnet werden? Mit Recht haben daher an-<lb/> dere jene Meinung verworfen, und den Richter auf ge-<lb/> horſame Befolgung der Geſetze eingeſchraͤnkt <note xml:id="seg2pn_23_1" next="#seg2pn_23_2" place="foot" n="55)">Carrach <hi rendition="#g">rechtliche Eroͤrterung der Frage:<lb/> Ob in Teutſchland eine Gerichtsobrigkeit<lb/> unter dem Vorwande der Billigkeit von den<lb/> Geſetzen abweichen koͤnne</hi>? <hi rendition="#aq">Nro</hi> 44. der woͤchent-<lb/> lichen Halliſchen Anzeigen vom Jahr 1764. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Henr.<lb/> Chriſtph.</hi><hi rendition="#k">bertuch</hi> Diſſ. <hi rendition="#g">de eo, quod circa aequi-<lb/> tatem iniquum eſt</hi>. <hi rendition="#i">Erf.</hi> 1736. <hi rendition="#i">Henr. God.</hi> <hi rendition="#k">bauer</hi><lb/> Pr. <hi rendition="#g">de aequitatis in iure uſu</hi> <hi rendition="#i">Lipſ.</hi> 1761. <hi rendition="#i">Io.<lb/> Diet.</hi> <hi rendition="#k">mellmann</hi> Orat. <hi rendition="#g">de deciſione cauſarum<lb/> ex Legibus aequi et boni</hi>. <hi rendition="#i">Kilonii</hi> 1778. <hi rendition="#k">hart-<lb/> leben</hi> <hi rendition="#g">Meditat. ad Pandect</hi>. Vol. I. P. I. Spec. IV.<lb/> med.</hi> 9. u. 10. <hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">westphal</hi></hi> <hi rendition="#g">Unterſuchung der Fra-<lb/> ge, ob ein ohne die vorgeſchriebene Form ge-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">mach-</hi></fw></note>. Wenn<lb/> <fw place="bottom" type="catch">nun</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [208/0228]
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miſche Juriſt Paulus 54) eſſe hanc quaeſtionem de
bono, et aequo: in quo genere plerumque ſub auctori-
tate iuris ſcientiae pernicioſe erratur. Welche Unge-
wißheit des Rechts wuͤrde alſo nicht daraus entſtehen,
wenn der Richter ſich ermaͤchtigen duͤrfte, unter dem
Vorwand der Billigkeit von den Geſetzen abzuweichen?
Ja wie leicht wuͤrde Leidenſchaft des Richters, oder
Unwiſſenheit deſſelben den Mantel der Billigkeit anneh-
men, und der Ungerechtigkeit und Partheylichkeit Thuͤr
und Thor geoͤfnet werden? Mit Recht haben daher an-
dere jene Meinung verworfen, und den Richter auf ge-
horſame Befolgung der Geſetze eingeſchraͤnkt 55). Wenn
nun
53) scaevola ſagt z. B. in L. 14. pr. D. de div. tem.
por. praeſcript. de acceſſionibus poſſeſſionum nihil in
perpetuum, neque generaliter definire poſſumus: conſi-
ſtunt enim in ſola aequitate.
54) L. 91. §. 3. D. de verbor. obligat.
55) Carrach rechtliche Eroͤrterung der Frage:
Ob in Teutſchland eine Gerichtsobrigkeit
unter dem Vorwande der Billigkeit von den
Geſetzen abweichen koͤnne? Nro 44. der woͤchent-
lichen Halliſchen Anzeigen vom Jahr 1764. Henr.
Chriſtph. bertuch Diſſ. de eo, quod circa aequi-
tatem iniquum eſt. Erf. 1736. Henr. God. bauer
Pr. de aequitatis in iure uſu Lipſ. 1761. Io.
Diet. mellmann Orat. de deciſione cauſarum
ex Legibus aequi et boni. Kilonii 1778. hart-
leben Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. IV.
med. 9. u. 10. westphal Unterſuchung der Fra-
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