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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch 1. Tit.
Absicht des Gesezgebers zum Grunde gelegt, und auf die
Umstände der Sache, und die besondern Eigenschaften
und Verhältnisse der Persohnen Rücksicht genommen
wird 29). Unter dem strengen Recht hingegen ver-
stehet man alsdann dasjenige, was die allgemeine Regel
und der Buchstabe des Gesetzes besagt. Man nennt
jene Billigkeit aequitatem iuridicam, oder die Billig-
keit des Richters,
und der Unterschied zwischen die-
ser und der Strenge des Rechts besteher darinn,
daß leztere sich an die allgemeine Regel hält, die
Billigkeit aber zugleich auf die gute oder schlimme
Wirkung
Rücksicht nimmt, welche die Anwendung
der Regel im gegebenen Falle haben würde. Des-
wegen setzen diejenigen Rechtsgelehrten, welche über die-
sen Gegenstand geschrieben haben, die Billigkeit des
Richters
vorzüglich in die vernünftige Erwägung der
zu beurtheilenden Thatsachen 30). Sie verlangen fer-
ner, daß ein billiger Richter die durch positive Gesetze
eingeführte Ungleichheit soviel als möglich mildern, und
überall auf die menschliche Schwachheit Rücksicht neh-
men solle 31). Welchen Begrif aber auch die Rechts-

gelehr-
29) Ulric. huber in Digression. Iustinian. Lib. I.
cap. V.
§. 3. sagt: aequitas nihil quam benigna et hu-
mana iuris scripti interpretatio est, pro diversitate singu-
larium, non ex verbis, sed e mente Legislatoris facta.

Und Modestin zeigt den Unterschied inter verba legis et
mentem legislatoris
durch ein schönes Beispiel in L. 13.
§. 2. D. de Excusat.
30) S. Io Paul. kress in Diss. de Aequitate (Helm-
städt 1731.) Cap. I. §. 13. not. d. wo dieses durch die
Worte des Alphens in L. 52. §. 2. D. ad L. Aquil. in
causa ius est positum,
bestärkt wird.
31) kress in der angef. Schrift Cap. I. §. 18. wo folgende
Beschreibung der Billigkeit gegeben wird: aequitas
est

1. Buch 1. Tit.
Abſicht des Geſezgebers zum Grunde gelegt, und auf die
Umſtaͤnde der Sache, und die beſondern Eigenſchaften
und Verhaͤltniſſe der Perſohnen Ruͤckſicht genommen
wird 29). Unter dem ſtrengen Recht hingegen ver-
ſtehet man alsdann dasjenige, was die allgemeine Regel
und der Buchſtabe des Geſetzes beſagt. Man nennt
jene Billigkeit aequitatem iuridicam, oder die Billig-
keit des Richters,
und der Unterſchied zwiſchen die-
ſer und der Strenge des Rechts beſteher darinn,
daß leztere ſich an die allgemeine Regel haͤlt, die
Billigkeit aber zugleich auf die gute oder ſchlimme
Wirkung
Ruͤckſicht nimmt, welche die Anwendung
der Regel im gegebenen Falle haben wuͤrde. Des-
wegen ſetzen diejenigen Rechtsgelehrten, welche uͤber die-
ſen Gegenſtand geſchrieben haben, die Billigkeit des
Richters
vorzuͤglich in die vernuͤnftige Erwaͤgung der
zu beurtheilenden Thatſachen 30). Sie verlangen fer-
ner, daß ein billiger Richter die durch poſitive Geſetze
eingefuͤhrte Ungleichheit ſoviel als moͤglich mildern, und
uͤberall auf die menſchliche Schwachheit Ruͤckſicht neh-
men ſolle 31). Welchen Begrif aber auch die Rechts-

gelehr-
29) Ulric. huber in Digreſſion. Iuſtinian. Lib. I.
cap. V.
§. 3. ſagt: aequitas nihil quam benigna et hu-
mana iuris ſcripti interpretatio eſt, pro diverſitate ſingu-
larium, non ex verbis, ſed e mente Legislatoris facta.

Und Modeſtin zeigt den Unterſchied inter verba legis et
mentem legislatoris
durch ein ſchoͤnes Beiſpiel in L. 13.
§. 2. D. de Excuſat.
30) S. Io Paul. kress in Diſſ. de Aequitate (Helm-
ſtaͤdt 1731.) Cap. I. §. 13. not. d. wo dieſes durch die
Worte des Alphens in L. 52. §. 2. D. ad L. Aquil. in
cauſa ius eſt poſitum,
beſtaͤrkt wird.
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Beſchreibung der Billigkeit gegeben wird: aequitas
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[194/0214] 1. Buch 1. Tit. Abſicht des Geſezgebers zum Grunde gelegt, und auf die Umſtaͤnde der Sache, und die beſondern Eigenſchaften und Verhaͤltniſſe der Perſohnen Ruͤckſicht genommen wird 29). Unter dem ſtrengen Recht hingegen ver- ſtehet man alsdann dasjenige, was die allgemeine Regel und der Buchſtabe des Geſetzes beſagt. Man nennt jene Billigkeit aequitatem iuridicam, oder die Billig- keit des Richters, und der Unterſchied zwiſchen die- ſer und der Strenge des Rechts beſteher darinn, daß leztere ſich an die allgemeine Regel haͤlt, die Billigkeit aber zugleich auf die gute oder ſchlimme Wirkung Ruͤckſicht nimmt, welche die Anwendung der Regel im gegebenen Falle haben wuͤrde. Des- wegen ſetzen diejenigen Rechtsgelehrten, welche uͤber die- ſen Gegenſtand geſchrieben haben, die Billigkeit des Richters vorzuͤglich in die vernuͤnftige Erwaͤgung der zu beurtheilenden Thatſachen 30). Sie verlangen fer- ner, daß ein billiger Richter die durch poſitive Geſetze eingefuͤhrte Ungleichheit ſoviel als moͤglich mildern, und uͤberall auf die menſchliche Schwachheit Ruͤckſicht neh- men ſolle 31). Welchen Begrif aber auch die Rechts- gelehr- 29) Ulric. huber in Digreſſion. Iuſtinian. Lib. I. cap. V. §. 3. ſagt: aequitas nihil quam benigna et hu- mana iuris ſcripti interpretatio eſt, pro diverſitate ſingu- larium, non ex verbis, ſed e mente Legislatoris facta. Und Modeſtin zeigt den Unterſchied inter verba legis et mentem legislatoris durch ein ſchoͤnes Beiſpiel in L. 13. §. 2. D. de Excuſat. 30) S. Io Paul. kress in Diſſ. de Aequitate (Helm- ſtaͤdt 1731.) Cap. I. §. 13. not. d. wo dieſes durch die Worte des Alphens in L. 52. §. 2. D. ad L. Aquil. in cauſa ius eſt poſitum, beſtaͤrkt wird. 31) kress in der angef. Schrift Cap. I. §. 18. wo folgende Beſchreibung der Billigkeit gegeben wird: aequitas eſt

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/214>, abgerufen am 24.11.2024.