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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
mischen Gesetze von einer natürlichen Verbindlichkeit re-
den, sie nicht immer darunter eine solche verstehen,
wegen welcher keine gerichtliche Klage statt findet, son-
dern sie verstehen vielmehr eine sclche Obligation, wel-
che an sich zwar nach Vorschrift der gesunden
Vernunft dem in der bürgerlichen Societät
sich befindenden Menschen wirklich obliegt,
jedoch den völligen gerichtlichen Effect, wel-
cher in der Regel mit einer Zwangspflicht
verbunden ist, nicht hervorbringt;
und diese
wird die natürliche Verbindlichkeit im strengsten
Verstande des Civilrechts
genennet 17) Noch eins
darf ich hierbey nicht unberührt lassen, nehmlich die-
ses, daß die bürgerlichen Gesetze die gerichtliche Wirkung

einer
17) Weber a. a. O. §. 55. Das Wort natürlich wird
hier dem bürgerlichen entgegengesezt, und unter jenem
alles dasjenige verstanden, was an sich zwar wirk-
lich vorhanden ist, jedoch vermöge der bür-
gerlichen Gesetze diejenige Gültigkeit und
Wirkung nicht hat, welche nach Vorschrift
des blosen Naturrechts statt finden würde
. Es
findet diese Bedeutung nicht blos statt, wenn die römi-
schen Gesetze von einer obligatione naturali reden, son-
dern auch wenn sie von einem dominio naturali, so z. B.
der Frau während der Ehe am Brautschaz zustehet, ferner
von einer cognatione naturali, die aus unehelichem Bei-
schlaf, oder auch bey den Römern aus einer Sclavenehe
entstund, reden Uebrigens bemerke ich noch hierbey, daß
die natürliche Verbindlichkeit, welche den völligen gericht-
lichen Effect nicht hat, eine uneigentliche, impropria
seu abusiva
von den röm. Juristen genennt zu werden
pflegt, L. 16. §. 4. D. de fideiuss. L. 41. D. de peculio,
weil nur eine bürgerlich vollgültige Verbindlichkeit im
Sinn des Civilrechts Obligatio genennt wird, wie ich
schon oben S. 21. bemerkt habe.

1. Buch. 1. Tit.
miſchen Geſetze von einer natuͤrlichen Verbindlichkeit re-
den, ſie nicht immer darunter eine ſolche verſtehen,
wegen welcher keine gerichtliche Klage ſtatt findet, ſon-
dern ſie verſtehen vielmehr eine ſclche Obligation, wel-
che an ſich zwar nach Vorſchrift der geſunden
Vernunft dem in der buͤrgerlichen Societaͤt
ſich befindenden Menſchen wirklich obliegt,
jedoch den voͤlligen gerichtlichen Effect, wel-
cher in der Regel mit einer Zwangspflicht
verbunden iſt, nicht hervorbringt;
und dieſe
wird die natuͤrliche Verbindlichkeit im ſtrengſten
Verſtande des Civilrechts
genennet 17) Noch eins
darf ich hierbey nicht unberuͤhrt laſſen, nehmlich die-
ſes, daß die buͤrgerlichen Geſetze die gerichtliche Wirkung

einer
17) Weber a. a. O. §. 55. Das Wort natuͤrlich wird
hier dem buͤrgerlichen entgegengeſezt, und unter jenem
alles dasjenige verſtanden, was an ſich zwar wirk-
lich vorhanden iſt, jedoch vermoͤge der buͤr-
gerlichen Geſetze diejenige Guͤltigkeit und
Wirkung nicht hat, welche nach Vorſchrift
des bloſen Naturrechts ſtatt finden wuͤrde
. Es
findet dieſe Bedeutung nicht blos ſtatt, wenn die roͤmi-
ſchen Geſetze von einer obligatione naturali reden, ſon-
dern auch wenn ſie von einem dominio naturali, ſo z. B.
der Frau waͤhrend der Ehe am Brautſchaz zuſtehet, ferner
von einer cognatione naturali, die aus unehelichem Bei-
ſchlaf, oder auch bey den Roͤmern aus einer Sclavenehe
entſtund, reden Uebrigens bemerke ich noch hierbey, daß
die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche den voͤlligen gericht-
lichen Effect nicht hat, eine uneigentliche, impropria
ſeu abuſiva
von den roͤm. Juriſten genennt zu werden
pflegt, L. 16. §. 4. D. de fideiuſſ. L. 41. D. de peculio,
weil nur eine buͤrgerlich vollguͤltige Verbindlichkeit im
Sinn des Civilrechts Obligatio genennt wird, wie ich
ſchon oben S. 21. bemerkt habe.
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[190/0210] 1. Buch. 1. Tit. miſchen Geſetze von einer natuͤrlichen Verbindlichkeit re- den, ſie nicht immer darunter eine ſolche verſtehen, wegen welcher keine gerichtliche Klage ſtatt findet, ſon- dern ſie verſtehen vielmehr eine ſclche Obligation, wel- che an ſich zwar nach Vorſchrift der geſunden Vernunft dem in der buͤrgerlichen Societaͤt ſich befindenden Menſchen wirklich obliegt, jedoch den voͤlligen gerichtlichen Effect, wel- cher in der Regel mit einer Zwangspflicht verbunden iſt, nicht hervorbringt; und dieſe wird die natuͤrliche Verbindlichkeit im ſtrengſten Verſtande des Civilrechts genennet 17) Noch eins darf ich hierbey nicht unberuͤhrt laſſen, nehmlich die- ſes, daß die buͤrgerlichen Geſetze die gerichtliche Wirkung einer 17) Weber a. a. O. §. 55. Das Wort natuͤrlich wird hier dem buͤrgerlichen entgegengeſezt, und unter jenem alles dasjenige verſtanden, was an ſich zwar wirk- lich vorhanden iſt, jedoch vermoͤge der buͤr- gerlichen Geſetze diejenige Guͤltigkeit und Wirkung nicht hat, welche nach Vorſchrift des bloſen Naturrechts ſtatt finden wuͤrde. Es findet dieſe Bedeutung nicht blos ſtatt, wenn die roͤmi- ſchen Geſetze von einer obligatione naturali reden, ſon- dern auch wenn ſie von einem dominio naturali, ſo z. B. der Frau waͤhrend der Ehe am Brautſchaz zuſtehet, ferner von einer cognatione naturali, die aus unehelichem Bei- ſchlaf, oder auch bey den Roͤmern aus einer Sclavenehe entſtund, reden Uebrigens bemerke ich noch hierbey, daß die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche den voͤlligen gericht- lichen Effect nicht hat, eine uneigentliche, impropria ſeu abuſiva von den roͤm. Juriſten genennt zu werden pflegt, L. 16. §. 4. D. de fideiuſſ. L. 41. D. de peculio, weil nur eine buͤrgerlich vollguͤltige Verbindlichkeit im Sinn des Civilrechts Obligatio genennt wird, wie ich ſchon oben S. 21. bemerkt habe.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/210>, abgerufen am 23.11.2024.