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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
genen Handlungen zur Regel dienen 39). Es kann
daher eigentlich kein positives Gesez auf schon vergan-
gene
Handlungen, die bereits vor der Bekanntma-
chung desselben geschehen sind, und ihre Vollkommenheit
erhalten haben, angewendet werden. Weil niemanden
sein ius quaesitum, was er rechtmäsiger weise erworben
hat, genommen werden darf. Man setze z. B. den
Fall, daß in einem gewissen Lande das neue Gesez ge-
geben würde, daß keine Verpfändungen liegender Grund-
stücke ohne gerichtliche Ingrossation der Hypothec gültig
seyn solten; ein Bürger aber sich kurz zuvor von seinem
Schuldner eine Hypothec, jedoch ohne gerichtliche Con-
firmation, habe constituiren lassen. Ist nun bey künftig
entstandenem Concurs diese Hypothec nach dem neuen
Gesez zu beurtheilen, folglich der Gläubiger nicht an-
ders, als wenn er gar keine Hypothec hätte, unter die
Chirographarios zu lociren? Nein, dies wäre offen-
bahr unbillig. Der Creditor bekommt seinen Plaz un-
ter denen Hypothecariis, den ihm das vormahlige
Recht anweißt. So einleuchtend nun dieses zu seyn
scheint, so schwer ist es oft, in Anwendung jener Re-
gel, zu bestimmen, ob und in wiefern eine gewisse Hand-
lung
für vergangen, oder für noch zukünftig zu
halten sey. Denn oft ist ein rechtliches Geschäft vor
der Bekanntmachung des neuen Gesetzes völlig abge-
schlossen, und seinem Wesen nach vollkommen; allein es
ist noch nicht vollzogen, sondern die Consummation hängt
noch von einer künftigen Handlung ab. Wenn nun un-
terdessen Lex nova darzukommt, die dergleichen Handel
verbietet, ist das neue Gesez auf diesen Fall anzuwen-

den?
39) L. 7. C. de Legib. Leges et constitutiones futuris
certum est dare formam negotiis, non ad facta prae-
terita revocari:
nisi nominatim et de praeterito tempore
et adhuc pendentibus negotiis cautum sit.

1. Buch. 1. Tit.
genen Handlungen zur Regel dienen 39). Es kann
daher eigentlich kein poſitives Geſez auf ſchon vergan-
gene
Handlungen, die bereits vor der Bekanntma-
chung deſſelben geſchehen ſind, und ihre Vollkommenheit
erhalten haben, angewendet werden. Weil niemanden
ſein ius quaeſitum, was er rechtmaͤſiger weiſe erworben
hat, genommen werden darf. Man ſetze z. B. den
Fall, daß in einem gewiſſen Lande das neue Geſez ge-
geben wuͤrde, daß keine Verpfaͤndungen liegender Grund-
ſtuͤcke ohne gerichtliche Ingroſſation der Hypothec guͤltig
ſeyn ſolten; ein Buͤrger aber ſich kurz zuvor von ſeinem
Schuldner eine Hypothec, jedoch ohne gerichtliche Con-
firmation, habe conſtituiren laſſen. Iſt nun bey kuͤnftig
entſtandenem Concurs dieſe Hypothec nach dem neuen
Geſez zu beurtheilen, folglich der Glaͤubiger nicht an-
ders, als wenn er gar keine Hypothec haͤtte, unter die
Chirographarios zu lociren? Nein, dies waͤre offen-
bahr unbillig. Der Creditor bekommt ſeinen Plaz un-
ter denen Hypothecariis, den ihm das vormahlige
Recht anweißt. So einleuchtend nun dieſes zu ſeyn
ſcheint, ſo ſchwer iſt es oft, in Anwendung jener Re-
gel, zu beſtimmen, ob und in wiefern eine gewiſſe Hand-
lung
fuͤr vergangen, oder fuͤr noch zukuͤnftig zu
halten ſey. Denn oft iſt ein rechtliches Geſchaͤft vor
der Bekanntmachung des neuen Geſetzes voͤllig abge-
ſchloſſen, und ſeinem Weſen nach vollkommen; allein es
iſt noch nicht vollzogen, ſondern die Conſummation haͤngt
noch von einer kuͤnftigen Handlung ab. Wenn nun un-
terdeſſen Lex nova darzukommt, die dergleichen Handel
verbietet, iſt das neue Geſez auf dieſen Fall anzuwen-

den?
39) L. 7. C. de Legib. Leges et conſtitutiones futuris
certum eſt dare formam negotiis, non ad facta prae-
terita revocari:
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[140/0160] 1. Buch. 1. Tit. genen Handlungen zur Regel dienen 39). Es kann daher eigentlich kein poſitives Geſez auf ſchon vergan- gene Handlungen, die bereits vor der Bekanntma- chung deſſelben geſchehen ſind, und ihre Vollkommenheit erhalten haben, angewendet werden. Weil niemanden ſein ius quaeſitum, was er rechtmaͤſiger weiſe erworben hat, genommen werden darf. Man ſetze z. B. den Fall, daß in einem gewiſſen Lande das neue Geſez ge- geben wuͤrde, daß keine Verpfaͤndungen liegender Grund- ſtuͤcke ohne gerichtliche Ingroſſation der Hypothec guͤltig ſeyn ſolten; ein Buͤrger aber ſich kurz zuvor von ſeinem Schuldner eine Hypothec, jedoch ohne gerichtliche Con- firmation, habe conſtituiren laſſen. Iſt nun bey kuͤnftig entſtandenem Concurs dieſe Hypothec nach dem neuen Geſez zu beurtheilen, folglich der Glaͤubiger nicht an- ders, als wenn er gar keine Hypothec haͤtte, unter die Chirographarios zu lociren? Nein, dies waͤre offen- bahr unbillig. Der Creditor bekommt ſeinen Plaz un- ter denen Hypothecariis, den ihm das vormahlige Recht anweißt. So einleuchtend nun dieſes zu ſeyn ſcheint, ſo ſchwer iſt es oft, in Anwendung jener Re- gel, zu beſtimmen, ob und in wiefern eine gewiſſe Hand- lung fuͤr vergangen, oder fuͤr noch zukuͤnftig zu halten ſey. Denn oft iſt ein rechtliches Geſchaͤft vor der Bekanntmachung des neuen Geſetzes voͤllig abge- ſchloſſen, und ſeinem Weſen nach vollkommen; allein es iſt noch nicht vollzogen, ſondern die Conſummation haͤngt noch von einer kuͤnftigen Handlung ab. Wenn nun un- terdeſſen Lex nova darzukommt, die dergleichen Handel verbietet, iſt das neue Geſez auf dieſen Fall anzuwen- den? 39) L. 7. C. de Legib. Leges et conſtitutiones futuris certum eſt dare formam negotiis, non ad facta prae- terita revocari: niſi nominatim et de praeterito tempore et adhuc pendentibus negotiis cautum ſit.

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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/160>, abgerufen am 22.11.2024.