Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.1. Buch. 1. Tit. befinden entgegen zu handeln. Nun würde aber dieFreyheit, dem bürgerlichen Verbote zu entsagen, offen- bahr eine solche Befugniß involviren. Es bestättigen auch selbst die Gesetze diese Regel, daß gegen verbieten- de Gesetze keine gültige Entsagung statt finde, eben so klar. So reseribirt unter andern K. Antonin L. 6. C. de pactis: Pacta, quae contra leges constitu- tionesque vel contra bonos mores fiunt, nullam vim habere, indubitati iuris est 82). Weil aber dennoch in einigen Fällen die Gesetze selbst von dieser Regel abwei- chen, und eine Entsagung dagegen zulassen, so hat die- ses zu mancherley Distinctionen, und besondern Regeln in den Systemen und Commentarien der Rechtsgelehrten Gelegenheit gegeben. Einige wollen unsere Regel zwar in so weit gelten lassen, wenn man ihr den Sinn bey- legt, daß niemand durch seine Erklärung be- würken könne, daß etwas erlaubt werde, was das Gesez verbietet; allein, wenn der Sinn der Regel dieser seyn sollte, niemand könne gültig sich erklären, daß er sich seines Rechts in Anse- hung desjenigen nicht bedienen wolle, was die Gesetze ihm zum Besten verboten haben, so gelte diese Regel zwar bey absolut verbietenden Ge- setzen, bey legibus secundum quid prohibitivis hinge- gen finde sie keine Anwendung 83). Allein ich zweifle, ob diese Distinction eine in jedem Fall untrügliche Norm geben werde. Es ist doch wohl unleugbahr, daß die Römische Verordnung von Schenkungen unter den Leben- den, 82) Man vergleiche daneben L. 7. §. 14. D. de pactis und L. 15. D. de condit. institut. 83) So urtheilt der berühmte Herr Geh. Rath Nettel-
bladt in s. System. Element. Iurisprud. posi- tivae Germ communis general. Lib. I. Sect. V. M. II. C. II. Tit. 2. §. 458. 1. Buch. 1. Tit. befinden entgegen zu handeln. Nun wuͤrde aber dieFreyheit, dem buͤrgerlichen Verbote zu entſagen, offen- bahr eine ſolche Befugniß involviren. Es beſtaͤttigen auch ſelbſt die Geſetze dieſe Regel, daß gegen verbieten- de Geſetze keine guͤltige Entſagung ſtatt finde, eben ſo klar. So reſeribirt unter andern K. Antonin L. 6. C. de pactis: Pacta, quae contra leges conſtitu- tionesque vel contra bonos mores fiunt, nullam vim habere, indubitati iuris eſt 82). Weil aber dennoch in einigen Faͤllen die Geſetze ſelbſt von dieſer Regel abwei- chen, und eine Entſagung dagegen zulaſſen, ſo hat die- ſes zu mancherley Diſtinctionen, und beſondern Regeln in den Syſtemen und Commentarien der Rechtsgelehrten Gelegenheit gegeben. Einige wollen unſere Regel zwar in ſo weit gelten laſſen, wenn man ihr den Sinn bey- legt, daß niemand durch ſeine Erklaͤrung be- wuͤrken koͤnne, daß etwas erlaubt werde, was das Geſez verbietet; allein, wenn der Sinn der Regel dieſer ſeyn ſollte, niemand koͤnne guͤltig ſich erklaͤren, daß er ſich ſeines Rechts in Anſe- hung desjenigen nicht bedienen wolle, was die Geſetze ihm zum Beſten verboten haben, ſo gelte dieſe Regel zwar bey abſolut verbietenden Ge- ſetzen, bey legibus ſecundum quid prohibitivis hinge- gen finde ſie keine Anwendung 83). Allein ich zweifle, ob dieſe Diſtinction eine in jedem Fall untruͤgliche Norm geben werde. Es iſt doch wohl unleugbahr, daß die Roͤmiſche Verordnung von Schenkungen unter den Leben- den, 82) Man vergleiche daneben L. 7. §. 14. D. de pactis und L. 15. D. de condit. inſtitut. 83) So urtheilt der beruͤhmte Herr Geh. Rath Nettel-
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bahr eine ſolche Befugniß involviren. Es beſtaͤttigen auch
ſelbſt die Geſetze dieſe Regel, daß gegen verbieten-
de Geſetze keine guͤltige Entſagung ſtatt finde,
eben ſo klar. So reſeribirt unter andern K. Antonin
L. 6. C. de pactis: Pacta, quae contra leges conſtitu-
tionesque vel contra bonos mores fiunt, nullam vim
habere, indubitati iuris eſt 82). Weil aber dennoch in
einigen Faͤllen die Geſetze ſelbſt von dieſer Regel abwei-
chen, und eine Entſagung dagegen zulaſſen, ſo hat die-
ſes zu mancherley Diſtinctionen, und beſondern Regeln
in den Syſtemen und Commentarien der Rechtsgelehrten
Gelegenheit gegeben. Einige wollen unſere Regel zwar
in ſo weit gelten laſſen, wenn man ihr den Sinn bey-
legt, daß niemand durch ſeine Erklaͤrung be-
wuͤrken koͤnne, daß etwas erlaubt werde, was
das Geſez verbietet; allein, wenn der Sinn der
Regel dieſer ſeyn ſollte, niemand koͤnne guͤltig ſich
erklaͤren, daß er ſich ſeines Rechts in Anſe-
hung desjenigen nicht bedienen wolle, was
die Geſetze ihm zum Beſten verboten haben,
ſo gelte dieſe Regel zwar bey abſolut verbietenden Ge-
ſetzen, bey legibus ſecundum quid prohibitivis hinge-
gen finde ſie keine Anwendung 83). Allein ich zweifle,
ob dieſe Diſtinction eine in jedem Fall untruͤgliche Norm
geben werde. Es iſt doch wohl unleugbahr, daß die
Roͤmiſche Verordnung von Schenkungen unter den Leben-
den,
82) Man vergleiche daneben L. 7. §. 14. D. de pactis und
L. 15. D. de condit. inſtitut.
83) So urtheilt der beruͤhmte Herr Geh. Rath Nettel-
bladt in ſ. Syſtem. Element. Iurisprud. poſi-
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Zitationshilfe: | Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/128>, abgerufen am 16.02.2025. |