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Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

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1. Buch. 1. Tit.
null und nichtig zu halten? Die Note 1. enthält die
Entscheidung dieser Frage. Regulariter, sagt daselbst
der Autor, actus contra legis probibitionem susceptus
est nullus.
Ich trete dieser Meinung ohne weiteres
Bedenken bey. Schon die gesunde Vernunft überzeugt
uns von dieser Regel, denn indem die Gesetze diese
oder jene Handlung verbieten, so wird eben dadurch
denen Unterthanen die moralische Befugniß dazu entzo-
gen. Wie nun von dieser Befugniß die Gültigkeit und
rechtliche Wirkung der Geschäfte abhängt; so verstehet
es sich von selbst, daß das bürgerliche Verboth die
Nichtigkeit solcher Handlungen, welche dagegen unter-
nommen werden, nach sich ziehen müsse 68). Es be-
stättigen aber auch das nehmliche die deutlichsten Civil-
gesetze. Deutlicher und bestimmter kann keine Vorschrift
seyn, als die Verordnung der Kayser Theod. und
Valent. im L. 5. C. de Legib. 69), welche folgen-
des Inhalts ist: Nullum pactum, nullam conven-
tionem, nullum contractum inter eos videri volu-
mus subsecutum, qui contrahunt lege contrahere

pro-
68) S. puffendorf in I. N. et G. Lib. III. cap. 7. §. 6.
Zwar meint grotius de Iure B. et P. Lib. II. c. 5.
§. 14. n. 4. et
10. es sey noch ein Unterschied unter ver-
bieten, und eine Handlung nichtig machen; und erste-
res schliesse das leztere nicht nothwendig in sich, indem
dem Verbot auch durch eine Strafe ein Genüge geschehen
könne. Allein Herr Regierungsrath Eichmann hat diese
Meinung in seinen vortreflichen Erklärungen des
bürgerlichen Rechts
I. Th. S. 31. gründlich wi-
derlegt.
69) Die Distinction des ältern Röm. Rechts inter leges
perfectas, imperfectas
et minus quam perfectas,
die ich
schon oben S. 56. u. 57. erläutert habe, übergehe ich
hier um so mehr, da sie durch das neuere Röm. Recht
gänzlich aufgehoben worden ist.

1. Buch. 1. Tit.
null und nichtig zu halten? Die Note 1. enthaͤlt die
Entſcheidung dieſer Frage. Regulariter, ſagt daſelbſt
der Autor, actus contra legis probibitionem ſusceptus
eſt nullus.
Ich trete dieſer Meinung ohne weiteres
Bedenken bey. Schon die geſunde Vernunft uͤberzeugt
uns von dieſer Regel, denn indem die Geſetze dieſe
oder jene Handlung verbieten, ſo wird eben dadurch
denen Unterthanen die moraliſche Befugniß dazu entzo-
gen. Wie nun von dieſer Befugniß die Guͤltigkeit und
rechtliche Wirkung der Geſchaͤfte abhaͤngt; ſo verſtehet
es ſich von ſelbſt, daß das buͤrgerliche Verboth die
Nichtigkeit ſolcher Handlungen, welche dagegen unter-
nommen werden, nach ſich ziehen muͤſſe 68). Es be-
ſtaͤttigen aber auch das nehmliche die deutlichſten Civil-
geſetze. Deutlicher und beſtimmter kann keine Vorſchrift
ſeyn, als die Verordnung der Kayſer Theod. und
Valent. im L. 5. C. de Legib. 69), welche folgen-
des Inhalts iſt: Nullum pactum, nullam conven-
tionem, nullum contractum inter eos videri volu-
mus ſubſecutum, qui contrahunt lege contrahere

pro-
68) S. puffendorf in I. N. et G. Lib. III. cap. 7. §. 6.
Zwar meint grotius de Iure B. et P. Lib. II. c. 5.
§. 14. n. 4. et
10. es ſey noch ein Unterſchied unter ver-
bieten, und eine Handlung nichtig machen; und erſte-
res ſchlieſſe das leztere nicht nothwendig in ſich, indem
dem Verbot auch durch eine Strafe ein Genuͤge geſchehen
koͤnne. Allein Herr Regierungsrath Eichmann hat dieſe
Meinung in ſeinen vortreflichen Erklaͤrungen des
buͤrgerlichen Rechts
I. Th. S. 31. gruͤndlich wi-
derlegt.
69) Die Diſtinction des aͤltern Roͤm. Rechts inter leges
perfectas, imperfectas
et minus quam perfectas,
die ich
ſchon oben S. 56. u. 57. erlaͤutert habe, uͤbergehe ich
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[102/0122] 1. Buch. 1. Tit. null und nichtig zu halten? Die Note 1. enthaͤlt die Entſcheidung dieſer Frage. Regulariter, ſagt daſelbſt der Autor, actus contra legis probibitionem ſusceptus eſt nullus. Ich trete dieſer Meinung ohne weiteres Bedenken bey. Schon die geſunde Vernunft uͤberzeugt uns von dieſer Regel, denn indem die Geſetze dieſe oder jene Handlung verbieten, ſo wird eben dadurch denen Unterthanen die moraliſche Befugniß dazu entzo- gen. Wie nun von dieſer Befugniß die Guͤltigkeit und rechtliche Wirkung der Geſchaͤfte abhaͤngt; ſo verſtehet es ſich von ſelbſt, daß das buͤrgerliche Verboth die Nichtigkeit ſolcher Handlungen, welche dagegen unter- nommen werden, nach ſich ziehen muͤſſe 68). Es be- ſtaͤttigen aber auch das nehmliche die deutlichſten Civil- geſetze. Deutlicher und beſtimmter kann keine Vorſchrift ſeyn, als die Verordnung der Kayſer Theod. und Valent. im L. 5. C. de Legib. 69), welche folgen- des Inhalts iſt: Nullum pactum, nullam conven- tionem, nullum contractum inter eos videri volu- mus ſubſecutum, qui contrahunt lege contrahere pro- 68) S. puffendorf in I. N. et G. Lib. III. cap. 7. §. 6. Zwar meint grotius de Iure B. et P. Lib. II. c. 5. §. 14. n. 4. et 10. es ſey noch ein Unterſchied unter ver- bieten, und eine Handlung nichtig machen; und erſte- res ſchlieſſe das leztere nicht nothwendig in ſich, indem dem Verbot auch durch eine Strafe ein Genuͤge geſchehen koͤnne. Allein Herr Regierungsrath Eichmann hat dieſe Meinung in ſeinen vortreflichen Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts I. Th. S. 31. gruͤndlich wi- derlegt. 69) Die Diſtinction des aͤltern Roͤm. Rechts inter leges perfectas, imperfectas et minus quam perfectas, die ich ſchon oben S. 56. u. 57. erlaͤutert habe, uͤbergehe ich hier um ſo mehr, da ſie durch das neuere Roͤm. Recht gaͤnzlich aufgehoben worden iſt.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/122>, abgerufen am 28.11.2024.