Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Buch. 1. Tit.
oder sich derselben zu enthalten. Eben so erlauben
auch die Gesetze einem Vater, seine natürliche Kinder
durch nachfolgende Ehe mit ihrer Mutter zu legitimi-
ren. Lezteres (Ius cogens) enthält im Gegentheil Ge-
setze, welche eine Handlung gebiethen oder verviethen.
Permissivgesetze legen nun zwar demjenigen, dem
dadurch etwas verstattet oder ein gewisses besonderes
Recht ertheilet wird, der Regel nach keine Verbind-
lichkeit auf, sich desselben zu bedienen, sondern über-
lassen solches eines Willkühr; ich sage, der Regel
nach
, denn es findet eine Ausnahme statt, wenn das
mir verstattete Recht mit dem Recht und der Befug-
niß eines Andern dergestalt in Verbindung stehet,
daß solche durch den Nichtgebrauch meines Rechts ge-
kränkt werden würde. Z. B. So kann ein filiusfami-
lias
sich ohne Wissen und Willen seines Vaters der
Rechtswohlthat des Macedonianischen Rathsschlusses
rechtsgültig nicht begeben 55); auch kein Geistlicher seinem
befreieten Gerichtsstande ohne Consens des ordentlichen
geistlichen Richters entsagen 56). Allein jeden andern
verbinden sie jedoch perfecte, denjenigen, welchem die
Gesetze eine Befugniß zu handeln verstattet haben,
in dem rechtmäsigen Gebrauch seines Rechts nicht zu
stöhren noch zu verhindern. Auf solche Art lässet sich
diese Eintheilung des Rechts in ius permissivum und
cogens wohl vertheidigen, ob sie schon einige Rechts-
gelehrten, wiewohl ohne genugsamen Grund, haben

ver-
55) Struben in den rechtlichen Bedenken. I. Th.
B. 156. S. 377.
56) cap. 12. X. de foro compet. quia pacto privatorum
iuri publico minime derogatur.
S. G. L. boehmer
in Princip. iuris canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 6.
§. 243. not. b.

1. Buch. 1. Tit.
oder ſich derſelben zu enthalten. Eben ſo erlauben
auch die Geſetze einem Vater, ſeine natuͤrliche Kinder
durch nachfolgende Ehe mit ihrer Mutter zu legitimi-
ren. Lezteres (Ius cogens) enthaͤlt im Gegentheil Ge-
ſetze, welche eine Handlung gebiethen oder verviethen.
Permiſſivgeſetze legen nun zwar demjenigen, dem
dadurch etwas verſtattet oder ein gewiſſes beſonderes
Recht ertheilet wird, der Regel nach keine Verbind-
lichkeit auf, ſich deſſelben zu bedienen, ſondern uͤber-
laſſen ſolches eines Willkuͤhr; ich ſage, der Regel
nach
, denn es findet eine Ausnahme ſtatt, wenn das
mir verſtattete Recht mit dem Recht und der Befug-
niß eines Andern dergeſtalt in Verbindung ſtehet,
daß ſolche durch den Nichtgebrauch meines Rechts ge-
kraͤnkt werden wuͤrde. Z. B. So kann ein filiusfami-
lias
ſich ohne Wiſſen und Willen ſeines Vaters der
Rechtswohlthat des Macedonianiſchen Rathsſchluſſes
rechtsguͤltig nicht begeben 55); auch kein Geiſtlicher ſeinem
befreieten Gerichtsſtande ohne Conſens des ordentlichen
geiſtlichen Richters entſagen 56). Allein jeden andern
verbinden ſie jedoch perfecte, denjenigen, welchem die
Geſetze eine Befugniß zu handeln verſtattet haben,
in dem rechtmaͤſigen Gebrauch ſeines Rechts nicht zu
ſtoͤhren noch zu verhindern. Auf ſolche Art laͤſſet ſich
dieſe Eintheilung des Rechts in ius permiſſivum und
cogens wohl vertheidigen, ob ſie ſchon einige Rechts-
gelehrten, wiewohl ohne genugſamen Grund, haben

ver-
55) Struben in den rechtlichen Bedenken. I. Th.
B. 156. S. 377.
56) cap. 12. X. de foro compet. quia pacto privatorum
iuri publico minime derogatur.
S. G. L. boehmer
in Princip. iuris canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 6.
§. 243. not. b.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0118" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">1. Buch. 1. Tit.</hi></fw><lb/>
oder &#x017F;ich der&#x017F;elben zu enthalten. Eben &#x017F;o erlauben<lb/>
auch die Ge&#x017F;etze einem Vater, &#x017F;eine natu&#x0364;rliche Kinder<lb/>
durch nachfolgende Ehe mit ihrer Mutter zu legitimi-<lb/>
ren. Lezteres (<hi rendition="#aq">Ius cogens</hi>) entha&#x0364;lt im Gegentheil Ge-<lb/>
&#x017F;etze, welche eine Handlung gebiethen oder verviethen.<lb/><hi rendition="#g">Permi&#x017F;&#x017F;ivge&#x017F;etze</hi> legen nun zwar demjenigen, dem<lb/>
dadurch etwas ver&#x017F;tattet oder ein gewi&#x017F;&#x017F;es be&#x017F;onderes<lb/>
Recht ertheilet wird, der Regel nach keine Verbind-<lb/>
lichkeit auf, &#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;elben zu bedienen, &#x017F;ondern u&#x0364;ber-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olches eines Willku&#x0364;hr; ich &#x017F;age, <hi rendition="#g">der Regel<lb/>
nach</hi>, denn es findet eine Ausnahme &#x017F;tatt, wenn das<lb/>
mir ver&#x017F;tattete Recht mit dem Recht und der Befug-<lb/>
niß eines Andern derge&#x017F;talt in Verbindung &#x017F;tehet,<lb/>
daß &#x017F;olche durch den Nichtgebrauch meines Rechts ge-<lb/>
kra&#x0364;nkt werden wu&#x0364;rde. Z. B. So kann ein <hi rendition="#aq">filiusfami-<lb/>
lias</hi> &#x017F;ich ohne Wi&#x017F;&#x017F;en und Willen &#x017F;eines Vaters der<lb/>
Rechtswohlthat des Macedoniani&#x017F;chen Raths&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;es<lb/>
rechtsgu&#x0364;ltig nicht begeben <note place="foot" n="55)">Struben in den <hi rendition="#g">rechtlichen Bedenken</hi>. <hi rendition="#aq">I.</hi> Th.<lb/>
B. 156. S. 377.</note>; auch kein Gei&#x017F;tlicher &#x017F;einem<lb/>
befreieten Gerichts&#x017F;tande ohne Con&#x017F;ens des ordentlichen<lb/>
gei&#x017F;tlichen Richters ent&#x017F;agen <note place="foot" n="56)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">cap. 12. X. de foro compet</hi>. quia pacto privatorum<lb/>
iuri publico minime derogatur.</hi> S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">G. L</hi>. <hi rendition="#k">boehmer</hi><lb/><hi rendition="#g">in Princip. iuris canon</hi>. Lib. II. Sect. III. Tit. 6.<lb/>
§. 243. not. b.</hi></note>. Allein jeden andern<lb/>
verbinden &#x017F;ie jedoch <hi rendition="#aq">perfecte,</hi> denjenigen, welchem die<lb/>
Ge&#x017F;etze eine Befugniß zu handeln ver&#x017F;tattet haben,<lb/>
in dem rechtma&#x0364;&#x017F;igen Gebrauch &#x017F;eines Rechts nicht zu<lb/>
&#x017F;to&#x0364;hren noch zu verhindern. Auf &#x017F;olche Art la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et &#x017F;ich<lb/>
die&#x017F;e Eintheilung des Rechts <hi rendition="#aq">in ius permi&#x017F;&#x017F;ivum</hi> und<lb/><hi rendition="#aq">cogens</hi> wohl vertheidigen, ob &#x017F;ie &#x017F;chon einige Rechts-<lb/>
gelehrten, wiewohl ohne genug&#x017F;amen Grund, haben<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0118] 1. Buch. 1. Tit. oder ſich derſelben zu enthalten. Eben ſo erlauben auch die Geſetze einem Vater, ſeine natuͤrliche Kinder durch nachfolgende Ehe mit ihrer Mutter zu legitimi- ren. Lezteres (Ius cogens) enthaͤlt im Gegentheil Ge- ſetze, welche eine Handlung gebiethen oder verviethen. Permiſſivgeſetze legen nun zwar demjenigen, dem dadurch etwas verſtattet oder ein gewiſſes beſonderes Recht ertheilet wird, der Regel nach keine Verbind- lichkeit auf, ſich deſſelben zu bedienen, ſondern uͤber- laſſen ſolches eines Willkuͤhr; ich ſage, der Regel nach, denn es findet eine Ausnahme ſtatt, wenn das mir verſtattete Recht mit dem Recht und der Befug- niß eines Andern dergeſtalt in Verbindung ſtehet, daß ſolche durch den Nichtgebrauch meines Rechts ge- kraͤnkt werden wuͤrde. Z. B. So kann ein filiusfami- lias ſich ohne Wiſſen und Willen ſeines Vaters der Rechtswohlthat des Macedonianiſchen Rathsſchluſſes rechtsguͤltig nicht begeben 55); auch kein Geiſtlicher ſeinem befreieten Gerichtsſtande ohne Conſens des ordentlichen geiſtlichen Richters entſagen 56). Allein jeden andern verbinden ſie jedoch perfecte, denjenigen, welchem die Geſetze eine Befugniß zu handeln verſtattet haben, in dem rechtmaͤſigen Gebrauch ſeines Rechts nicht zu ſtoͤhren noch zu verhindern. Auf ſolche Art laͤſſet ſich dieſe Eintheilung des Rechts in ius permiſſivum und cogens wohl vertheidigen, ob ſie ſchon einige Rechts- gelehrten, wiewohl ohne genugſamen Grund, haben ver- 55) Struben in den rechtlichen Bedenken. I. Th. B. 156. S. 377. 56) cap. 12. X. de foro compet. quia pacto privatorum iuri publico minime derogatur. S. G. L. boehmer in Princip. iuris canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 6. §. 243. not. b.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/118
Zitationshilfe: Glück, Christian Friedrich von: Versuch einer ausführlichen Erläuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar für meine Zuhörer. Erlangen, 1790, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/glueck_pandecten01_1790/118>, abgerufen am 24.11.2024.